Bei Beratungen spielen immer noch Ängste mit
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Schwerpunkt Frauenarbeit: Die Computer-Einführungskurse mit Kinderbetreuung im Treffpunkt „Zur Vielfalt“ finden großen Anklang.
© Quelle: Privat
Sehnde. Die große Flüchtlingswelle ist zwar vorbei – doch die Arbeit für den Verein Flüchtlingshilfe Sehnde wird damit nicht weniger. Nur die Inhalte bei den Beratungen für die rund 330 Geflüchteten in der Stadt haben sich deutlich geändert. Der 56 Mitglieder zählende Verein kann deshalb eventuell schon in diesem Jahr mit einer Erhöhung des städtischen Zuschusses von 50.000 auf 70.000 Euro hoffen, um für die zahlreichen Aktivitäten eine hauptamtliche Koordinatorin in Vollzeit einzustellen, weil die Arbeit mit Ehrenamtlichen allein nicht mehr zu schaffen ist. Im Fokus stehen dieses Jahr die Zwölf- bis 18-Jährigen und ihre Zukunftsperspektiven.
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Im Rahmen ihres Deutschkurses haben Flüchtlingsmütter mit Kindern die Herrenhäuser Gärten besucht.
© Quelle: Privat
Schon mehr als 60 Beratungen hat der Verein in Zusammenarbeit mit der Diakonie Hannover-Land seit Oktober in seinem Treffpunkt „Zur Vielfalt“ in Rethmar durchgeführt. „Diese Zahl hat mich erstaunt“, sagt die Vorsitzende Ortrud Mall. Dabei gehe es kaum mehr um Basisinformationen, sondern eher darum, wenn Post vom Jobcenter etwa für Männer kommt, die schon Arbeit haben und deren Leistungen reduziert werden sollen oder wenn das Amtsdeutsch von Behörden nicht verstanden wird. „Da spielen auch Ängste mit“, meint Mall.
Viele wollten zudem weg von Hartz IV, eine Ausbildung machen und Arbeit finden. Zudem kämen nun auch Ältere. Eine afghanische Frau etwa, die bereits seit fünf Jahren in Sehnde wohne, habe erstmals die Beratung aufgesucht und wolle nun einen PC-Kurs machen, um aus ihrer Isolation zu kommen. Besonders schwierig sei die Wohnungssuche. Viele Vermieter legten einfach auf, wenn sie einen Akzent am Telefon hören. „Das ist ein großes Thema, denn Wohnungen sind knapp“, weiß Mall. Zusammen mit der Diakonie habe man Flüchtlingen einen „Mieterführerschein“ angeboten. Dabei wird vermittelt, wie man richtig lüftet und heizt, auf Schimmelbildung achtet und Müll trennt. Dafür gibt es ein Zertifikat, dass bei der Wohnungssuche helfen soll.
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Aus Solidarität haben zahlreiche Flüchtlinge im Dezember erstmals mit dem Verein Weihnachten gefeiert.
© Quelle: Oliver Kühn (Archiv)
Ganz besonders will sich der Verein in diesem Jahr um Kinder und Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren kümmern. Viele hätten schon Freunde gefunden und seien auf einem guten Weg zur Integration. „Es geht darum herauszufinden, welche Zukunftsperspektiven sie zu Hause oder in Deutschland haben“, verdeutlicht Mall. Deshalb wolle man als Verein stärker in die Präventionsarbeit einsteigen, den Kontakt zu Grundschulen und der Kooperativen Gesamtschule wieder intensivieren und etwa die Nachhilfe neu koordinieren.
Einen Schwerpunkt bildet weiterhin die Frauenarbeit. 35 Frauen nehmen etwa regelmäßig an Deutschkursen teil – mit einer Kinderbetreuung der Volkshochschule (VHS) Ostkreis Hannover sogar für unter Dreijährige. „Sonst hätten die Mütter keine Möglichkeit dazu“, sagt Mall. Bis zu zehn Kinder spielten dann im Treffpunkt. Dafür sei eine 450-Euro-Kraft eingestellt worden, unterstützt von einer Ehrenamtlichen. Demnächst könne man mit der VHS Kurse mit dem Niveau A2 anbieten, bei denen Flüchtlinge schon Sätze und häufig gebrauchte Ausdrücke verstehen und lernen, sich in vertrauten Situationen bei Themen wie Arbeit, Familie und Einkaufen zu verständigen.
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Beim Zuckerfest feiern Frauen ihre bestandenen Deutschprüfungen, jetzt gibt es zudem eine Alphabetisierung.
© Quelle: Privat
Seit September läuft zudem eine Alphabetisierung vorwiegend für Frauen aus dem Irak, Afghanistan und Syrien. Viele sprächen nur Arabisch und hätten keine Schulerfahrung. „Die durften nur zum Koranunterricht“, erklärt Mall. Ganz neu sind die sogenannten Computerführerscheine, die eine Frau übernommen hat, die vor ihrer Flucht Informatik studiert habe und nun auf einen Abschluss an der Universität Hannover hinarbeite. Dafür stünden im Treffpunkt drei Arbeitsplätze mit WLAN zur Verfügung, wo etwa Bewerbungsschreiben verfasst werden könnten. „Zu Hause haben sie oft nur ein Smartphone und kein Geld für einen Computer.“
Die Sehnder stünden den Flüchtlingen im Großen und Ganzen aufgeschlossen gegenüber, zieht Mall Fazit. Das lasse für die Zukunft hoffen: „Bislang hat bei uns noch kein Flüchtling gesagt, er gehe zurück. Denn in ihrer Heimat herrscht Krieg.“
Eine offene Sprechstunde im Treffpunkt in Rethmar, Hauptstraße 1, gibt es jeden Montag von 13 bis 16 Uhr und Donnerstag von 10 bis 12 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Telefon (0160) 3296499 oder per E-Mail an koordinator@fluechtlingshilfe-sehnde.de.
Verein sucht neue Koordinatorin
Weil die bisherige Koordinatorin Maria Myrach in Elternzeit gegangen ist, sucht der Verein Flüchtlingshilfe Sehnde Ersatz. Gesucht werden eine Sozialpädagogin oder Sozialarbeiterin, aber auch Männer können sich bewerben. „Die Stelle ist ausgeschrieben“, sagt die Vorsitzende Ortrud Mall. Bislang sind schon Bewerbungen eingegangen, ein Kandidat ist aber noch nicht gefunden. Voraussetzung für Bewerber sei selbstständiges Arbeiten. Die Stelle umfasst 30 Wochenstunden und ist zunächst bis Anfang September befristet. Interessierte können sich per E-Mail an die Adresse bewerbung@fluechtlingshilfe-sehnde.de oder unter Telefon (0160) 2 71 71 71 an Ortrud Mall wenden.
Von Oliver Kühn