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Parken auf dem Gehweg

Auch stehende Autos können gefährlich sein

In der Emdenstraße ragen parkende Fahrzeuge teils so weit auf den Gehweg, dass es für Fußgänger mit Kinderwagen oder Rollator zu eng wird.

Menschen mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen haben oft Probleme, auf zugeparkten Gehwegen noch durchzukommen.

Wer zu Fuß geht, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Dabei ist es die erste und natürlichste Form der Mobilität, findet Ute Hammer. Jeder vierte innerörtliche Weg werde ohne zusätzliche Fortbewegungsmittel absolviert. Aber: „Wer zu Fuß unterwegs ist, lebt gefährlich“, schreibt die ehemalige Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) in der Broschüre „Sichere Gehwege planen“. Und das hat Folgen, denn „jeder Weg“, heißt es weiter, „beginnt und endet zu Fuß.“

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375. Das ist die Anzahl der Fußgängerinnen und Fußgänger, die im Straßenverkehr getötet wurden. Allein im Jahr 2022. Ein Plus von 11 Prozent, heißt es beim Statistischen Bundesamt, im Vergleich zum von Corona-Einschränkungen geprägten Vorjahr. Es sind Zahlen, die vor allem in Relation gesetzt ihre Brisanz zeigen: Unter Autofahrenden stieg die Zahl der Toten geringer, „nur“ um 9 Prozent. Es waren vor allem Menschen in Unfälle verwickelt, die zu den schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gehören: etwa Kinder, Radfahrende (vor allem auf dem Pedelec) sowie Fußgängerinnen und Fußgänger.

Anwohnerinnen und Anwohner klagen in Bremen gegen illegales Parken

Ein Grund: Fußgängerinnen und Fußgänger haben mit engen und zugeparkten Gehwegen zu tun. Sie haben durch Hindernisse auf dem Gehweg – etwa Auslagen von Supermärkten, Briefkästen und Parkuhren –, aber eben auch wegen geparkter Autos schlechte Sicht. Vor allem Kinder, die zwischen den stehenden Autos unterwegs sind, und mobilitätseingeschränkte Personen, die auf die Straße ausweichen müssen, weil der Platz auf dem Bordstein nicht ausreicht, sind gefährdet. „Für einen sicheren Fußverkehr sind zusammenhängende und barrierefreie Fußverkehrsnetze mit direkten und umwegfreien Verbindungen und sicheren Querungsstellen unerlässlich“, heißt es in einer Mitteilung des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR).

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Die Städte sind in der Pflicht – das urteilten nun mehrere Gerichte im Land, etwa in Hannover und Bremen. Sie müssen dafür sorgen, dass der Schutz der Fußgängerinnen und Fußgänger gewährleistet ist – und sollen gegen falsch geparkte Fahrzeuge vorgehen. In Bremen hatten fünf Anwohnerinnen und Anwohner aus dem Stadtteil Findorff geklagt – ein Stadtteil, der zwar direkt an den Hauptbahnhof grenzt, aber nicht ans Straßenbahnnetz angeschlossen ist, und in dem viele Familien wohnen.

Enge Straßen, wenig Platz: Sicherheit versus Parkplätze

Der Parkdruck ist hier besonders hoch. Oft wohnen mehrere Parteien, die alle Autos haben, in einem Haus, vor dem aber nur ein Wagen parken kann. Hinzu kommen die Zeiten, in denen Messehallen genutzt werden und auch Auswärtige mit dem Auto ins Viertel kommen. Die Folge: Autofahrerinnen und Autofahrer nutzen die Gehwege als Teil eines Parkplatzes, auch wenn das aufgesetzte Parken dort gar nicht erlaubt ist. Dabei ist es ohnehin eng in Findorff und anderen innenstadtnahen Vierteln. Die Straßen, an denen die Klägerinnen und Kläger wohnen, haben eine Einbahnregelung und sind nur 5 bis 5,50 Meter breit. Die Gehwege sind auf beiden Seiten maximal 2 Meter breit, obwohl Expertinnen und Experten längst 2,50 Meter fordern. Das Gericht hielt fest: „In den Straßen wird seit Jahren auf beiden Straßenseiten nahezu durchgehend aufgesetzt auf den Gehwegen geparkt.“ Das wiederum verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung.

Landesweit wird weitestgehend toleriert, dass Autos teils auf dem Gehweg parken, teils auf der Straße. Nach geltendem Recht ist das in den allermeisten Fällen illegal: Nur dort, wo Schilder darauf hinweisen, dass auf Gehwege auch zum Parken genutzt werden dürfen, ist es erlaubt. Knöllchen gab es jedoch in den meisten Städten nicht – stattdessen ließ man Autofahrerinnen und Autofahrer aufgrund der schlechten Parkplatzsituation vielerorts gewähren.

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Ungeachtet der Kritik: Bremen überlegt illegales Parken zu legalisieren

Doch auch wenn das Gericht anerkennt, dass die Gehwege nicht zugeparkt werden dürfen und Lösungen verlangt – die Forderung der Klägerinnen und Kläger, dass die Staat nun kontrolliert und Strafen verhängt, wurde zunächst abgewiesen. Immerhin handele es sich um eine seit Jahrzehnten geduldete Praxis. Stattdessen kann die Stadt nun selbst festlegen, welche Straßen den größten Bedarf haben und nach und nach Lösungen suchen.

Eine Möglichkeit ist, Schilder aufzustellen, die das aufgesetzte Parken erlauben, die unerlaubte, aber tolerierte Praxis also mit einem Schild legalisieren. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer sagte dem „Spiegel“ bereits, dass er sich für eine Legalisierung des Gehwegparkens an einigen Straßen einsetzen möchte: „Einfach nur geparkte Autos abzuzetteln, bringt uns nicht weiter: Die Fahrzeuge lösen sich ja nicht einfach in Luft auf.“

ADAC Bremen: „Jetzt streng zu kontrollieren, ist fernab der Realität“

Ähnliches wünscht sich auch der Allgemeine Deutsche Automobil Club (ADAC) Bremen, wie Pressesprecher Nils Linge dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) sagt: „Man kann nicht sagen: Wir kümmern uns nicht darum, was mit Autos passiert“, sagt er. Die Diskussion sei richtig, weil das aufgesetzte Parken in Findorff eben nicht erlaubt sei. Er setzt sich dafür ein, auf die jeweilige Situation abgestimmte Lösungen zu finden, also von Viertel zu Viertel unterschiedliche. Wenn es keine andere Möglichkeiten gebe, müsse das aufgesetzte Parken an bestimmten Stellen legalisiert werden. „Jetzt streng zu kontrollieren, ist fernab der Realität“, sagt er, „Man muss die Autos irgendwo hinstellen, nicht jeder Bremer und jede Bremerin wird das Auto verkaufen.“

Auch der Dachverband ADAC teilte dem RND auf Nachfrage mit, dass sich der Parkdruck zwar erhöhe, man allerdings verschärfte Sanktionen gegen Falschparken auf Gehwegen unterstütze. „Damit diese wirksam werden, ist jedoch eine deutliche Erhöhung der Kontrolldichte erforderlich“, teilte ein Sprecher mit. Wichtig sei, zunächst die Straßen in den Fokus zu nehmen, an denen Fußgängerinnen und Fußgänger „regelmäßig behindert oder Gehwege über längere Zeit zugeparkt werden.“

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Verkehrssicherheitsrat: „Es geht um Menschenleben und viele Tausend Schwerverletzte“

Ursprung des Problems sind fehlende Parkplätze in Städten und Gemeinden. So gibt es auf der einen Seite Anwohnerinnen und Anwohner, die ihr Auto täglich benötigen, keine Stellplätze finden und nun vermehrt mit Strafzetteln rechnen müssen – und darüber wütend sind. Auf der anderen Seite hingegen stehen Anwohnerinnen und Anwohner, die um ihre Sicherheit und Unversehrtheit fürchten. „Das ist zwiespältig in Bremen“, sagt etwa Linge. Die Klagen über fehlende Parkplätze kenne er, sagte hingegen Stefan Grieger, Geschäftsführer des DVR, der „Süddeutschen Zeitung“. Doch: „Verkehrssicherheit geht vor. Es geht schließlich um Menschenleben und um viele Tausend Schwerverletzte.“ Auch er sieht Probleme vor allem bei schwachen Verkehrsteilnehmenden: „Die Anzahl der als Fußgänger oder Fußgängerinnen getöteten älteren Menschen wie auch die der Kinder hat sich seit 2011 kaum mehr verringert.“

Der Fachverband Fußverkehr Deutschland hat ähnliche Forderungen wie der DVR, etwa, dass rund um Kreuzungsbereiche und andere schwer einzusehende, aber vielgenutzte Gebiete das Parkverbot von fünf auf zehn Meter ausgeweitet wird. In seinen Richtlinien fordern der Fußverkehr-Verband die „konsequente Freihaltung der Gehwege von illegal parkenden Fahrzeugen (Autos, Motorräder und Fahrräder)“ sowie die „Einschränkung des legalen Parkens auf Gehwegen, wenn die nach den Regelwerken notwendigen Gehwegbreiten nicht ausreichen, zum Beispiel durch Überstände beim Querparken“.

Innovative Lösungen für Parkplatzproblematik gesucht

Von der konsequenten Verfolgung von Falschparkerinnen und Falschparkern hält auch der Dachverband ADAC erst einmal nichts. „Die stärkere Ahndung von Parkverstößen in einem Quartier oder einer Stadt sollte nicht von heute auf morgen erfolgen, sondern stets eingebettet sein in ein vorab erstelltes und umgesetztes Parkraumkonzept“, teilt ein Sprecher dem RND mit. „Dabei muss sichergestellt werden, dass alternative Park- und Mobilitätsangebote für die betroffenen Anwohner entwickelt werden.“ Parkhäuser und Quartiersgaragen etwa, die es in Bremens kleinen Stadtteilen kaum gibt, oder das Nutzen von Supermarktparkplätzen in der Nacht könnten Parkdruck nehmen.

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In Bremen gibt es Überlegungen, etwa Supermarktparkplätze oder die Parkplätze von Einrichtungen wie Schwimmbädern freizugeben. Bisher ohne großen Erfolg. Bleibt nur eines übrig. Zu Findorff gehört auch die Bürgerweide mit den Messehallen. Zehn Monate im Jahr können Bürgerinnen und Bürger dort für 24,50 Euro im Monat parken - was für manche aber zu teuer ist, immerhin ist das aufgesetzte Parken kostenfrei. Für manch eine und einen ist der Weg zum geparkten Wagen zudem zu weit – und mit Hindernissen auf Gehwegen verbunden, die den Fußweg gefährlich machen.

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