Streit um Mietvertrag für Markthalle
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Ein leeres Kochstudio: Jan Sierakowski gibt Räumlichkeit und Betrieb auf.
© Quelle: Stephan Hartung
Langenhagen. Was ist los in der frisch renovierten Markthalle? Jan und Kirsten Sierakowski jedenfalls haben ihre Kisten und Koffer wieder gepackt. Die Räume für ihre eigentlich im Obergeschoss geplante Kochschule sind verwaist. Eine Wiederkehr ist ausgeschlossen – sagen die beiden tief frustrierten Geschäftsleute, die nach einem unfreiwilligen Ende in Hannover nun in Langenhagens Mitte eine neue Heimat für ihr Unternehmen gefunden zu haben glaubten. Worum es in dem Streit geht? „Arglistige Täuschung“ ist die einzige Sprachregelung, die sie auf Anraten ihres Anwalts in der Zeitung lesen wollen. Fair behandelt fühlen sie sich vom Management der Markthalle jedenfalls nicht.
Umso auskunftsfreudiger ist Bernd Ebeling. Er vertritt die Alpha-Immobilien Service GmbH in Hildesheim und fungiert im Auftrag des Markthallen-Eigentümers, des Nieren-Spezialisten Dr. Hans Schmidt-Gürtler, als Verwalter des Objektes. Ebeling benennt auf Nachfrage dieser Zeitung die Bewertung von Mäusen und Ungeziefer in der Markthalle als Kern des Streits – und tritt die Flucht nach vorne an: „Es war immer bekannt, dass es in der Markthalle auch schon früher ein Ungeziefer-Thema gab. So wie in jedem offenen Gebäude, in dem mit Speisen umgegangen wird. Und das ist im Zuge der umfangreichen Sanierungsarbeiten mit dem Öffnen von Zwischenwänden und -decken natürlich erst einmal deutlicher geworden“, erläutert er ohne Umschweife. Aber genauso natürlich sei auch, dass sich die Eigentümer und alle beteiligten Firmen unverzüglich an die Beseitigung des Problems gemacht hätten. Dies im übrigen im steten Austausch mit den Aufsichtsbehörden bei der Region Hannover.
Fachdienst der Region sieht keinen gravierenden Befall
Die Region Hannover bestätigt auf Nachfrage dieser Zeitung Ebelings Sicht auf die Dinge. Dem Fachdienst Verbraucherschutz und Veterinärwesen sei die „Schädlingsproblematik in der Markthalle Langenhagen schon lange bekannt“, heißt es in einer Stellungnahme. Dieser habe „entsprechende Maßnahmen verhängt und kontrolliert diese regelmäßig vor Ort“. Grundsätzlich aber sei der Mäusebefall in der Markthalle „nicht so gravierend, dass eine Betriebsschließung gerechtfertigt wäre“. Aufgrund der aktuellen Umbaumaßnahmen zögen die Mäuse zwar verstärkt innerhalb der verschiedenen Einbauten hin und her. „Auch wenn die Mäuse von den ausgelegten Ködern fressen, sieht man sie mehr, weil sie träge werden. Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass der Befall zugenommen hat.“ Ebeling spricht von 10.000 Euro, die aktuell über zwei Monate für zusätzliche Schädlingsbekämpfung investiert werde.
Zuletzt gab es nach Angabe der Region „vergangene Woche eine Begehung mit dem Vermieter und dem Schädlingsbekämpfer“. Die Maßnahmen, die der Vermieter aktuell getroffen habe, wurden als „ausreichend“ eingestuft. Trotzdem bleibe der Fachdienst mit dem Betreiber in engem Kontakt, um die Nachhaltigkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Die Problematik, so Ebeling, sei allen bisherigen und neuen Mietern, wie eben auch dem Ehepaar Sierakowski dargelegt worden. „Ich kann schriftlich belegen, dass wir bei der Ausarbeitung des Mietvertrages für die Kochschule auch eine Nebenkosten-Übersicht vorgelegt haben.“ Darin vermerkt unter anderem folgender Jahres-Posten für das Gebäude: „Ungezieferbekämpfung 7000 Euro.“
Dabei passte die Idee eigentlich perfekt in die Markthalle: Zwölf Jahre lang hatten Sierakowskis das Kochstudio erfolgreich in Hannover im Ahrbergviertel betrieben, ehe der Vermieter dort allen Nutzern kündigte. Nach langer Suche fanden sie in Langenhagen neue Räumlichkeiten. Binnen weniger Monate gelang ein Umbau, den auch Ebeling zunächst für sportlich ehrgeizig eingeschätzt hatte. "Am Ende aber haute es hin", sagt Ebeling.
Niemand ist glücklich mit der Situation
Glücklich, so betont er, sei er mit dem Ausgang des Streits nicht. Ebenso wenig wie der Hauseigentümer Schmidt-Gürtler, der im Obergeschoss der Markthalle just seine Dialyse-Praxis eingerichtet hat. „Wir hätten das gerne auf friedlichem Wege gelöst“, sagt der Arzt auf Nachfrage dieser Zeitung. Warum es trotz mehrfacher Angebote letztlich kein persönliches Gespräch habe geben können, entziehe sich seiner Kenntnis. Ebeling spricht von einem nach seiner Erfahrung unerwartet schnellen Auftreten eines Anwalts. Jetzt steht Aussage gegen Aussage, und die Juristen sind am Ball.
Das Gastronomen-Ehepaar steht vor einem Scherbenhaufen, wie es dieser Zeitung berichtet. „Die Schließung trifft uns sehr hart. Denn von Oktober bis März findet unser Geschäft statt, von dem wir das ganze Jahr über leben“, sagt Kirsten Sierakowski, die selbst Juristin ist. Und viele Absagen müssten auch verschickt werden. „Denn unsere Kurse waren für die nächsten Wochen und Monate voll belegt, das Geld müssen wir den Kunden zurück überweisen.“ Umzug, Inventar und Gerätschaften – all dies war teuer „und geht vermutlich in die 100.000 Euro, wir sind in unserer Existenz bedroht“, sagt Jan Sierakowski. So oder so tue es ihm weh, dass er nicht seinen Beruf ausüben könne. Der gelernte Koch arbeitete nach eigenen Worten im Restaurant Vier Jahreszeiten und im Sternerestaurant Le Canard in Hamburg, zuvor auch auf der MS Europa. „Ich werde mir etwas Neues suchen müssen. Die Kochschule ist aber Geschichte.“
Von Rebekka Neander und Stephan Hartung
HAZ