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Hitzehotline und „Frischeräume“

Aus Sorge vor neuen Todesopfern: Wie Frankreich erfolgreich die Hitze bekämpft

Eine Frau kühlt sich vor dem Louvre-Museum den Kopf an einer Wasserflasche. Die Hitzewelle und anhaltende Dürre in den südeuropäischen Urlaubsländern führen zu immer mehr Bränden in ausgetrockneten Wäldern. In Frankreich werden in den kommenden Tagen Temperaturen von bis zu 40 Grad erwartet.

Eine Frau kühlt sich vor dem Louvre-Museum den Kopf an einer Wasserflasche. Die Hitzewelle und anhaltende Dürre in den südeuropäischen Urlaubsländern führen zu immer mehr Bränden in ausgetrockneten Wäldern. In Frankreich werden in den kommenden Tagen Temperaturen von bis zu 40 Grad erwartet.

Paris. Radrennfahrer Alexis Vuillermoz ist extreme körperliche Belastungen gewöhnt, aber am Sonntag vor einer Woche wurde es ihm zu heiß: Nach der neunten Etappe der Tour de France vom schweizerischen Aigle ins französische Châtel Les Portes du Soleil erlitt der 34-Jährige einen Hitzschlag und musste behandelt werden. Seitdem stieg das Thermometer vor allem im Süden Frankreichs noch weiter an, stellenweise auf 40 Grad Celsius.

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In der Gegend um Bordeaux zerstörten Brände bis Freitag mehr als 10.500 Hektar Wald. Mehr als 14.000 Menschen wurden evakuiert. Wenn wie derzeit eine Hitzewelle weite Teile des Landes erfasst, ist es vorbereitet: Seit 2004 legt ein nationaler Hitzeplan die zu treffenden Maßnahmen und die Zuständigkeiten genau fest. Mitarbeiter der Rathäuser erkundigen sich bei regelmäßigen Telefonanrufen bei besonders gefährdeten Bürgern nach deren Wohlergehen. Zu ihnen gehören allein lebende oder gesundheitlich geschwächte Senioren, Schwangere, Menschen mit einer Behinderung oder einer chronischen Krankheit, die in entsprechenden Datenbanken vermerkt sind.

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Hitzehotline und „Frischeräume“

In den Radio- und Fernsehsendern laufen Spots, die die Menschen daran erinnern, zum Wasserglas zu greifen. Es gibt eine Hitzehotline und gekühlte „Frischeräume“ in den Städten. Obdachlose werden mit Wasser versorgt oder zeitweise untergebracht. Um jeden Preis wollen die Behörden menschliche Dramen wie im August 2003 vermeiden. Vom sogenannten Jahrhundertsommer ist ein Trauma zurückgeblieben. Einer Erhebung des nationalen Instituts für Gesundheit und medizinische Forschung zufolge forderte die extreme Hitze damals innerhalb weniger Wochen 19.490 Todesopfer in Frankreich, 20.089 in Italien und 70.000 in ganz Europa.

Die Notaufnahmen der französischen Krankenhäuser waren überlastet, die Leichenhäuser überfüllt. Irgendwann mussten sogar Kältekammern des Großmarktes Rungis bei Paris angemietet werden, um die Toten unterzubringen. Derweil sorgten Fotos der damaligen Premier- und Gesundheitsminister in ihren Feriendomizilen für Kritik. Präsident Jacques Chirac, der seinen Kanada-Urlaub nicht abbrach, meldete sich erst nach zwei Wochen zu Wort, ohne eine Verantwortung der Behörden einzuräumen.

Gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister von Paris, Bertrand Delanoë, nahm er Anfang September an der Beerdigung von 57 Menschen teil, die allein in ihren Wohnungen gestorben und von niemandem vermisst worden waren. Erschütternd viele Menschen, so zeigte sich damals, lebten isoliert und blieben im Notfall ohne Hilfe.

Hitzeplan in vier Stufen

Seit 2004 gibt es daher einen Hitzeplan in vier Stufen. Zwischen 1. Juni und 31. August sind die Behörden demnach grundsätzlich in Alarmbereitschaft und fahren Informationskampagnen. Bei Warnstufe drei können die zuständigen Präfekten Maßnahmen wie das Verbot öffentlicher Versammlungen ergreifen. Im extremsten Fall wird eine ministerielle Krisenzelle der betroffenen Ministerien eingerichtet und freiwillige Verstärkung für das medizinische Personal angefordert. Krankenhäuser und Altenwohnheime können Mitarbeiter aus dem Urlaub zurückholen. Um Aktionen für geschwächte oder ältere Menschen zu finanzieren, gilt seit 2004 ein „Solidaritätstag“: Jeder Arbeitnehmer hat sieben Stunden pro Jahr mehr abzuleisten. Oft wird dafür der Pfingstmontag genutzt.

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Allerdings warnte Pascal Champvert, Präsident der Vereinigung von Direktoren von Altenwohnheimen, in der Zeitung „Parisien“ vor Engpässen. Viele Mitarbeiter seien nach den Corona-Jahren erschöpft, sagt er: „Manchmal musste Personal eingespart werden, um Gehaltserhöhungen zu kompensieren. Alle Vorschriften des Staates drohen wirkungslos zu bleiben, wenn es nicht genug Personen im Gesundheitsbereich gibt, um sie umzusetzen.“

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