Kämpfende Germanen und ein Sisi-Remake: So will Netflix das deutsche Publikum begeistern
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Eine Frau sieht Rot: In „Kleo“ geht die Titelheldin (Jella Haase) auf einen Rachefeldzug – Szene aus der Netflix-Serie.
© Quelle: Netflix
Netflix hielt am Dienstag Ausschau auf die deutschsprachigen Themen im angelaufenen Programmjahr 2022 – ein weiteres Mal fand die Präsentation wegen der Pandemie digital statt. Und wie immer gab man sich unter Moderation von Hadnet Tesfai euphorisch, dem Publikum nur das Beste vom Besten anzubieten, was – man schaue etwa auf den am 9. Februar anlaufenden deutschen Schocker „Das Privileg – Die Auserwählten“ – nicht immer einzulösen ist. Hier der Ausblick in den Sparten Serie, Film und Non-Fiction. Starttermine wurden in den meisten Fällen noch nicht bekannt gegeben.
„Totenfrau“, Serie – „Manchmal glaube ich, dass mir die Toten näher sind als die Lebenden“, sagt Anna Maria Mühe in der Titelrolle der Bernhard-Aichner-Verfilmung „Totenfrau“. Vor Tirols prächtiger Bergkulisse steigt unter Regie von Nicolai Rohde eine rasante Rachegeschichte. Eine Bestatterin entdeckt, dass der Tod ihres Ehemanns, eines Polizisten, kein Unfall war. Und so erledigt sie ab sofort auch die für (einige) Begräbnisse notwendige Vorarbeit. Petitesse am Rande: Autor Aichner hat für die Korrektheit des Hintergrunds selbst eine Weile in einem Bestattungsinstitut gearbeitet.
„Neumatt“, Serie – In der Schweizer Produktion kehrt der Businessmann Michi (Juian Koechin) auf den Bauernhof seiner Eltern zurück. Der Vater hat sich das Leben genommen, das Gehöft ist marode und in Millionenhöhe verschuldet. Da trifft der Heimkehrer den Entschluss, seiner Familie aus der Patsche zu helfen. Ein Drama nach einer Idee von Petra Biondina Volpe, das vor dem Hintergrund der beinahe unbemerkten Landwirtschaftskrise spielt.
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Michi (Julian Koechin) hat vor, den vom Ruin bedrohten elterlichen Hof zu retten. Szeneaus der Serie "Neumatt".
© Quelle: Netflix
„King of Stonks“ oder „Cable Cash“, Serie – Neues von den Machern von „How To Sell Drugs Online (Fast)“. Philip Käßbohrer und Matthias Murmann haben sich vom „Wirecard“-Skandal inspirieren lassen und dann mächtig an der Fiktionalisierungsschraube gedreht. In den Hauptrollen sind Matthias Brandt und Thomas Schubert zu sehen. Käßbohrer verspricht „eine Geschichte von A…löchern in einer Welt der A…löcher“. Aha!
„Kleo“, Serie – Jella Haase mit Kampffrisur im „Fack ju, Stasi!“-Modus. Als junge, erfolgreiche DDR-Killerin landete Kleo nach der erfolgreichen Liquidierung eines Geschäftsmannes im Knast der Staatssicherheit. Nach dem Mauerfall kommt sie frei und lässt ihren Rachegefühlen freien Lauf. Als „durchgeknallt und liebenswert“ klassifizieren die HaRiBos genannten Macher (Hanno Hackfort, Richard Kropf, Bob Konrad), die sowohl Showrunner als auch Autoren sind, ihre Figur. Jella Haase sagt: „Die ist so da. Die lebt. Die atmet.“ Was vom comichaft-knalligen Trailer eindrucksvoll bestätigt wird.
„Barbaren“, Serie, zweite Staffel – Was genau noch über Thusnelda (Jeanne Goursaud), Arminius (Laurence Rupp) und Konsorten nach der Schlacht gegen Roms Legionen im Teutoburger Wald (Finale der ersten Staffel) erzählt werden kann, wurde bei der Präsentation nicht bekannt. Erste Bilder mit krass bemalten Stammesbrüdern und -schwestern und aufgespießten Tierschädeln im germanischen Nebel wechselten bei der Netflix-Vorschau mit Bildern vom Training der Darsteller und von den Dreharbeiten. Die erste Staffel der Sandalenserie war ein internationaler Netflix-Hit.
„The Empress“, Serie – Erster Eindruck des Trailers der Netflix-Serie über Österreichs Kultkaiserin Sisi und ihren Franz: Wenn die beiden da so auf einer Kiesinsel im Fluss kauern, schmeckt das wieder mehr nach Romantik als neulich bei der (großartigen) RTL+-Serie. Devrim Lingnau und Philip Froissant schlüpfen in die Rollen der Royals. Dass die böse Schwiegermutter der süßen Sisi prophezeit, sie sei nicht die gesuchte Herrscherin, die die Zeit überstrahlt, ist unverschämt und wird natürlich unter anderem von dieser Serie widerlegt. Gerade unsere krisendurchwirkte Zeit braucht soviel Sisi wie möglich.
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Romantische Royals: Devrim Lingnau und Philip Froissant sind als Sisi und Franz schwer verliebt. Szene aus der Serie „The Empress“.
© Quelle: Netflix
„1899″, Serie – Baran Bo Odar und Jantje Friese, das Ehepaar, das den Mystery-Maniacs die überaus gelungene Gruselserie „Dark“ schenkte, schickt in „1899″ europäische Auswanderer mit dem Schiff „Kerberos“ nach Amerika. Gymnasiasten mit Altgriechisch im Unterricht wären damals unter dem Namen des Höllenhundes nie gereist. Unterwegs begegnen die Passagiere einem vermissten, manövrierunfähigen anderen Schiff, und – nein! – einige gehen an Bord. Friese verspricht ein „ähnliches Puzzle wie bei ‚Dark‘“.
„Blood and Gold“, Film – Dem Soldat Heinrich dämmert die Sinnlosigkeit des Zweiten Weltkriegs, als er in dessen letzten Tagen erfährt, dass bei einem Bomberangriff auf sein Heimatdorf nur seine jüngste Tochter überlebt hat. Er desertiert, findet Unterstützung bei einer Bauersfrau und wird von einer SS-Einheit verfolgt. Der Film von Regisseur Peter Thorwarth und Produzent Christian Becker befindet sich derzeit im Vorbereitungsstatus.
„Buba“, Film – Haben wir die Ankündigung richtig verstanden, handelt es sich dabei um eine Art Vorgeschichte zur Serie „How to Sell Drugs Online (Fast)“. Bjarne Mädel schlüpft unter Regie von Arne Feldhusen wieder in die Rolle des bekloppten Kleinkriminellen Jakob „Buba“ Otto und ist in prekären Situationen (Beschuss, Feuer, et cetera) und höchst seltsamen Gewändern zu sehen. Ko-Stars sind Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Daniel Brühl und Edin Hasanovic.
„Im Westen nichts Neues“, Film – Im Unterstand im Schützengraben bebt die Erde, selbst die Ratten laufen weg und der Blick über den Grabenrand zeigt den Soldaten, dass ein Panzer anrollt. Der in Wolfsburg geborene Regisseur Edward Berger (er drehte Episoden großartiger Serien wie „The Terror“ und „Your Honor“) verfilmt Erich Maria Remarques Antikriegsroman ein weiteres Mal. Und der Wiener Theaterjungstar Felix Kammerer stand zum ersten Mal überhaupt vor einer Kamera – als Paul Bäumer, der Soldat, der leben will und über dessen Tod Remarque den traurigen und auch zynischen Schlusssatz seines Romans schrieb: „Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, dass der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.“
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Hoffnungslos im wüsten Land: Szene aus Edward Bergers Neuverfilmung des Remarque-Romans „Im Westen nichts Neues“.
© Quelle: Reiner Bajo
„Faraway“, Film – Eine Selbstfindungsgeschichte mit komödiantischem Einschlag. Eine 49-jährige Frau (Naomi Krauss) findet auf der schönen kroatischen Insel Solta höchstwahrscheinlich – darauf deutete der Trailer hin – das Glück. Vanessa Jopps Team bestand vornehmlich aus Frauen.
„Paradise“, Film – Science-Fiction made in Germany? Da fallen einem eigentlich nur „Perry Rhodan“ (wo bleibt die Serie) und „Raumpatrouille“ (wir warten auf die von Bavaria Fiction im Vorjahr angekündigte Fortsetzung des Serienhits von 1966). In „Paradise“ geht es indes nicht in die Tiefen des Alls, sondern in die Abgründe menschlicher Skrupellosigkeit. In der nahen Zukunft dieses Films mit Corinna Kirchhoff und Kostja Ullmann kann man sich ewige Jugend kaufen und Lebensjahre gegen Geld abgeben.
„Queer Eye Germany“, Nonfiction – Der erste internationale Ableger der erfolgreichen US-Reality-TV-Serie (auch bei Netflix). Die queeren Fab Five – Leni Bolt, David Jakobs, Jan-Henrik Scheper-Stuke, Aljosha Muttardi und Ayan Yuruk – beraten und begleiten eine Person eine Woche in verschiedenen Lebensbereichen (Essen und Wein; Mode; Kultur; Wohnen; Pflege). (startet am 9. März)
„Soering“, Nonfiction – Die True-Crime-Serie der Regisseurin Lena Leonhardt und des Regisseurs Andre Hörmann erzählt von Jens Soering, der wegen Doppelmordes 33 Jahre in US-Haft saß, 2019 freikam und die Morde an den Eltern seiner damaligen Lebensgefährtin bis heute bestreitet. Die Macher fühlen sich einer neutralen Perspektive verpflichtet. Soering selbst äußert sich auch: „Ich hab’ mein Leben zerstört. Ich hab’ das Leben meiner Eltern zerstört …“ sagt er den Tränen nah.
„Gladbeck“, Nonfiction – Das Geiseldrama von Gladbeck war 1988 das erste Kapitalverbrechen, bei dem Medien Grenzen überschritten und in Verdacht einer Komplizenschaft gerieten. Eine Debatte über Grenzen und Verantwortung des Journalismus wurde losgetreten. Regisseur Volker Heise und Produzent Yan Schönefeld erzählen dieses Doku-Feature erstmals ausschließlich mit Hilfe von Archivrohmaterial. „So rau und roh wie möglich“ sollte die „Expedition in die Achtzigerjahre“ werden, sagt Heise. Und Schönefeld rechnet – aber wer unter den Filmschaffenden tut das nicht – mit „sehr interessanten Reaktionen“.