„Das Privileg – Die Auserwählten“ bei Netflix: Horror ist gar nicht so einfach

Nur nicht zu tief ins Glas blicken: Etwas Unheimliches ist in dem Gefäß, das Finn und Lena (Max Schimmelpfennig, Lea van Acken) bei einer okkult begabten Dame vorbeibringen – Szene aus „Das Privileg – Die Auserwählten“.

Nur nicht zu tief ins Glas blicken: Etwas Unheimliches ist in dem Gefäß, das Finn und Lena (Max Schimmelpfennig, Lea van Acken) bei einer okkult begabten Dame vorbeibringen – Szene aus „Das Privileg – Die Auserwählten“.

Im Ernst jetzt? Der Streifenpolizist schmunzelt doch tatsächlich, während hinter ihm in der Autowaschstraße ein toter Junge mit blutverschmiertem Gesicht auf einem Autodach liegt. „Wir gehen von Selbstmord aus“, sagt er. Und als Finn, der Kumpel des Toten, wissen will, was die Todesursache sein soll, fängt der Beamte fast an zu lachen. „Na Drogen! Ihr Kids! Ihr pfeift euch das Zeug aus Tschechien rein, dann dreht ihr durch.“

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Das Zeug aus Tschechien haben sich vielleicht ja auch die Macher von „Das Privileg – Die Auserwählten“ reingezogen. Jedenfalls ist ihr Gruselfilm weder plausibel noch gruselig. Als Finn fragt, wie sich Ramin selbst mit einem Kabelbinder habe ermorden können, schiebt der Kommissar sich einen Kaugummi in den Mund und sagt im Einklang mit dem Cop: „Drogen“. Können alles keine Absolventen hiesiger Polizeihochschulen oder -akademien sein, diese Meisterzieher voreiliger Schlüsse. Am Ende steht Finn dann im Verdacht, den erst am selben Morgen abservierten Ex seiner Schwester getötet zu haben.

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Der Gamer, seine Schwester und das Monster

Vorgeschichte: Es war einmal ein kleiner Gamer, dessen Eltern abends ausgingen und dessen volljährige Schwester auf ihn aufpassen sollte, was der Albtraum großer Schwestern seit gefühlt dem Anbeginn der Menschheit ist. Dann kam auch noch ein Monster vorbei, das von der sowieso stinksauren Schwester mit einem Messer bekämpft wurde, was aber bekanntermaßen nicht ganz einfach ist bei Wesen, die kein Herz und keinen Blutkreislauf haben und auch sonst von eher fremdartiger Biologie sind. Dann floh die große Anna mit dem kleinen Finn im Auto vor dem Monster bis zu einem gigantischen Staudamm. Und dort hielt sie ihren Audi an und – sprang runter.

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Wie unlogisch ist das denn? Kein Wunder, dass der – Zeitsprung – jetzt erwachsene Finn Schwierigkeiten hat, Mädchen anzusprechen, die er gut findet. Das Monster hat Finn jüngst auch wieder gesehen, es stellt jetzt seiner Zwillingsschwester Sophie bis in die Dusche nach (1. nein, Hitchcock lässt hier ganz gewiss nicht grüßen, 2. Wo war die Zwillingsschwester damals eigentlich noch gleich?). Wahrscheinlich besser, dass Finn dem Polizisten nichts davon erzählt hat. Dem Vater sagt er nur: „Da war noch jemand“, statt sich panisch mit zu Berge stehenden Haaren einzunässen wie jeder, der auf Armeslänge von einem Biest aus der „Twilight Zone“ entfernt gestanden hätte.

Die weitere Handlung von „Das Privileg – Die Auserwählten“ (wem ist bloß dieser Doppeltitel eingefallen?): Finn will herausfinden, was es mit dem humanoid-amorphen Wesen auf sich hat, das offenbar durch Wände gehen kann. Er glaubt, dass seine jüngere Schwester sonst auch binnen kurzem des Todes ist.

Das wird nichts Richtiges mit der Gänsehaut

Am Monster liegt es nicht, dass es mit unserer Gänsehaut nichts wird über die 107 Minuten des Films von Katharina Schöde und Felix Fuchssteiner, die schon bei der Verfilmung von Kerstin Giers Jugendbüchern „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“ gemeinsam Regie geführt hatten. Das Ding, auch wenn seine Wege unergründlich sind, hat nämlich eine echt grässliche Fratze. Aber es fehlt ihm an Timing: Dafür müsste es erstmal bei Pennywise aus „Es“ in die Lehre oder bei den Geistern von „Shining“. Jedenfalls: Früh lässt es sich vollends ausleuchten, was, wie jeder weiß, die Schreckensspitze abbricht.

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Max Schimmelpfennig (Finn) und Lea van Acken (als Finns platonische beste Freundin Lena) haben als einzige Funktionen, die Rollen ähnlich sind. Alle anderen vor der Kamera Agierenden sind Aufsager seltsam unpassender Dialoge und An-den-Tag-Leger seltsam unpassender Verhaltensweisen. Das komplette Ensemble wirkt bei alldem so desinteressiert, als hätte es vor dem völlig verdrehten Drehbuch kapituliert und nur noch den Gagenscheck im Sinn – und dann nichts wie raus hier.

Horst Janson erzählt vom Krieg gegen den Teufel

Alles kommt in einen Topf: „Black Magic Mushrooms“, Schattenvögel und Dämonen, Telekinese und Horrorflora, herrenmenschentümelnder Hirnriss und mit osteuropäischem Zungenschlag sprechende Kenner der okkulten Welt. Der große Horst Janson spielt den bettlägerigen Großvater Finns, der, wie er seinem Enkel gesteht, als junger Pastor mal einen Exorzismus durchgeführt und sich „dem Teufel gestellt“ hat. Opas erzählen ja immer Geschichten vom Krieg. Und dieser sehr spezielle Krieg wird zu Finns Sache. Nicht aber zu der des Zuschauers.

Als Finn und Lena dann eine weitreichende, ziemlich abgefahrene Verschwörung einer pharmazeutischen Sekte ausfindig machen, haben die meisten Streamer von Ehre längst woanders hin geswitcht, außer die, die es geschafft haben, den Film in der Tradition von Ed Woods „Plan 9 from Outer Space“ zu sehen – als ein vielleicht sogar mit einiger Leidenschaft erbrachtes dramaturgisches Totalversagen.

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Denn wenn der Dämon seinen Gegner mit dem irgendwie altvertraut klingenden Dämonensatz „Ihr wärdät allä stärbän!“ anröchelt, geht wirklich nur noch lachen, und zwar lauthals. Und wenn man sich dann wieder eingekriegt hat, kann man auch noch Zeuge des unmotiviertesten Film-Flotte-Dreiers aller Zeiten werden. Und dann noch das Wirken eines Sanitäters, der ein „Alien“-artig zappelndes Kreatürlein aus dem Hals eines Teenagers holt und behauptet, das sei eine Wucherung. Im Ernst jetzt?

„Das Privileg – Die Auserwählten“, 107 Minuten, Regie: Katharina Schöde, Felix Fuchssteiner, mit Max Schimmelpfennig, Lea van Acken, Roman Knižka, Lise Risom Olsen, Tijan Marei, Milena Tscharntke, Horst Janson (ab 9. Februar bei Netflix)

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