Wedemark

Schüler recherchieren Euthanasie-Fälle

Das Orchester des Gymnasiums Mellendorf und Schülersolisten begleiten das dritte Geschichtssymposium musikalisch.

Das Orchester des Gymnasiums Mellendorf und Schülersolisten begleiten das dritte Geschichtssymposium musikalisch.

Mellendorf. Deshalb rückt die Gemeinde Wedemark dieses Mal die wissenschaftliche Recherchen der Mellendorfer Gymnasiasten in den Mittelpunkt. In der Veranstaltung im Schulzentrum Mellendorf wurde auch der nächste Band in der Veröffentlichungsreihe zu diesem Projekt vorgestellt.

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Etwa 200 Gäste folgten in der Veranstaltung im Schulzentrum am Montagabend  den vorgetragenen Fallgeschichten zu Euthanasie und Zwangssterilisation unter nationalsozialistischer Herrschaft. Die 18 Schüler hatten mit großem Einsatz und Zeitaufwand in einem Geschichtsleistungskursus in Archiven gearbeitet. In dem Schulprojekt untersuchten sie die „Verfolgung und Ermordung kranker und behinderter Menschen aus dem Gebiet der heutigen Wedemark“. Sie ermittelten die Akten von vier in Dörfern der Wedemark gebürtigen, in der Zeit des Nationalsozialismus auf diese Weise verfolgten Menschen - drei Männern und einer Frau.

Die gut dreistündige Veranstaltung forderte den Gästen Konzentration ab und ließ sie, nur zuhörend, erahnen, was eine solche Recherche die Jugendlichen emotional gekostet haben mag. Die Schüler legten die Verfahren der Auslese nach den Thesen des Rassenwahns offen und blätterten die Dokumente konkreter Prozeduren auf, denen die betroffenen Menschen damals unterworfen wurden. Ebenso beleuchteten die Jugendlichen die gefundenen Nachweispapiere der systematischen Vertuschung dessen, was in den Heimen und Tötungseinrichtungen geschah. Sie gaben aber auch Antwort auf die Frage, wie es weiterging, wo die Täter blieben: Von den in dem Regime verantwortlichen und im Nürnberger Ärzteprozess angeklagten etwa 20 Ärzten erhielten sieben Todes- und Haftstrafen; doch manche Verurteilte wurden später unter der Logik einer „Schlussstrich-Mentalität“ entlassen, wie die Schüler aufzeigten. Weitere Gerichtsverfahren endeten mit Freisprüchen, und die Ärzte fanden sich nachweislich wieder auf verantwortlichen Stellen. Von den Opfern gebe es heute nur noch zwei lebende Personen, denen ab dem Jahr 2011 vom Staat 320 Euro monatlich zum Ausgleich für das erlittene Unrecht zugesprochen wurde, berichteten die Gymnasiasten von ihren Ermittlungen.

Sehr kenntnisreich hätten sie dargelegt, „in welchem Umfeld sich dieser Wahnsinn abgespielt hat“, dankte Bürgermeister Helge Zychlinski den Schülern. „Ihr habt den Scheinwerfer darauf gerichtet und eine wichtige Arbeit abgeliefert.“ Den künftigen Abiturienten bescheinigte er, sie hätten damit bewiesen, dass sie wissenschaftlich arbeiten können. Mit einer Anerkennung für das Engagement, die er von der SPD-Bundestagsabgeordneten und Parlamentarischen Staatssekretärin Caren Marks weiterreichte, kam dann auch noch Leichtigkeit und Freude auf die Gesichter: Die Schülergruppe ist nach Berlin eingeladen, und Zychlinski versprach einen Zuschuss für die Reisekasse.

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Der stellvertretende Regionspräsident Michael Dette war unter den Gästen – ein Hinweis darauf, dass die Gemeinde bei dem Projekt Erinnerungskultur in den kommenden Monaten mit der Region zusammenarbeiten wolle, wie Zychlinski in Aussicht stellte.  Wolfgang Mauersberg, ehemaliger Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, der schon beim ersten Symposium den Festvortrag hielt, stellte hier noch einmal die Historikerin Sabine Paehr vor, die den fünften Band in der Schriftenreihe der Gemeinde erarbeitet hat. Gemeinsam mit Schülern des Gymnasiums Mellendorf forschte sie zur Kinder- und Jugendzeit der Menschen in den Dörfern der Wedemark aus den Geburtsjahrgängen 1932 bis 1934. Sie waren Kinder der Zeit, als es um den Einmarsch der Alliierten, Flüchtlinge und Kriegsgefangene ging, verdeutlichte Paehr.

Als den Kulturverlust einer Epoche beschrieb schließlich der Festredner Jürgen Gansäuer die durchdringenden Wirkungen der Nazizeit auf die Menschen in ihrem Lebensalltag. Verloren wurde damals, so machte der inzwischen studierte Historiker und ehemalige niedersächsische Landtagspräsident deutlich, das offene Wort im Miteinander. „Das Vertrautsein im Dorf wurde unmöglich, Misstrauen und Furcht war die Wirklichkeit eines Kulturbruchs, der bis heute seinesgleichen sucht.“

Die Arbeit an dem Projekt Erinnerungskultur geht weiter. Der ehrenamtliche Koordinator Franz Rainer Enste gab einen Ausblick auf die Themen – unter anderem die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge auf dem Gebiet der heutigen Wedemark vor und nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

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