„Spuk in Hill House“ – Netflix bringt die Gänsehaut
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Kein Schlüssel passt: Was liegt hinter der geheimnisvollen roten Tür im Hill House?
© Quelle: Netflix
Los Angeles. Gibt es tatsächlich mehr Dinge im Himmel und auf Erden als die Schulweisheit sich träumen lässt, wie Shakespeares Hamlet zu Horatio sagte? Oder ist das ganze Reich des Übernatürlichen nur Schmu und Selbstbetrug? Sind die Kreaturen der Nacht, der Schattenlichter, der Hölle und des Himmels das Ergebnis überreizter Sinne, vernebelter Geister, von menschlicher Täuschung, die absichtsvoll oder versehentlich erzielt wurden?
Mit „Spuk in Hill House“ wurde ein Gruselklassiker neu belebt
Jeder, der uns im wirklichen Leben etwas über paranormale Phänomene erzählt, wird sofort als Spinner klassifiziert und aus der Gruppe ernstzunehmender und wünschenswerter Gesprächspartner gestrichen. Und doch fasziniert uns kaum etwas so sehr wie Schauergeschichten.
Und wenn dann im Kino oder auf dem Bildschirm jemand aus dem Off raunt „Hill House hält Dunkelheit in seinen Mauern“, sind wir sofort Feuer und Flamme, in ebendieses Dunkel mit einer Kerze hinein zu leuchten. Bei dem Satz „Was immer dort umging, ging allein“ des Prologs, spüren wir neben einem Frösteln, die Neugier, mit eigenen Augen zu sehen, was da durch die Flure geistert.
Mit „Spuk in Hill House“ hat Showrunner, Autor und Regisseur Mike Flanagan („Hush“) einen neoklassischen Schauerstoff neu belebt. Der Roman „Spuk in Hill House“ der Horrorschriftstellerin Shirley Jackson, über den Versuch eines Gelehrten, den vermeintlichen Poltergeistern in einem alten Gemäuer auf die Schliche zu kommen, erschien 1959 und wurde bereits 1963 (und 1999) verfiilmt. Anders als „West Side Story“-Regisseur Robert Wise in „Bis das Blut gefriert“, verändert Flanagan die Geschichte eines wissenschaftlichen Ergründungsversuchs, erzählt das Drama einer Familie.
Nelly, die Jüngste, hat Albträume von der „Mitternachtslady“
Ein Familienunglück ist es, das die nette Familie Crain zerreißen wird. Ausgerechnet in Hill House, einem dunklen architektonischen Potpourri voller Fachwerk, Erker, Türmchen und Zinnen, das in ländlicher Abgeschiedenheit liegt, wollten die netten Crains mit ihren fünf Kindern Steven, Luke, Theodora, Shirley und Nelly ihr Nest bauen.
Die schwarzen Flure werden aber nicht durch Kinderlachen illuminiert. Bedrückung breitet sich aus. Nelly, die Jüngste (Violet McGraw), hat offenbar Albträume von einer gespenstischen Frauengestalt, der „Mitternachtslady“. Vater Hugh (Timothy Hutton) tröstet sie, aber statt sich zu ihr zu legen, bis sie wieder eingeschlafen ist, verlässt er das Zimmer und überlässt seine Tochter dem Monster am Bettrand.
Bald werden alle schreiend aus dem Haus laufen. Und nach einem weiteren Schicksalsschlag werden sie als Erwachsene zurückkehren, um neuerlich zu schreien und zu verzweifeln.
Flanagan weiß: Adagio ist das Tempo effizienten Terrors
Alle Crain-Kinder sind in der Gegenwart noch immer von den Ereignissen ihrer Kindheit beeinflusst. Steven (Michiel Huisman) ist ein Buchautor, der sein Geld mit der Untersuchung (und Widerlegung) unheimlicher Erscheinungen macht. Theodora (Kate Siegel) ist eine Therapeutin für traumatisierte Kinder, Shirley (Elizabeth Reaser) leitet ein Bestattungsunternehmen, Luke (Oliver Jackson-Cohen) kommt nicht von den Drogen weg und Nelly (Victoria Pedretti), die eines Abends in das faule Nest von damals, das verlassene und seltsamerweise hell erleuchtete Hill House zurückkehrt, ist ein loses Nervenbündel. Ihre Familie hilft durch ihre Zerrüttungen, dann aber kommt ein Abend, an dem niemand Zeit hat für ihr Flüstern und Wimmern.
Flanagan weiß: Adagio ist das Tempo effizienten Terrors. Das wirksamste Unheil kriecht langsam heran und eine zehnteilige Serie hat ja auch alle Zeit der Welt. Die Kamera blickt in leere Korridore, und lange ist dort nichts zu sehen, kein Schatten, keine hinter dem Rücken eines der Protagonisten huschende Gestalt in weißen Gewändern.
Das Ende ist überraschend, überragend, furchteinflößend
Bis dann virtuos ein Schreckfleck gesetzt wird, der den Zuschauer aus seinem Sitz jagt. Diese Serie kann es erwarten, bis sie ihre hageren Krallen komplett ausgefahren hat. Dann aber, in ihrer überragenden zweiten Hälfte, ist sie bereit, unsere Vorstellung von der Wirklichkeit völlig zu zerkratzen. Das Ende ist überraschend, überragend, furchteinlößend.
Horror ist derzeit überall im Fernsehen, er blüht vor allem in Zeiten politischer Verunsicherung wie dieser. In Zeiten Trumps und des in die Mitte drängenden Nazismus fühlt man sich wie in einem Paralleluniversum gestrandet. Horror ist da Fluchtpunkt und Kurzzeit-Katharsis – dessen Protagonisten sind viel unmittelbarer bedroht.
Anders aber aber als etwa die Serie „Castle Rock“, die über ihr Selbstverständnis als Stephen-King-Panoptikum dem Spuk keine Tiefe gewährt, oder die arg schrille „American Horror Story“, reiht sich „The Haunting of Hill House“ (so der Originaltitel) unter die besten Spukfilme – von „Schloss des Schreckens“ (1961) über „The Shining“ (1980) bis „The Others“ (2001) und „The Conjuring“ (2013).
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Wer diese Serie abends allein ansieht, macht irgendwann den Fernseher aus und zieht sich die Bettdecke über den Kopf. Lieber noch einmal bei Tageslicht probieren, wenn die Sonne scheint und die Vöglein zwitschern. Nur sind im Herbst nur noch die Raben übrig, deren heiseres Krähen so gar nichts Beruhigendes an sich hat. Was da existiert zwischen Himmel und Erde? Fragen Sie nicht!