Schülerinnen des Gymnasiums erarbeiten spielerisch Themen wie Rassismus und Antisemitismus
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Unterhaltung und Information: Moderatorin Sarah Sporys vermittelt den 18 Schülerinnen des Deutschleistungskurses mithilfe von Quizfragen Anregungen zu Themen wie Rassismus und Diskriminierung.
© Quelle: Andreas Krasselt
Langenhagen. Kann man an Schulen spielerisch mit Themen wie Rassismus und Antisemitismus umgehen? Der in Berlin ansässige Verein Bürger Europas ist derzeit bundesweit mit seinem Programm „Deutschland International“ an Schulen und Berufsschulen unterwegs und versucht genau das: Jugendliche mit Quizfragen zum Nachdenken anzuregen – unterstützt von prominenten Mitstreitern wie dem jüdischen Rapper Ben Salomo oder der afro-deutschen Sängerin Rola. Am Donnerstag machte das Projekt Station am Gymnasium Langenhagen.
Die 18 Mädchen des Deutschleistungskurses im 13. Jahrgang sitzen gespannt in dem Klassenraum, während Moderatorin Sarah Sporys vom Verein Bürger Europas gemeinsam mit Kursleiterin Ursula Baumann die letzten Vorbereitungen trifft. Das Whiteboard, über das wenig später die Fragen projiziert werden, wird ausgeklappt, und Sporys verteilt kleine TED-Abstimmungsgeräte, mit denen die Schülerinnen die Antworten eingeben können.
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Abstimmen: Mit diesem kleinen Gerät beteiligten sich die Schülerinnen an dem Quiz.
© Quelle: Andreas Krasselt
„Es ist so ähnlich wie bei ‚Wer wird Millionär‘“, erklärt die Moderatorin. Bei jeder Frage gibt es drei Antwortmöglichkeiten, weshalb auch nur die Tasten 1 bis 3 auf dem Gerät wichtig sind. „Ziel ist, so schnell wie möglich richtig zu liegen“, sagt sie. Und wer am schnellsten die richtige Antwort gedrückt habe, bekomme nicht nur Klassenapplaus, sondern auch ein kleines Geschenk.
Ergebnisse werden anonym in Prozenten angezeigt
Alles geschieht anonym, niemand muss sich für eine falsche Antwort schämen. Die Ergebnisse werden in Prozenten angezeigt. Nur die Nummer des Geräts, über das die schnellste Antwort kommt, erscheint. Dann kann sich die Schülerin melden.
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Auswahl: Aus sieben möglichen Themenfeldern konnten die Jugendlichen drei bestimmen.
© Quelle: Andreas Krasselt
Um das Verfahren zu testen, fragt Sporys zunächst nach den Erwartungen. Auch hier läuft der Countdown von zehn Sekunden, dann müssen die Antworten da sein. 95 Prozent erwarten „Information und Unterhaltung“, die Möglichkeit, nichts Neues und nur Langweile geboten zu bekommen, wird von niemandem befürchtet. Aber fünf Prozent der Schülerinnen entschieden sich für die Alternative „Hauptpreise und Applaus“. Was immerhin zeigt, dass die Aussicht auf Belohnung die Aufmerksamkeit schärfen kann.
Auswahl aus sieben Themenfeldern
Der Verein Bürger Europas hat für sein Spiel, das für Jugendliche ab der 8. Klasse gedacht ist, insgesamt sieben Themenfelder identifiziert, die alle um die zentralen Problemfelder Rassismus und Diskriminierung kreisen. Sporys sagt gleich, dass man in den 90 Minuten nur drei Kategorien behandeln könne. Die Schülerinnen entscheiden sich für „Wir sind verschieden“, „Antisemitismus“ und „Rechtsextremismus“. In jedem Feld gilt es, vier Fragen zu beantworten.
Die Erste ist noch einfach. Es geht um ein Beispiel für Diskriminierung. Dass ein syrischer Staatsbürger bei einer Bundestagswahl nicht wählen darf, ist den meisten einleuchtend. Und auch für die fehlende Gymnasialempfehlung einer ausländischen Schülerin sahen sie eher die schlechten Noten verantwortlich. Für 94 Prozent der Schülerinnen ist die Verweigerung eines Ausbildungsplatzes wegen eines nicht deutsch klingenden Namens das deutlichste Zeichen von Diskriminierung, womit sie richtig liegen.
Es geht nicht nur um Spaß
„Warum?“, fragt Spory. Denn schließlich geht es nicht nur um Spaß. Eine Schülerin begründet ihre Antwort mit dem Ausschlussverfahren. Das reicht Sporys nicht ganz, und sie erklärt: „Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass diese Person anders behandelt wird.“ So wird aus dem Spiel Unterricht. Zu jeder Frage vermittelt die Moderatorin zusätzliche Informationen, gibt ausführliche Erläuterungen.
Nicht alles ist so leicht zu beantworten. Bei der Frage, welches Amt 2018 auf Bundesebene eingerichtet wurde, dürften auch die Eltern ins grübeln kommen. Antidiskriminierungs-, Antisemitismus- oder Antiextremismusbeauftragter? Richtig ist Antwort 2, doch nur 32 Prozent der Schülerinnen lagen richtig. 47 Prozent votierten für 1, 21 Prozent für 3. Bei der Frage nach den nationalen Minderheiten lagen indes 100 Prozent mit der Antwort Sinti und Roma richtig.
Rapper Ben Salomon erklärt Antisemitismus
Spannend wurde es im Themenfeld Antisemitismus. In einem Videoclip erklärt Rapper Ben Salomon, was es heißt, Jude zu sein – und was Antisemitismus bedeutet. Er ruft dazu auf, Gerüchten um Juden etwas entgegenzusetzen. Dann stellt er die Frage, welche Stadt für Juden, Christen und Moslems heilig sei. Fünf Prozent der Schülerinnen tippen dabei auf Babylon, was zumindest für ein gewisses Geschichtsbewusstsein spricht. 89 Prozent liegen richtig mit Jerusalem.
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Gegen Antisemitismus: Rapper Ben Salomo fragte danach, was in den Augen der Schülerinnen jüdisch sein bedeutet.
© Quelle: Andreas Krasselt
Sängerin Rola erzählt über ihre bunte Familie
Und das dritte Themenfeld startet musikalisch. Sängerin Rola berichtet von ihrem multikulturellen Hintergrund: Sie sei Deutsche, geboren in Ghana, ihre Mutter Ghanäerin, ihr Vater Libanese. „Meine Freunde kommen aus allen Teilen der Welt“, erzählt sie, und dass der respektvolle Umgang miteinander das wichtigste sei. Und dann will sie wissen, welcher Song an das rechtsextreme Attentat von Hanau erinnert? „Darth Vader“ hält niemand für möglich, doch 68 Prozent tippen auf „Sag wann?“ – und liegen falsch. Richtig geantwortet haben 32 Prozent: Gemeint war der Song „Bist du wach?“
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Die Schnellste: Emelie Hoppe gewann gleich zweimal hintereinander einen kleinen Preis.
© Quelle: Andreas Krasselt
Und was ist nun mit den kleinen Gewinnen? Sie sind in der Tat klein, mehr ein Gag, denn der Ansporn soll ja im Thema liegen. Die erste schnelle Schülerin erhält einen Kugelschreiber. Gleich zweimal hintereinander erfolgreich ist Emelie Hoppe. Sie darf sich über einen Jutebeutel des Vereins Bürger Europas freuen – und über eine Kerze. Ein Licht aufgegangen dürfte aber auch ihren Mitschülerinnen sein.
Lehrer Denis Stehr, der diese Aktion organisiert hatte, ist zufrieden. „Die Mischung aus spielerischem Quiz, Videobotschaften von Prominenten und altersgerechter Information durch die Workshop-Leiterin kam bei den Schülerinnen und Schülern sichtlich gut an. Wir alle haben heute einiges über unser Land und seine vielfältige Gesellschaft dazugelernt.“ Gerne würde er einen solchen Workshop wiederholen. „Ich kann es auch anderen Schulen nur empfehlen.“
HAZ