Der Serienabschied fällt schwer

Kommt hier jemand lebend raus? – Bei Netflix laufen die letzten Episoden von „Ozark“

Schwört Rache: Ruth Langmore (Julia Garner, r.) bei der Beerdigung ihres Cousins Wyatt. Szene aus der Netflix-Serie „Ozark“.

Schwört Rache: Ruth Langmore (Julia Garner, r.) bei der Beerdigung ihres Cousins Wyatt. Szene aus der Netflix-Serie „Ozark“.

Von manchen Serien und Serienfiguren trennt man sich nur schwer. Der Serienmördermörder Dexter war so einer. Jüngst tauchte er für eine Staffel aus der Versenkung auf, nur um den Staffelstab an seinen Sohn weiterzureichen. Der Tod der Schildmaid Lagertha in „Vikings“ machte uns zu schaffen, ebenso der des braven Gottesmanns Beocca in der Wikingerserie „The Last Kingdom“. Bei „Game of Thrones“ nahmen wir von fast allen Figuren Abschied, als wären es Geschwister, und wir hätten die meisten Tode der letzten Episode völlig anders gestaltet. Das neueste schwere Schlucken gibt es jetzt mit „Ozark“. Mit der zweiten Hälfte der vierten Staffel müssen wir der Familie Byrde und ihren Gefährtinnen und Gefährten und Gegnerinnen und Gegnern „so long“ sagen. Und bangen um ihr Überleben.

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Bill Dubuques und Mark Williams‘ „Ozark“ war 2017 einer der absoluten Volltreffer von Netflix gewesen, eine Thrillerserie mit dunklem Witz, Esprit und Temperament, herausragend geschrieben, gespielt, inszeniert. Ein braver Mann und seine Familie geraten auf die schiefstmögliche Bahn, weil der Geschäftspartner und Freund des Finanzberaters Marty Byrde glaubte, ein mexikanisches Drogenkartell übers Ohr hauen zu können.

Marty Byrde verdankte sein Leben seiner Geistesgegenwart

Seinem Improvisationstalent verdankte Marty Byrde damals, am Leben zu bleiben. Sein Versprechen, am Lake of the Ozarks in Missouri Hunderte von Millionen Mafiagelder waschen zu können, erwies sich als nicht ganz so einfach einzulösen.

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Weil die vermeintlich dem Verbrechen abholden Einheimischen eben doch gewiefte Typen und Frauen waren, die sich ihre eigenen krummen Geschäfte nicht von Zugereisten durchkreuzen lassen wollten. Keinen Krümel vom Kuchen wollten sie abgeben. Die Byrdes, der smarte Marty (Jason Bateman) und die wendige Wendy (Laura Linney), schnitten sich dennoch dicke Stücke ab.

In „Ozark“ wurde vorzugsweise überraschend gestorben

Dabei wurden in dieser Serie unverhofft Passagiere über den Jordan gesetzt – ähnlich wie in „Game of Thrones“, der für ihren unbekümmerten Umgang mit nach Zuschauerauffassung unverzichtbarem Personal berüchtigten „Mutter aller Serien“. Figuren, die nach unserem klassischen Verständnis von Seriendramaturgie viel zu „spannend“ waren, wurden in „Ozark“ im Handumdrehen ins televisionäre Jenseits befördert.

Hätte irgendwer die Exekution von Helen Pierce (Janet McTeer), der Anwältin des mächtigen Kartellchefs Omar Navarro (Felix Solis), zum Ende der dritten Staffel erwartet? Dass die durchgeknallte örtliche Drogenbaronin Darlene Snell (Lisa Emery) schon länger reif war, das Zeitliche zu segnen, darüber war man sich einig. Dass aber deren liebenswerter Lover Wyatt (Charlie Tahan) durch Navarros Neffen Javi (Alfonso Herrera) gewaltsam zu Tode kam, nahmen wir übel. Daran kauten wir mindestens so schwer wie seine Cousine Ruth Langmore (Julia Garner), unsere absolute „Ozark“-Lieblingsfigur, eine unbeugsame Kämpferin, die jetzt auf den letzten Serienmetern ein für allemal raus will aus dem entbehrungsreichen Dasein im Trailer. Und eigentlich gute Chancen hat ...

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Die Byrdes streben zurück in ihr altes Leben

Die Situation zum Start von Teil zwei der vierten Staffel: Die Byrdes streben zurück in ihr altes Leben, weg von der Drogenmafia, den korrupten Provinzpolitikern, den schönen, aber lebensgefährlichen Ozarks. Sie stellen die Weichen, einfach wieder Eltern zweier Kinder in einem ganz normalen städtischen Umfeld sein zu können, nicht mehr fürchten zu müssen, dass aus irgendeinem Schatten ein Mensch tritt, der eine Pistole auf sie richtet. Dafür legen sie noch mal richtig los mit dem Improvisieren.

Und wie das in „Ozark“ immer so war – aus einem gelösten Problem ergeben sich zwei neue, während zugleich alte Leichen im Keller der Byrdes neu zu rumoren beginnen. Der unabschüttelbare Detektiv Mel Sattem (Adam Rothenberg war der Captain Homer Jackson aus der Thrillerserie „Ripper Street“) sucht erst nach der verschwundenen Helen, dann nach Wendys Bruder Ben (Tom Pelphrey). Er wird zum bösen Stachel im Fleisch der Byrdes. Zum Speer in ihrem Herzen wird allerdings Ruth, als sie zum Ende der ersten neuen Episode den Kartellerben niederschießt. Javis Tod ist schwerer zu vertuschen als der Sturz eines Achtmeteraffen vom Empire State Building. Aber wenn das jemand schafft, dann die Byrdes.

Ein wirklich gefährlicher Mann: Wendy Byrde (Laura Linney) im Gefängnis bei Kartellchef Omar Navarro (Felix Solis).

Ein wirklich gefährlicher Mann: Wendy Byrde (Laura Linney) im Gefängnis bei Kartellchef Omar Navarro (Felix Solis).

Der Ausklang von „Ozark“ macht mehr denn je klar, dass diese Geschichte jenseits ihrer äußerst fesselnden Gangsterkulisse vor allem eine Familiensaga ist. Ruth kommt nur schwer über den Tod von Wyatt hinweg. Und Navarros Schwester Camila (Veronica Falcón) nimmt den Tod ihres Sohnes Javi nicht annähernd so leicht, wie sie Marty zunächst glauben macht. Die Byrde-Kinder Charlotte (Sofia Hublitz) und Jonah (Skylar Gaertner) wenden sich mehr und mehr von Mutter Wendy ab, die sich im Verlauf der mafiösen Verwicklungen als die kältere Seele der Eltern herausstellte, die nicht viel Federlesen machte, wenn es galt, Quertreiber über die Klinge springen zu lassen.

Als Wendys bibeltreuer Vater seine Enkel über ein Gerichtsurteil aus den Fängen seiner Tochter befreien zu müssen glaubt und die Kinder sich dafür offen zeigen, beginnt für Wendy die wichtigste Schlacht ihrs Lebens.

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Den Opa spielt Richard Thomas – der einst John-Boy Walton war

Wobei man als Zuschauer zunächst auf Opas Seite steht. Der scheint alles für Jonah und Charlotte tun zu wollen – und den spielt kein Geringerer als Richard Thomas. An den leuchtenden Augen erkennt der TV-historisch bewanderte Serienmaniac immer noch den unbedarften John-Boy aus der klassischen Hinter-den-Sieben-Bergen-sind-alle-nett-zueinander-Serie „Die Waltons“ (1972–1981), jenen jungen Mann, der abends im Stall „Gute Nacht, Kuh, gute Nacht, Pferd!“ sagte, um dann im Petroleumlampenschimmer seines ärmlichen Farmhauszimmers die Familienchronik zu schreiben.

Nur scheint das Leuchten in Richard Thomas‘ Augen diesmal nicht euphorisch, sondern selbstgerecht und schließlich fanatisch. Familiengeheimnisse kommen ans Tageslicht, die das eigentliche Monster hinter der monströsen Wendy sichtbar werden lassen. Man sortiert seine Sympathien noch einmal neu. Es gibt Szenen, die unglaublich berührend sind. Täter werden als Opfer erkennbar.

Und Opfer werden zu Tätern. Es wird wahrlich viel gestorben in den letzten „Ozark“-Episoden. Es sterben Leute, die sich für unverwundbar hielten, was ihnen in ihren letzten Sekunden einen ungläubigen Gesichtsausdruck verleiht. Und es sterben Leute, die wir für unverwundbar hielten, was uns ebendiesen Gesichtsausdruck verleiht.

Zwei Schüsse fallen in der Abschiedsepisode, die wir lieber nicht gehört hätten, die nach unserem Dafürhalten auch besser ungefallen geblieben wären, mit denen wir nicht einverstanden sind. Deren Echo die Serie aber in unseren Köpfen halten wird. „Ozark“ zu bingen, eine Serie über die Fallstricke der Gier hat sich gelohnt - über die volle Distanz.

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„Ozark“ vierte Staffel, Teil 2, sieben Episoden, von Bill Dubuque und Mark Williams, mit Jason Bateman, Laura Linney, Julia Garner, Sofia Hublitz, Skylar Gaertnr (streambar bei Netflix)

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