Laatzen-Mitte

Podiumsdiskussion über Luther und die Juden

Podiumsdiskussion über Luther und die Juden:  Die promovierte Theologin und Pastorin Sigrid Lampe-Densky spricht vor rund 70 Zuhörern in der Arche mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Michael Fürst (von links) und dem ehemaligen Landtagspräsidenten und Historiker Jürgen Gansäuer.

Podiumsdiskussion über Luther und die Juden: Die promovierte Theologin und Pastorin Sigrid Lampe-Densky spricht vor rund 70 Zuhörern in der Arche mit dem Vorsitzenden des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden Michael Fürst (von links) und dem ehemaligen Landtagspräsidenten und Historiker Jürgen Gansäuer.

Laatzen-Mitte. Von Martin Luther geht eine zwielichtige Strahlkraft aus. Der Kirchenreformator hat vor rund 500 Jahren nicht nur theologische und für die gesellschaftliche Entwicklung bedeutende Schriften verfasst, sondern ist auch als Autor judenfeindlicher Schriften in die Geschichte eingegangen. Sein Wirken bis in die Jetzt-Zeit war am Dienstag Thema des prominent besetzten Podiumsgespräches zu der Frage "Was geht es uns heute noch an? - Luther und die Juden“.

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Neben dem früheren Landtagspräsidenten und studierten Historiker Jürgen Gansäuer schilderten der Chef des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Michael Fürst sowie die Ricklinger Pastorin und Buchautorin Sigrid Lampe-Densky ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf Luther und den neuen staatlichen Feiertag am 31. Oktober.

Fürst: „Festlegung auf Reformationstag schmerzt“

„Die Festlegung auf den Reformationstag schmerzt uns Juden“, betonte Fürst vor rund 70 Zuhörern in der Arche. „Luther war Antijudaist von Anfang bis Ende.“ Gemeinsam mit der katholischen Kirche sei für einen anderen, interreligiösen Feiertag geworben worden wie den Buß- und Bettag – erfolglos. Nun stehe die Entscheidung. „Wir haben den Luthertag zu akzeptieren, aber ich werde im Büro sitzen und arbeiten.“ Gleichwohl würden die Juden nicht in Lethargie verfallen sondern weiter mit den katholischen und evangelischen Geschwistern sprechen, so Fürst: „Freundschaft muss auch Streit aushalten können – auch heftigen – solange er ehrlich und nicht hinterlistig ist.“

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Luthers judenfeindliche Äußerungen wie seine berüchtigte Schrift von 1543 „Von den Juden und ihren Lügen“ seien indiskutabel, stellte Gansäuer in einem kurzen Abriss zur Vorgeschichte und den Folgen der Reformation klar. Bei der Bewertungen müssten aber die Zeitumstände bedacht werden. „Wer über Luther zu Gericht sitzen will, muss bereit sein, ihn nicht nur aber auch mit den Maßstäben des ausgehenden Mittelalters zu messen.“ Das Wissen um den Holocaust und zweier Weltkriege mit einzubeziehen sei diesem beim besten Willen nicht möglich gewesen, so Gansäuer.

„Die Reformation ist ein schwieriges Erbe“, meinte Lampe-Densky, Pastorin der St.-Thomas-Gemeinde in Oberricklingen. Aus Ärger über eine mögliche Heldenverehrung Luthers hatte sie 2017 ihr Buch ,Reformation - verdrängt, verhindert, verweigert’ veröffentlicht, in dem sie die Verlierer der Kirchenreform in den Fokus rückt: Frauen, Bauern und Juden. Luthers Theologie sei verschiedenen Forschungsrichtungen folgend mehr oder weniger durchzogen vom Antijudaismus und seine Sicht auf die vermeintlich einem Irrweg folgenden Juden stehe im Widerspruch zum Glauben an den einen Gott, erklärte die promovierte Theologin. Dies stelle auch die evangelische Kirche vor große Fragen: „Was machen wir mit Martin Luther? Muss sein Name weiter in die Landeskirche einbezogen sein? Reicht nicht einfach evangelisch?“

Lampe-Densky, die ihre Doktorarbeit über neutestamentarische Gleichnisse geschrieben hat, warb für eine gemeinsame Zukunft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Weg ist, den wir ohne unsere jüdischen Geschwister gehen werden“, sagte die Pastorin und der Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinde Fürst entgegnete: „Wenn die den Begriff ,Luther’ weggkriegen, machen wir die Reformation weiter mit ihnen.“

Derzeit keine Bedrohung für Juden in Niedersachsen

Auch die jüngsten Vorfälle wie in Chemnitz waren Thema der Podiumsdiskussion. „Den Antisemitismus haben wir mitten in der Gesellschaft – leider auch in der Politik“, sagte Fürst, der ergänzte: „Nicht jeder, der AFD wählt ist ein Rassist, nicht jeder ihrer Parlamentarier ein Antisemit.“ Mit der Partei gelte es zu leben und die Menschen müssten gesprächsbereit bleiben – „es sei denn einer ist bekennender Antisemit, mit dem muss ich nicht unbedingt sprechen“. Beruhigend äußerte sich Fürst nach neuesten Gesprächen mit dem Verfassungsschutz zur Lage in Niedersachsen: „Wir haben derzeit keine Bedrohung.“ Auch die Zusammenarbeit mit den Vertretern muslimischer Gemeinden laufe gut.

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Einhellig warben die Diskutanten für den interreligiösen Austausch und die Begegnung. „Waren Sie schon einmal in einer Synagoge?“, fragte Gansäuer abschließend in die Runde der Zuhörer und Michael Fürst ergänzte: „Unsere Türen stehen immer offen.“

Organisiert hatte die Podiumsdiskussion in der Arche die Kirchenregion Laatzen. Den musikalischen Rahmen gestaltete am Dienstagabend eine Cellogruppe der Musikschule Latzen unter der Leitung von Yasuko Ogata. Letztere Hatte bereits am Vortag bei der Eröffnung der Wanderausstllung „....“ mit anderen Schülern in der Arche gespielt. Die Ausstellung ist noch bis einschließlich 22. November vor und nach den Gottesdiensten sowie nach Vereinbarungen zu sehen. Für Terminabsprachen ist die Pastorin der Thomasgemeinde, Heike Linke, erreichbar unter Telefon (0511) 87656777 oder per Email an heike.linke@evlka.de.

Von Astrid Köhler

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