Klapprad-Klassiker im Test: Bequemes Pendeln mit dem Brompton?
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Zusammengelegt hat das Brompton kompakte Abmessungen: Das Faltmaß (H x B x T) beträgt: 58,5 cm x 56,5 cm x 27 cm.
© Quelle: Stefan Weißenborn/dpa-tmn
Berlin. Die Regionalbahn fährt in fünf Minuten. Am Bahnsteig angekommen, gilt es, das Faltrad schnell in sich zusammenzulegen. Im fahrbereiten Zustand dürfte es zwar wie ein normales Rad ebenfalls mit ins Fahrradabteil, doch dann gälte es nicht als Gepäckstück.
Als solches aber bewerten die meisten Verkehrsverbünde wie auch die Deutsche Bahn Falträder: Sind sie eingeklappt, muss kein Fahrradticket gelöst werden. Auch für Inhaber eines 49-Euro-Tickets, die aus dem Umland regelmäßig in die Stadt pendeln, dürfte das Sparpotenzial interessant sein.
Brompton für Job und Freizeit gedacht
Fahrräder mit Klappfunktion gibt es schon lange. 1878 präsentierte der Londoner Ingenieur W. H. J. Grout ein zerlegbares Hochrad. „Es ist eines der ersten Falträder in der Geschichte des Fahrrads“, sagt Faltradexperte Gunnar Fehlau.
Vergleichsweise neu am Markt sind Modelle von Vello, Bernds oder Tern. Zu den modernen Klassikern zählen das Birdy von Riese & Müller, das Moulton aus England, Modelle von Bike Friday aus Oregon und das Brompton aus London, das wir in der Version C Line Explore (6 Speed) zu Testzwecken ausprobieren.
Doch eigentlich sei das Bike für Job und Freizeit gedacht: für junge Berufspendler, die mit Bahn zwischen zwei Orten zum Job pendeln, bis zu Ruheständlern, die es im Urlaub als Ergänzung zum Caravan, dem Wohnwagen oder einem Boot nutzen, sagt Jan Brinkmann als Marketingmitarbeiter bei Brompton. Zusammengelegt findet es im Kofferraum von Autos ebenso Platz wie an Bord von Fliegern oder Fähren.
In stressigen Situationen am Bahnsteig freut man sich über jeden Hauch hinzugewonnener Routine. Der patentierte Mechanismus wirkt ausgreift und durchdacht, was man nach Jahrzehnten der Verfeinerungen auch erwarten darf. Sicher wirkt der Rahmenverschluss aus Knebelschraube und Alu-Klemmstücken, der an Lenkstange und Hauptrohr zum Einsatz kommt und sich mit Handkraft sehr fest anziehen lässt.
Das Fahren fühlt sich erwachsen an
Interessant ist die Fertigungstiefe des Brompton: Kaum ein Teil am Rad stammt von Drittherstellern. Ausnahmen sind etwa der Sattel oder die Getriebenabe. Kette, Bremsgriffe oder Bremssättel lässt Brompton speziell herstellen. Der Vorteil: Damit sind die rund 1200 Teile, aus denen das Bike besteht, gut aufeinander abgestimmt, was laut dem britischen Hersteller „hohe Qualitätsstandards“ ermöglicht.
Nachteil: Ersatzteile, die bei anderen Fahrrädern oft von den Zulieferer-Riesen stammen und beim Fachhändler vorrätig sind, müssen oft erst bestellt werden. Die Montage ist gegenüber Stangenware ungewohnt. Deshalb werden Fachhändler speziell geschult.
Kein Wunder also, dass sich das Fahren erwachsen anfühlt. Von der Konstruktion mit den langen Sattel- und Lenkrohren und den kleinen 16-Zoll-Rädern könnte man eine gewisse Instabilität erwarten. Doch nahezu ruhig gleitet das Brompton dahin, naturgemäß auch bei höheren Geschwindigkeiten, die man mit Pedalkraft dank der breit übersetzten Kombination aus 3-Gang-Nabe von Sturmey-Archer und 2-fach-Kettenschaltung spielend erreicht.
Zwölf Kilo schweres Faltrad lässt sich bequem über Treppen am Bahnsteig schleppen
Als nervös, aber auch präzise auf Befehle hörend kann man das Lenkverhalten des Vorderrades empfinden. Andere würden sagen: genau das rechte Maß an Wendigkeit, die der Stadtverkehr mitunter fordert. Weil die Reifen am Testrad schmal sind, muss man a) bei Straßenbahnschienen höllisch aufpassen und b) mit recht hohem Luftdruck fahren. Das schmälert den Abrollkomfort.
Alle Vor- und Nachteile des Brompton mag man vor dem Hintergrund des oft bemühten Szenarios bewerten: seinem Einsatz in Kombination mit dem ÖPNV. Wie eine – zugegeben etwas schwere – Handtasche von gut zwölf Kilo lässt sich der Falter einigermaßen bequem über Treppen am Bahnsteig oder in den Zug schleppen.
Für längere Strecken zwischen den Gleisen oder vom Bahn- zum Busbahnhof lässt sich das zusammengeklappte Rad am ausgefahrenen Sattelrohr aber auch ziehen oder schieben. Komplett zusammengelegt findet es etwa unter den Sitzen öffentlicher Verkehrsmittel Platz oder lässt sich zwischen Sitzbänken unterbringen.
Ladung wird mit Gummibändern fixiert, alternativ bietet Brompton eine Gepäckträgertasche mit Schultergurt. Wer noch Lowrider-Taschen im Keller hat, kann diese am Trägergestänge ebenfalls einhängen, es muss kein originales Brompton-Produkt sein. Guten Dienst im Alltag leisten die im Serienumfang nicht enthaltenen Schutzbleche sowie die batteriebetriebene Frontleuchte.
RND/dpa