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Historienfilm

Gérard Depardieu spielt „Rasputin" mit Leidenschaft

Foto: Mit Bart und Temperament: Gérard Depardieu als Rasputin. Der Wanderprediger wurde später als Geistheiler verehrt.

Mit Bart und Temperament: Gérard Depardieu als Rasputin. Der Wanderprediger wurde später als Geistheiler verehrt.

Hannover. Ja, so sind sie – die Russen: trinkfest und viril, hemdsärmlich und leidenschaftsgetrieben, seltsam mystisch, aber zutiefst erdverwachsen, vaterlandslieb, standesbewusst und sehr, sehr fromm. Wladimir Wladimirowitsch Putin dürfte seine helle Freude haben an diesem Grigori Jefimowitsch Rasputin. Und an dessen Darsteller: Gérard Xavier Marcel Depardieu, frisch gebackener Untertan des amtierenden russischen Präsidenten.

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Denn kaum, dass der französisch-russische Doppelstaatsbürger steuerflüchtig übergelaufen ist in Putins Riesenreich, da läuft auch schon die russisch-französische Ko-Produktion „Rasputin“ im Fernsehen. Und man kommt einfach nicht umhin, dieses aufwendig kostümierte TV-Werk über den berühmt-berüchtigten Wanderprediger als unterschwelliges Bewerbungsschreiben um wirtschaftliches Asyl im neuen alten Zarenreich zu lesen.

Schließlich spielt Gérard Depardieu den „Hellseher der Zarin“, wie es leicht redundant im Untertitel heißt, nicht bloß – er ist dieser charismatische Wunderheiler aus den Tiefen Sibiriens, der Anfang des 19. Jahrhunderts die Gunst der Herrschersippe erlangte und gleichsam das langsam entstehende Bürgertum St. Petersburgs in Wallung brachte. Wie das französische Nationalmonument Gérard diesen russischen Spiritualhelden Grigori gibt, wie er sich mit Riesenleib und Zauselbart und irrem Blick durch die erblühende Hauptstadt hurt und säuft und pöbelt, wie er gleichsam die Massen verzückt und verstört – da ist es bisweilen schwer auseinanderzuhalten, wer hier Schauspieler ist und wer bloß Filmfigur.

Vorweg: Das hundertminütige Fernsehepos der französischen Regisseurin Josée Dayan, die Depardieu schon zwölf Jahre zuvor in ihrem monumentalen Vierteiler „Les Misérables“ ganz oben besetzt hat, ist ein Paradebeispiel fiktionalen Historytainments mit Schauwert, aber ohne Tiefe. Die Kulisse ist bis ins kleinste Detail authentizitätsverliebt, viele Darsteller von Vladimir Mashikov als Zar Nikolaus II. über Fanny Ardant als dessen Frau Alexandra bis hin zu Anna Mikhalkova (Hofdame Anna Wyrobowa) oder Rasputins Mörder Prinz Jussupov alias Filipp Yankovskiy ähneln fast beängstigend den Originalen. Und überhaupt – alles ist lausig synchronisiert, aber sehenswert inszeniert.

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Vor allem aber geht es um Depardieu. Und irgendwie auch um Putin. Letzterer dürfte besonders das filmische Ambiente seines Neulandsmanns zu schätzen wissen. Wer sich derart offen als leidlich modernisierter Zar geriert wie Putin, wird wohl zufrieden sein mit der Darstellung seines Vorgängers im Film. Dort presst Nikolaus sein Volk schließlich anders als in der Realität nicht bis aufs Blut aus, sondern sorgt sich darum voller Wärme, weshalb er es vor Weltkrieg und ähnlichem Unbill bewahren will. Und sein Weib hilft selbstlos im Feldlazarett.

Dramaturgisch ist das Geschichtsklitterung der subtileren Art, atmosphärisch ist das wie eine geistige Unterfütterung des Machtpolitikers Putin, dessen autokratischer Hypernationalismus der blütenreinen Vorgeschichte sowjetischer Herrschaft bedarf. In diesem Licht ist „Rasputin“ so unterhaltsam wie verstörend.

Jan Freitag

HAZ

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