Jobcenter muss Tablet für Schulkind bezahlen
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Für Leon (15, von links), Saskia (14), Miguel (15) und Mina (14) gehört das Tablet schon selbstverständlich zum Unterricht dazu.
© Quelle: Gerko Naumann
Berenbostel/Hannover. Das Jobcenter muss einer Schülerin der Oberschule Berenbostel ein Tablet im Wert von 369,90 Euro bezahlen. Das hat das Sozialgericht Hannover in einem Eilverfahren entschieden. Dort hatte die Mutter der Sechstklässlerin geklagt, nachdem die Behörde den Antrag auf die Bezahlung abgelehnt hatte. Die Mutter bezieht Hartz-IV-Leistungen und kann sich den Computer nicht leisten, der im Unterricht künftig die Schulbücher ersetzen soll.
Mutter ist über Entscheidung erleichtert
Deshalb war die Mutter, die ihren Namen nicht nennen will, vor Gericht gezogen. Über die Entscheidung ist sie erleichtert. „Ich habe das mit meinem Anwalt durchgeboxt und das Geld schon ausgezahlt bekommen“, sagt sie. Ihr Ziel sei es gewesen, dass ihre Tochter trotz der schwierigen finanziellen Situation die gleichen Voraussetzungen habe wie ihre Mitschüler.
Das Gericht begründet seine Entscheidung unter anderem damit, dass der Mutter ein Ratenkauf nicht zuzumuten wäre. Sie muss bereits Raten aus einem anderen Vertrag abbezahlen. Eine weitere Belastung würde zu einer „Unterschreitung des Existenzminimus“ führen. Außerdem gehöre das Tablet mittlerweile zum „existenziellen Bedarf eines Kindes“ – nur damit könne es „dem Unterricht sachgerecht folgen“.
Gesetzgeber hat Tablets nicht im Blick
Im sogenannten Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes, aus dem für sozial schwache Familien etwa Klassenfahrten und Schulbücher bezahlt werden, sei schlicht noch keine Rede von Tablets. „Den – vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung und der damit einhergehenden Veränderung der Unterrichtsmethoden – entstehenden Bedarf für ein Tablet hat der Gesetzgeber nicht vorausgesehen“, heißt es in der Begründung des Sozialgerichts. An dieser Stelle müsse der Gesetzgeber nachbessern.
Sandra Lohmüller, Pressesprecherin des Sozialgerichts Hannover, betont, dass der Beschluss nur vorläufig gilt. Gegen den Widerspruchsbescheid des Jobcenters müsse die Mutter noch offiziell Klage einreichen, um das eigentliche Hauptverfahren anzustrengen. Sollte das Urteil dann anders ausfallen, müsse die Mutter das Geld zurückzahlen. „Es ist deshalb noch zu früh, von einem Präzedenzfall zu sprechen“, sagt Lohmüller. In den Fluren des Sozialgerichts werde aber durchaus angeregt über den spannenden und eventuell wegweisenden Fall der Garbsener Schülerin gesprochen.
Lehrer fordert rechtliche Klarheit
Lehrer Bernd Boeck von der Oberschule Berenbostel begrüßt die Entscheidung des Sozialgerichts. Er hofft, dass nun grundsätzlich für alle Eltern und Kinder rechtliche Klarheit geschaffen wird. Bislang müssen Zuzahlungen mühsam im Einzelfall geklärt werden. „Es müssen alle Kinder versorgt werden, auch wenn die Eltern das Geld nicht haben“, fordert Boeck. Allein die Oberschule Berenbostel will in den nächsten Jahren alle 460 Schüler mit Tablets ausrüsten.
Die Digitalisierung macht auch vor den Klassenräumen nicht halt. Deshalb will die neu gegründete Oberschule in Berenbostel (ein Zusammenschluss von Haupt- und Realschule) alle Klassen mit Tablets ausstatten. Ziel ist es, die Geräte in allen Fächern zu nutzen. In den Naturwissenschaften können zum Beispiel Versuche dokumentiert werden. „Im Mathematikunterricht ersetzt das Tablet etwa den Taschenrechner“, sagt Lehrer Bernd Boeck. Weil so eben andere teure Geräte und Schulbücher durch Apps ersetzt werden, würden die Eltern auf lange Sicht sogar Geld sparen.
Die Tablets werden zudem für Hausaufgaben und zur Recherche im Internet genutzt. Außerdem können damit Referate für Geschichte oder Geografie gestaltet werden. An der Schule gibt es die Arbeitsgemeinschaft Tablet-Scouts, damit Schüler das Gelernte an ihre Mitschüler weitergeben. Auch Filme über die Schule werden gedreht.
Von Gerko Naumann
HAZ