„Star Trek: Lower Decks“ – Wer hat nicht von Spock gehört?
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Die Vier von den Unterdecks: D'Vana Tendi, Beckett Mariner, Brad Boimler, Sam Rutherford (v. l.).
© Quelle: CBS
Wir schreiben das Jahr 2381. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Cerritos. Nun, eigentlich sind es keine Abenteuer. Schiffe wie die Cerritos, respektive deren Besatzungen, klären die Details, wenn die wirklich wichtigen Raumkreuzer wie Enterprise und Voyager weitergeflogen sind, um die nächste außerirdische Zivilisation zu entdecken.
Später alles für den Beitritt in die Föderation klarzumachen, „etwa, wie man den Namen des Planeten richtig schreibt“ (Brad Boimler), das ist der Job der Nachhut. Papierkram, Detailverhandlungen, Zeugs, an dem die Picards und Sarus dieser Welt nicht interessiert sind. Nicht gerade der Stoff, aus dem Science-Fiction-Serien sind. „Dieses Schiff ist ein Witz“, befindet auch sein Captain, die leicht aufbrausende, sich stets „angepisst“ fühlende Carol Freeman.
Genau das reizte Mike McMahan, einen der Macher der „Zurück in die Zukunft“-Parodie „Rick & Morty“: Den Sternenflottenalltag zu zeigen, das Gewese in der untersten Etage des Schiffsbauchs, fern von der Brücke, nahe bei den Duschen. Die Ensigns Beckett Mariner (Tochter von Freeman, Praktikerin, rebellisch), Brad Boimler (hoffnungsloser Theoretiker mit Karriereträumen), D’Vana Tendi (vom Orion, grüne Haut, emotional. dankbar für die große Chance) und Sam Rutherford (Ingenieursanwärter mit vulkanischem Cyborg-Implantat, der Logik verhaftet) sind Helden der Serie „Lower Decks“, die sich einer alten, gleichnamigen „Star Trek“-Folge (deutscher Titel: „Beförderung“) verdankt.
Publikumshelden wie Worf und Ryker waren plötzlich doofe Chefs
In der letzten Saison von „Star Trek: The Next Generation“ (TNG) wurde erstmals der Blickwinkel junger Offiziersanwärter eingenommen, die zuvor nur als namenlose Passanten auf den Schiffsfluren zu sehen waren. Die gleichzeitige Sicht auf die Helden von sieben Staffeln als nicht immer nette Vorgesetzte brachte einen letzten frischen Wind in die müde gewordene langlebigste der bislang neun „Star Trek“-Serien. Und inspirierte „TNG“-Fan McMahan zu der zweiten „Star Trek“-Animationsserie (nach „The Animation Series“ von 1973).
Die setzt zwar zuvörderst auf Comedy, ist aber alles andere als ein Kleinkinderprogramm. Der klingonische General Kor’in besäuft sich mit seiner Blutsschwester Beckett an Bord der Raumfähre „Yosemite“ und will ihr alles über seine letzten „sexuellen Eskapaden“ berichten. Eine Bikinischönheit flüstert Boimler auf einem Planeten ins Ohr, ob er mit ihr das verwegene erotische Ritual des Jamahoran wagen möchte. Das Trickfilmpublikum des KiKa dürfte von derlei ebenso überfordert sein wie von dem tiefen Schenkelschnitt, den Beckett Boimler beim Herumfuchteln mit der Klinge eines klingonischen Bat’leth gleich in der ersten Szene der Serie zufügt.
„Star Trek: Lower Decks“ gehört zum Kanon
Es hat bedingt Witz, wenn die heißspornige Pragmatikerin Beckett Mariner den Lehrbuchkadetten Boimler aus 1001 Fettnäpfchen holt, wenn er beispielsweise wieder mal in falsch verstandenem Heldentum eine Alienprügelei in einer Andorianerkneipe lostritt. Aber über Strafzettel für falsch vor einer Föderationsbotschaft geparkte Fähren geht die Respektlosigkeit gegenüber den Vorgängerserien nicht hinaus. Denn – so hat es „Star Trek“-Superadvisor Alex Kurtzman von Anfang an klargestellt – „Lower Decks“ gehört zum Kanon, ist keine Parodie.
Was schade ist, denn so sind die vier Freunde zwischen ihren Frotzeleien in der Frozen-Margherita-Pause immer dort, wo die Phaser feuern und die Eingeborenenspeere fliegen und Mariner managt Krisen außerhalb des Protokolls als wäre der Geist von Captain Kirk in sie gefahren. Zu klassisch, um überragend komisch zu sein.
Es fließt reichlich Blut hier, Monsterspinnen lutschen an Raumfahrern, die sich auch mal in Zombies verwandeln. Allzu langweilig geht es also für den Nachwuchs von den unteren Decks nicht zu. Sie sterben nur nicht gleich beim ersten Außeneinsatz – wie es zuzeiten von Kirk das verlässliche Schicksal des „unbekannten Crewmitglieds“ war (worauf Sam Rockwell im Space-Jux „Galaxy Quest“ hinwies). Das bleibt diesmal „noch unbekannteren Crewmitgliedern“ vorbehalten.
Großartig sind die kleinen Momente
Viel großartiger sind indes die kleinen Momente – wenn man erstmals einen Blick durch ein Raumschiffheckfenster werfen darf, in dem die Sterne und Planeten rasch entschwinden oder Boimler seine Strahlenwaffe benutzt, um bunte Aliengraffiti von der Schiffswand zu radieren. Vielleicht hätte man tiefer stapeln müssen: eine Serie über Hausmeister, Putzkolonne und Cateringteam der Cerritos – das wär’s gewesen.
Zumal viel zu oft versucht wird, sich vor den hinreichend bekannten Teilen des Universums von „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry zu verbeugen statt mutig einen eigenen Weg einzuschlagen und Dinge zu zeigen, die nie ein Trekkie zuvor gesehen hat. Das ist bekanntermaßen ein Problemchen, mit dem auch die anderen beiden jüngeren „Star Trek“-Serien „Discovery“ und „Picard“ zu kämpfen haben. Durch Verweise schafft man zwar ein kurz anhaltendes gutes Gefühl beim Zuschauer, eins, das der Nostalgie nahekommt, verankert sich aber nicht selbst in dessen wichtiger Gehirnregion „Kult“.
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Wenn Boimler eine alte „Star Trek“-Erkennungsmelodie pfeift oder die aufgebrachte Mariner sich von ihrer aufgebrachten Mama mit dem gefauchten Vulkanier-Gruß „Live long and prosper“ verabschiedet, wäre dies genug an Reverenzen gewesen. Fragen aber wie „Hast du von Deanna Troi gehört?“ oder „Hast du von Spock gehört?“ wirken wie die aufdringlichen Verlinkungen, die sie sind. Herrje! Wem – außer vielleicht Luke Skywalker, dessen Galaxis vermutlich ein bisschen zu weit entfernt ist – könnte wohl der Name Spock entgangen sein?
„Star Trek: Lower Decks“, bei Amazon Prime Video, zehn Episoden, von Mike McMahan, Animationsserie, (streambar ab 22. Januar)