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ARD sucht Nachfolgerin

„Gespräche laufen“: Wird Caren Miosga die neue Anne Will?

„Wir sind noch nicht tot!“: "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga gilt als heißeste Anwärterin auf die Nachfolge von Anne Will in der Talksendung am Sonntagabend.

„Wir sind noch nicht tot!“: "Tagesthemen"-Moderatorin Caren Miosga gilt als heißeste Anwärterin auf die Nachfolge von Anne Will in der Talksendung am Sonntagabend.

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„Wir sind noch nicht tot!“, ruft Caren Miosga im ehrwürdig-plüschigen Rolf-Liebermann-Studio des NDR in Hamburg. 400 Gäste sind gekommen, darunter Tom Buhrow, Linda Zervakis, Ulrich Wickert, Anne Will, Kai Pflaume, Ingo Zamperoni, dazu fast alle ARD-Intendanten und drei Ministerpräsidenten. Es ist ein öffentlich-rechtliches Familientreffen, kurz vor Ausbruch der Coronapandemie. Man verabschiedet den scheidenden NDR-Intendanten Lutz Marmor. Und Miosga müht sich als Moderatorin dieses Abends nach Kräften, Zuversicht in der hadernden, unter Beschuss stehenden ARD auszustrahlen. Ihr Optimismus ist Balsam auf die Seelen.

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Die am längsten amtierende Moderatorin der „Tagesthemen“

Miosga war damals schon sakrosankt bei der ARD - unantastbar, ausgestattet mit maximalen Freiheiten. Im vergangenen September dann löste sie Ulrich Wickert als am längsten amtierende Moderatorin der „Tagesthemen“ ab - nach 15 Jahren und zwei Monaten im Amt. „Sie ist zupackend, aber niemals unfair. Hart in der Sache, aber dennoch charmant“, lobte Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von „ARD-Aktuell“ in Hamburg-Lokstedt, wo „Tagesschau“ und „Tagesthemen“ entstehen. Miosgas Stil sei „unverwechselbar: kompetent, verständlich und klar“, priesen sie auch ARD-Programmdirektorin Christine Strobl und ARD-Chefredakteur Oliver Köhr. Ihr Vertrag wurde gerade um drei Jahre bis 2025 verlängert. „Wir freuen uns auf viele weitere Jahre mit ihr.“

„Sie ist zupackend, aber niemals unfair": Im September 2022 löste Caren Miosga Ulrich Wickert als am längsten amtierende "Tagesthemen"-Moderatorin ab.

„Sie ist zupackend, aber niemals unfair": Im September 2022 löste Caren Miosga Ulrich Wickert als am längsten amtierende "Tagesthemen"-Moderatorin ab.

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Doch daraus wird wohl nichts. Miosga (54), so heißt es, steht vor einem Wechsel: Sie ist die heißeste Anwärterin auf die Nachfolge von Anne Will (57) in der ARD-Talksendung am Sonntagabend nach dem „Tatort“. Will hat nach rund 16 Jahren als Talkmasterin ihren Abschied zum Jahresende angekündigt. Der federführende NDR teilte mit: „Die ARD entwickelt aktuell gemeinsam ein abgestimmtes Talkkonzept. Der Norddeutsche Rundfunk führt mit Caren Miosga Gespräche über die Nachfolge von Anne Will für eine politische Gesprächssendung am Sonntagabend im Ersten.“ Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung über die Personalie berichtet.

Im Diplomatendeutsch der öffentlich-rechtlichen Anstalten kommt das einer Bestätigung gleich. Zwar nannte der Sender keine Einzelheiten, weil die Verhandlungen noch liefen („Sobald es verbindliche Vereinbarungen gibt, wird der NDR darüber informieren“). Doch alles spricht dafür, dass Caren Miosga im Januar 2024 ein weiteres Mal Anne Will beerben wird: Schon 2007 war sie ihr bei den „Tagesthemen“ gefolgt, als Anne Will den Sonntagstalk von Sabine Christiansen übernahm. Miosga moderierte zuvor zunächst das „KulturJournal“ und das Medienmagazin „Zapp“ im NDR-Fernsehen, dann das ARD-Kulturmagazin „Titel, Thesen, Temperamente“.

Hört nach 16 Jahren auf: ARD-Moderatorin Anne Will, Gastgeberin des gleichnamigen Talks am Sonntagabend.

Hört nach 16 Jahren auf: ARD-Moderatorin Anne Will, Gastgeberin des gleichnamigen Talks am Sonntagabend.

Nun also erwartet sie wohl die ganz große Talkbühne. Befreit vom noch immer recht steifen Korsett der „Tagesthemen“ könnte Miosga als Gastgeberin der Talkrunde wieder stärker ihren Charme ausspielen. Unvergessen, wie sie 2014 im Gedenken an Robin Williams („O Captain! Mein Captain!“) auf dem Studiotisch stand. Es war der Moment, als die „Tagesthemen“ Anschluss an die Gegenwart fanden. Ein kalkulierter Formatbruch als wirkungsvolle Geste des Respekts. Aber die sympathische Guerillaaktion ist auch schon wieder ein knappes Jahrzehnt her.

Als souveräne Interviewerin über jeden Zweifel erhaben

Vielleicht ist die Zeit reif für einen Wechsel. Gut 16 Jahre wird Miosga dann gleichberechtigte Erste Moderatorin neben Ingo Zamperoni gewesen sein, dem Ersten Moderator. Sie schreiben das tatsächlich mit großem „E“ beim Ersten Deutschen Fernsehen, wie in „Erster Bürgermeister von Hamburg“, sie können nicht anders.

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Als souveräne Interviewerin ist Miosga über jeden Zweifel erhaben („Ich hatte das Glück oder Pech, dreimal Michel Houellebecq zu interviewen, das reicht fürs Leben“). Auch sie hat maßgeblich dafür gesorgt, dass die „Tagesthemen“ sich behutsam locker zu machen begannen. Politisches Fernsehen war ja bis tief in die Neunzigerjahre noch ein Hochamt rauchender Hornbrillenträger und soignierter Welterklärer. Mit diesem angestaubten Konjunkturbarometerdeutsch. Mit diesen Kommentatoren, die teils wirkten, als trügen sie nach Monaten im Redaktionsverlies mal wieder eine Hose. Mit diesen ewig gleichen Bildern: dunkle Limousinen, Politiker vor Stellwänden, Mikrofontrauben.

„Gunaahmt meine Damentern“

Man vergisst das ja schnell, aber selbst noch unter Wickert waren ARD-Nachrichten noch verzopft-altväterische Routineakte. Miosga - und die neue Redaktionsleitung unter Marcus Bornheim und Helge Fuhst - haben das aufgebrochen. Wickert, dieser „homme de lettres“, Kulturmensch und Autor artiger Bücher zur Stärkung der Volksseele, Mitglied der französischen Käsegilde „Confrérie de Saint-Uguzon“, hat dann am Ende schon auch genervt mit seiner nuscheligen Nachlässigkeit („Gunaahmt meine Damentern“). Wo Wickert öffentlich erscheine, schrieb einst Hans Leyendecker, entstehe „Stockung im Ablauf sicherster Kausalitäten“. Er hinterließ bei Weitem nicht die gleiche Leere wie sein Vorgänger Hanns Joachim Friedrichs, obwohl der nur sechs Jahre am Pult der Zeit saß, von 1985 bis 1990.

"Die Welt so zeigen, wie sie ist“: Caren Miosga im Studio der "Tagesthemen" in Hamburg-Lokstedt.

"Die Welt so zeigen, wie sie ist“: Caren Miosga im Studio der "Tagesthemen" in Hamburg-Lokstedt.

Möglich, dass Miosga auch allmählich genug hat vom heftigen Gegenwind, dem sie als exponierte TV-Prominente im Nachrichtengeschäft permanent ausgesetzt ist. Beschimpfungen, Morddrohungen, Hass - sie kennt das alles. „Ich gestehe aber, dass ich das nicht mehr alles lese, weil ich dann schlecht schlafen würde“, sagte sie im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Und ich habe keine Lust, schlecht zu schlafen.“

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„Journalismus soll die Welt so zeigen, wie sie ist“

„Journalismus“, das ist ihr Credo, solle „die Welt so zeigen, wie sie ist“. Aber es gebe ja „Gott sei Dank an vielen Orten nicht nur Konflikte, sondern auch Menschen, die sich überlegen, wie man diese Konflikte lösen könnte“, sagt sie. „Lösungsjournalismus um seiner selbst willen wäre zu wenig und zu gewollt. Aber darauf zu achten, nicht immer nur das Problem, sondern auch einen Ausweg zu zeigen, steht auch uns gut an und hilft allen, nicht immer nur ratlos zurückzubleiben hinter einem Haufen negativer Nachrichten.“

Die Neue und der künftige Kollege? rbb-Moderatorin Jessy Wellmer - hier mit "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni bei einer ARD-Veranstaltung in Hamburg 2019 - gilt als mögliche Nachfolgerin für Caren Miosga bei den "Tagesthemen".

Die Neue und der künftige Kollege? rbb-Moderatorin Jessy Wellmer - hier mit "Tagesthemen"-Moderator Ingo Zamperoni bei einer ARD-Veranstaltung in Hamburg 2019 - gilt als mögliche Nachfolgerin für Caren Miosga bei den "Tagesthemen".

Wenn Miosga die „Tagesthemen“ verlässt - wer folgt ihr dort nach? Auch für diese Baustelle soll es laut „Bild“ bereits eine Lösung geben: RBB-Moderatorin Jessy Wellmer (43). TV-Zuschauer kennen die Journalistin vor allem aus der ARD-„Sportschau“, Olympiaübertragungen sowie mehreren „ARD Extra“-Sendungen in der Frühphase der Coronapandemie. Bei der Fußball-EM 2021 war Wellmer an der Seite von Bastian Schweinsteiger zu sehen, auch bei der WM 2022 war sie Studiomoderatorin. Der NDR wollte sich auf Anfrage nicht zu der Personalie Wellmer äußern.



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