Erste deutsche Serie beim Streamingdienst

„Der Scheich“ bei Paramount+: ein Hochamt der Hochstapelei

Hochstapelei zwischen Deutschland, der Schweiz und Katar: Dani Levys („Die Känguru-Chroniken“) Serie „Der Scheich“ folgt einem sympathischen Nichtsnutz (Björn Meyer), der sich als Scheichsohn aus Katar ausgibt, weil er dringend Geld benötigt. Damit stürzt er sich und auch seine Familie (u. a. Petra Schmidt-Schaller) in ziemliche Turbulenzen.

Hochstapelei zwischen Deutschland, der Schweiz und Katar: Dani Levys („Die Känguru-Chroniken“) Serie „Der Scheich“ folgt einem sympathischen Nichtsnutz (Björn Meyer), der sich als Scheichsohn aus Katar ausgibt, weil er dringend Geld benötigt. Damit stürzt er sich und auch seine Familie (u. a. Petra Schmidt-Schaller) in ziemliche Turbulenzen.

Analphabetismus – davon können zwei Millionen Erwachsene in Deutschland ein Lied singen – macht den Alltag zwar nicht unmöglich, aber bisweilen ganz schön kompliziert. Wer weder lesen noch schreiben kann, scheitert schließlich allenthalben an der Bürokratie unserer textlastigen Gesellschaft, lernt allerdings auch dreierlei, um sie bisweilen ein bisschen auszutricksen: Verschleierung, Kaltschnäuzigkeit, Improvisation. Fähigkeiten, von denen der sympathische Ringo nach jahrzehntelangem Durchgewurschtel mehr als genug hat. Wenn nicht gar etwas zu viel.

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Als der schriftunkundige Gelegenheitsjobber seiner Kleinfamilie einen Kurztrip in die Schweiz spendiert, verläuft er sich beim Weg zur Hoteltoilette und landet bei einem Treffen vermögender Finanzjongleure nebenan. Und weil der bauernschlaue Mann einige Übung darin hat, Fremden etwas über seine Situation vorzumachen, gibt er sich spontan als Sohn eines Emirs aus – und wird anschließend dank gefälschter Bankauszüge über mehrere Milliarden Dollar vom Geldadel hofiert wie 68 Jahre zuvor Gregory Peck als bettelarmer Amerikaner, dem zwei steinreiche Briten mithilfe einer „Million Pound Note“ alle Türen öffnen.

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Eine Mischung aus Pu der Bär und Felix Krull

Doch während die Schwarz-Weiß-Verfilmung „Sein größter Bluff“ auf Mark Twains frei erfundener Novelle beruhte, ist Ringos Story – zumindest teilweise – verbürgt. Denn Jahre zuvor war Dani Levy auf das Schicksal eines eidgenössischen Landsmannes gestoßen, dem die Schweizer Oberschicht das Märchen vom orientalischen Thronfolger und auch sonst einiges ohne echten Wert begierig abgekauft hatte. Mit Paramount+ fand der Regisseur nun couragierte Partner für sein Drehbuch dieser Realsatire und hat sie zu einer ebenso wahrhaftigen wie unglaublichen Serie ausgewalzt – das erste deutsche Original des neuen Streamingdienstes.

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Björn Meyer – als Assistent des Münsteraner „Tatort“-Duos Boerne/Thiel bekannt geworden – verleiht dem impulsiven Hochstapler nämlich eine Mischung aus Pu der Bär und Felix Krull. Trotz (und wegen) seiner Defizite so zum Knuddeln, dass ihm selbst die ungleich attraktivere Clara (Petra Schmidt-Schaller) nicht widerstehen kann, gerät er mit jeder neuen Lüge so tief ins Netz der eigenen Dichtung, dass nicht nur die Existenz leichtgläubiger Spekulanten, sondern das Schweizer Finanzsystem zu kollabieren droht.

Der Immobilien-Loser Urs (Philippe Graber, rechts) und ein Scheich (Björn Meyer), der keiner ist: Gemeinsam startet man ein „großes“ Geschäft.

Der Immobilien-Loser Urs (Philippe Graber, rechts) und ein Scheich (Björn Meyer), der keiner ist: Gemeinsam startet man ein „großes“ Geschäft.

Es ist eine Story, die laut Levy „auf wahren Lügen basiert“. Und in der Tat: Wie 2004 in seiner famosen Betrugserzählung „Alles auf Zucker!“ zieht Dani Levy bis hin zu Musicalelementen sämtliche Register, um „Der Scheich“ zum Feuerwerk der Skurrilitäten zu machen, in dem schmierige Ganoven (Sylvester Groth) ebenso explodieren wie korrupte Bullen (Max Hopp). Alles an dieser wilden Sause ist ein bisschen drüber, alles aber auch auf so ergreifende Art nachvollziehbar, dass jeder der zehn Teile funkensprühend zum Nachdenken animiert.

Im Sog aktueller Hochstapeleien von „We Crashed“ über „The Dropout“ und „Inventing Anna“ bis hin zur deutschen Wirecard-Parodie „King of Stonks“ halten uns Figuren wie Ringo schließlich gerade reihenweise den Spiegel der eigenen Betrugsanfälligkeit vor Augen. Zugleich aber geben sie uns die Möglichkeit zur Abstraktion im Sinne von „So blöd wäre ich niemals!“. „Träum weiter“, meint Dani Levy dazu im Gespräch mit dem Onlineportal DWDL. „Wir alle wollen doch betrogen werden.“

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Der Filmemacher sieht sich daher als Dienstleister am Publikum, das er „berufsbedingt täuschen, sogar belügen muss“, dabei allerdings klarmacht, „wie konkret die Gefahr der Täuschung ist“. Wenngleich, fügt Levy hinzu, „ohne mein Herz für Blender zu verlieren“. Und dieses Herz pulsiert in jeder Sekunde der Serie, dass der Bildschirm vibriert. In einer Produktion, die fast zu märchenhaft ist, um realistisch zu sein, also unterhaltsamer als Dichtung und Wahrheit zusammen.

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