Ulrich Noethen: „Die Verweigerung, Fakten zu akzeptieren, ist zur Normalität geworden“

Der Schauspieler Ulrich Noethen.

Der Schauspieler Ulrich Noethen.

In der Comedyserie „Die Wespe“ (ab 3. Dezember bei Sky One) spielt Ulrich Noethen den ehemaligen Dartprofi Nobbe „Norbinator“ Zosch. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) spricht er über Darts als Sport, über die Spaltung der Gesellschaft und über den Mut, Bauch zu tragen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Herr Noethen, der falsche Schmuck kann selbst am richtigen Mann bescheiden aussehen, wie der ehemalige Dartsprofi Nobbe „Norbinator“ Zosch eindrucksvoll beweist.

Schönheit liegt im Auge des Betrachters (lacht). Wenn sich jemand mit solchem Geschmeide schmückt, mit schweren Goldketten und dicken Ringen an fast jedem Finger, dann hat er sicher Freude daran. Ich gestehe, mir hat das Ganze riesigen Spaß gemacht. Meine Familie zieht mich bis heute mit meinen Fotos im Nobbe-Kostüm auf.

Ist eine fiktive Figur wie Nobbe einfacher und freier zu erfinden als etwa Personen der Zeitgeschichte?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Erfunden haben die Figur aber eigentlich die Kostümbildnerin Sabine Böbbis und die Regisseurin Hermine Huntgeburth. Die haben beim Kostüm und bei den Accessoires ihre Fantasie spielen lassen. Die Kostümproben waren sensationell, wir haben viel gelacht. Dann sehe ich mich da im Spiegel und denke: Okay, das erklärt sich selbst, musst du nur noch spielen.

Ihr Bäuchlein tragen Sie ganz selbstverständlich zur Schau.

Daran kann man ablesen, dass die Pandemie auch bei Nichterkrankten nicht nur die Seele, sondern auch den Körper belastet. Ich hatte die ganzen Lockdowns leider nicht für Work-outs genutzt. Zum Glück war ich im zurückliegenden Sommer, also nach den Dreharbeiten, wieder deutlich aktiver, sodass ich jetzt in dieser Hinsicht wieder unbelasteter bin.

Diesen Mut, sich so vor der Kamera zu zeigen, kennt man zum Beispiel von Robert De Niro in „Wie ein wilder Stier“. In Deutschland sieht man das eher selten.

Da muss ich energisch widersprechen. Nehmen Sie zum Beispiel Florian Lukas in seiner Rolle als Eddie Frotzke. Der hat sich vorsätzlich Gewicht draufgeschafft, aber richtig! Ich glaube, mit der richtigen Motivation sind viele Schauspieler ihrer Rolle zuliebe zu vielem bereit.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Zum Glück verzeiht Darts ein paar Pfunde zu viel. Anfang des Jahres haben zum Beispiel zwei Millionen TV-Zuschauer das WM-Finale gesehen. Verstehen Sie die Begeisterung für diesen Sport?

Ich habe mir sagen lassen, dass Übergewicht beim Darts sogar hilfreich sein kann. Die Begeisterung für diesen Sport war mir zunächst fremd. Wenn man in Sachen Sport mit Fußball sozialisiert wurde, dann sind einem zwei Leute, die abwechselnd Pfeile auf eine Scheibe schmeißen und von 501 runterrechnen, erst mal suspekt.

Die Begeisterung für diesen Sport war mir zunächst fremd.

Die Titelfigur Eddi „Die Wespe“ Frotze hält dennoch ein Leben ohne Darts für sinnlos. Gibt es etwas, ohne das Ihr Leben sinnlos wäre?

Musik. Auf jeden Fall Musik. Bei der Stilrichtung bin ich gar nicht so festgelegt, ich höre vieles gern. Essenziell aber ist für mich klassische Kammermusik. Das hängt ganz viel mit meinen Eltern zusammen.

Kürzlich waren Sie in „Furia“, einem Thriller über Rechtsterrorismus, zu sehen. Die Themen Faschismus und rechter Terror ziehen sich wie ein roter Faden durch Ihre Arbeit. Brennt Ihnen das unter den Nägeln?

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Ich habe großen Respekt vor jeder Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte, mit Hass und Menschenverachtung. Und ich fühle eine Verpflichtung, der Gesellschaft, die einem so viel an künstlerischem Arbeiten ermöglicht, auch etwas zurückzugeben, sich also Angriffen auf unsere Freiheiten entgegenzustellen.

Sie haben bereits im Jahr 2019 die Sorge geäußert, dass Deutschland wieder nach rechts rutschen könnte. Wie sehen Sie Deutschland zwei Jahre später?

Die Sorge scheint nach der letzten Bundestagswahl lächerlich zu sein. Aber natürlich gibt es nach wie vor Bestrebungen der extremen Rechten, den Rechtsstaat zu schwächen und abzuschaffen. Aber wir sind lange nicht so zerrissen wie zum Beispiel die USA. Was dort vor sich geht, ist grauenhaft. Bei uns aber gibt es noch die Bereitschaft zum Kompromiss. Wir reden noch miteinander.

Da muss ich widersprechen. Eine Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat gerade gezeigt, dass die Polarisierung in Deutschland zugenommen hat.

Wenn das zutrifft, ist das natürlich eine schlechte Entwicklung. Für mich liegt einer der Gründe in den negativen Begleiterscheinungen der Digitalisierung, in der Entfesselung von Dummheit und Hass durch die sozialen Medien. Was früher ein No-Go war, scheint inzwischen Normalität geworden zu sein, nämlich die Verweigerung, Fakten zu akzeptieren, die Verweigerung, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, die Verweigerung, andere Menschen mit Respekt zu behandeln. Ja, man könnte sagen, das wäre die negative Seite einer digitalisierten Demokratie, dass scheinbar jeder dem anderen ungestraft ins Gesicht spucken darf.

Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken