Drohende Schließung des Krankenhauses: Dem Regionspräsidenten schlägt der Unmut der Lehrter entgegen
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„Im KRH ist derzeit überhaupt nichts gut“: Regionspräsident Steffen Krach (SPD, von links) spricht im Rat der Stadt – beobachtet von Ratspräsident Dirk Werner (SPD), Bürgermeister Frank Prüße (CDU) und Lehrtes Erster Stadträtin Marion Lange.
© Quelle: Achim Gückel
Lehrte. Die Debatte dauerte mehr als zwei Stunden, etliche Bürgerinnen und Bürger kamen zu Wort, und der Gast aus Hannover musste sich viele sehr deutliche Worte anhören. Regionspräsident Steffen Krach (SPD) ist am Mittwochabend im Rat der Stadt zu Gast gewesen. Er sollte Rede und Antwort zu der im Herbst vorgestellten „Medizinstrategie 2030“ des Klinikums Region Hannover (KRH) stehen, in dem auch die Schließung des Lehrter Krankenhauses vorgeschlagen wird. Und das wollen viele Menschen in der Stadt, allen voran die Ratspolitiker, nicht klag- und kampflos hinnehmen.
Krach, der gleichzeitig KRH-Aufsichtsratchef ist, schlug zwei Stunden lang Unmut entgegen. Neue Hoffnung auf einen Erhalt der Klinik an der Manskestraße machte der Sozialdemokrat nicht. Wohl aber sprach er davon, dass Details in dem von sieben Krankenhaus-Experten entwickelten Strategiepapier noch ausgearbeitet werden müssten.
Regionspräsident: „Noch ist nichts entschieden“
Krach betonte vor den weit über 100 Gästen im Kurt-Hirschfeld-Forum auch, es sei bei der Medizinstrategie 2030, welche das KRH wirtschaftlicher und medizinisch effizienter machen soll, noch nichts entschieden. Ende Februar werde es eine Klausurtagung mit der Geschäftsführung geben. „Bevor wir Entscheidungen treffen, müssen Zahlen her“, sagte er. Anschließend gehe das Thema zur Beratung in die Politik. Wann die „Medizinstrategie 2030“ im Regionsparlament zur Abstimmung komme, könne er noch nicht sagen, betonte der Regionspräsident. Das solle aber eher früher als später passieren.
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„Was wird aus der Notfallversorgung?“: Etliche Gäste des Rates machen ihren Sorgen und ihrem Unmut Luft.
© Quelle: Achim Gückel
Der Gast aus Hannover betonte, dass er die sehr emotionale Diskussion in Lehrte um das Krankenhaus verstehe. Er nehme die Sorgen ernst. Doch im KRH sei derzeit „überhaupt nichts gut“. Die Konsolidierung der Finanzen und der medizinischen Versorgung sei ein Thema, das nur „in Gänze“ bearbeitet werden könne. „Das ist keine reine Umlanddiskussion“, betonte Krach angesichts der vielen Fragen zum Lehrter Krankenhaus. Gebe es bei dem hoch defizitären Krankenhausverbund keine Änderungen, drohe die Privatisierung – und zwangsläufig die Schließung der Lehrter Klinik. Insgesamt wolle man „die Gesundheitsversorgung in der Region besser machen“, betonte Krach.
Große Sorge um die Notfallversorgung
Doch dass diese Ansage auch auf die Stadt Lehrte und den Osten der Region Hannover zutrifft, wenn das Krankenhaus an der Manskestraße geschlossen und möglicherweise durch einen Medizin-Campus ersetzt wird, mochten die meisten Anwesenden im Forum nicht glauben. Schon bevor Krach sprach, hatten einige Gäste ihre Sorgen geäußert. Größte Befürchtung: Die Notfallversorgung wird in Lehrte schlechter, wenn das Krankenhaus fehlt. Wenn es um jede Minute gehe, sei der Weg in entfernter gelegene Kliniken ein Spiel mit dem Leben. Zudem dürfe „Geld nicht alles sein“, wenn es um die medizinische Versorgung gehe, sagte ein Zuhörer.
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Lehrter Allgemeinmediziner mahnten, dass ein Mangel an Hausärzten absehbar sei. Dann dürfe man nicht auch noch die ambulante wohnortnahe Versorgung in Krankenhäusern schwächen. Ein weiterer Vorwurf: Das KRH habe das Lehrter Krankenhaus nicht wie vor sechs Jahren versprochen mit einer altersmedizinischen Abteilung und weiteren Betten ausgebaut, sondern gezielt abgewirtschaftet, um es nun schließen zu können.
Heftige Kritik aus den Reihen der Politik
Deutliche Kritik hörte Krach auch aus Reihen der Lehrter Ratspolitik. „Im Osten der Region leben 150.000 Menschen, das Krankenhaus ist die letzte Einrichtung der Region im Mittelzentrum Lehrte, und das geben wir nicht auf“, sagte SPD-Fraktionschef Hans-Jürgen Licht: „Gesundheit ist keine Ware, wir werden um das Krankenhaus kämpfen, eine Schließung ist mit uns nicht zu machen.“
CDU-Fraktionschef Marcel Haak ging den sozialdemokratischen Regionspräsidenten hart an. „Sie haben die Verantwortung, dass die Medizinstrategie öffentlich gemacht wurde und noch so viele Fragen offen bleiben. Damit ist das Kind schon in den Brunnen gefallen“, rief er Krach zu. Dieses Vorgehen sei von Anfang an „unmöglich“ gewesen. „Wir wollen hier keine Maximalversorgung, aber Lehrte hat ein Krankenhaus verdient. Und wo sollen denn die 600 Notfallpatienten im Jahr sonst hin?“, fragte Haak.
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Grüner regt gemeinsames Krankenhaus mit Peine an
Auch Armin Albat von den Lehrter Grünen forderte eine „leistungsstarke Notfallversorgung in Lehrte“. Wenigstens das müsse Krach zusagen. Darüber regte er an, ganz neue Wege zu gehen – etwa den Bau einer ganz neuen Klinik gemeinsam mit dem Landkreis Peine. „Wir sperren uns nicht grundsätzlich vor Veränderungen, aber wir befürchten, die vorgelegte Medizinstrategie 2030 geht nicht auf“, sagte Albat. Stefan Henze (AfD) erinnerte daran, dass „das Lehrter Krankenhaus nicht der große Defizitbringer im KRH“ sei. Er verlangte klare Aussagen darüber, ob auch ohne ein Krankenhaus in Lehrte im Notfall die Rettungszeiten für die Menschen in der östlichen Region eingehalten werden könnten.
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So viele Zuhörerinnen und Zuhörer wie selten: Mehr als 100 Menschen besuchen die Ratssitzung mit der Diskussion über das Krankenhaus.
© Quelle: Achim Gückel
Schon im Dezember hatte der Lehrter Rat eine Resolution zum Erhalt des Krankenhauses an der Manskestraße verabschiedet – und zwar einstimmig. Frank Prüße (CDU) erinnerte am Mittwochabend nachdrücklich an diesen symbolischen Akt. Er sehe das KRH in der „sachlichen und moralischen Pflicht“, die aus einer Stiftung des Zementfabrikanten Hermann Manske hervorgegangene Klinik zu erhalten. Sie erledige die ambulante Versorgung von Menschen nicht allein aus Lehrte, sondern auch für jene aus Sehnde, Uetze und Burgdorf.
Krankenhaus als Standortfaktor
„Das Krankenhaus ist ein Standortfaktor für die gesamte östliche Region Hannover“, sagte Prüße. Lehrte sei die größte Stadt im Nordosten der Region, habe die beste Infrastruktur und halte die meisten Arbeitskräfte für das örtliche Krankenhaus vor. „Und wenn wir schon einen neuen Standort für eine Klinik suchen, dann sollten sie auch Lehrte dafür in Betracht ziehen“, rief er dem Regionspräsidenten in Anspielung auf den Klinikneubau in Großburgwedel zu.
Onlinepetition und sichtbarer Protest
Der Kampf um den Erhalt des Krankenhauses in Lehrte wird entschiedener. Jetzt hat die CDU Tafeln drucken lassen, die sie demnächst in der Stadt aufhängen will. Darauf steht: „Krankenhausstadt Lehrte. Undenkbar: Lehrte ohne Krankenhaus“. Während der Ratssitzung riefen mehrere Redner außerdem dazu auf, die von den Christdemokraten und der FDP ins Leben gerufene und von SPD, WfL sowie Gewerkschaften unterstützte Petition zum Erhalt der Klinik zu unterzeichnen. Unterschriftenlisten liegen in Geschäften aus. Online ist die Beteiligung über das Portal www.openpetition.de möglich. Bis Donnerstagnachmittag hatte die Petition knapp 8000 Unterstützer.
Eine sehr persönliche und emotionale Rede hatte ganz zu Beginn der Ratssitzung auch Adriana Simeczek (Linke) gehalten. Sie arbeite selbst seit 28 Jahren im Lehrter Krankenhaus und kenne das Innenleben dort. „Wir sind stolz auf unser Krankenhaus“, sagte Simeczek. Es gebe in der Belegschaft ein hohes Maß an persönlicher Wertschätzung untereinander. Doch wenn der Standort geschlossen werde, drohe der Verlust von vielen Mitarbeitenden, die dem KRH-Verbund dann ganz den Rücken kehren könnten. „Die Leute sind des Kampfes um ihren Standort müde“, sagte Simeczek – und verließ kurz darauf die Ratssitzung, um im Krankenhaus für eine ausgefallene Kollegin eine Schicht zu übernehmen.