Nach Krönung von Charles III.

Rassismuswelle in Australien: Indigener TV-Moderator gibt seinen Job auf

Der australische TV-Moderator Stan Grant kommt zur Premiere des Films „The Australian Dream“ in Toronto (Archivbild).

Der australische TV-Moderator Stan Grant kommt zur Premiere des Films „The Australian Dream“ in Toronto (Archivbild).

Sydney. Die Krönung von Charles III. wurde auch in Australien live im Fernsehen übertragen. Australien ist eine konstitutionelle Monarchie, der britische Monarch das offizielle Staatsoberhaupt. Doch seit dem Tod von Charles‘ Mutter Elizabeth II. wird auch in der einstigen Kolonie am anderen Ende der Welt der Ruf nach einer Republik immer lauter.

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Dass der staatliche Sender ABC vor der eigentlichen Krönung Anfang Mai deswegen diverse Gesprächspartner einlud, die für und auch gegen die Monarchie sprachen, ist eigentlich das, was man als ausgewogenen Journalismus bezeichnen würde. Doch zahlreiche Zuschauer störten sich an der durchaus kritischen Diskussion und einer der Gäste schien beim Publikum besonders anzuecken: der indigene Journalist Stan Grant. Grant ist eine der prominentesten indigenen Stimmen im Land und war bisher selbst auch für die ABC tätig. Er sprach in der Sendung über die Folgen des Kolonialismus, die Geschichte seiner eigenen Familie und das Leid, das die indigene Bevölkerung Australiens durch die britischen Invasoren erleiden musste.

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Daraufhin ergossen sich teils „groteske“ Beschimpfungen über den Journalisten und TV-Moderator, wie es vonseiten der ABC hieß. Etliche der Beleidigungen waren dabei rassistisch motiviert. Die Onlinekampagne gegen Grant ging nun so weit, dass dieser sich zum Rückzug bei dem Sender entschieden hat. „Seit Jahren bin ich ein mediales Ziel von Rassismus und habe einen hohen Preis dafür bezahlt“, schrieb Grant in einem Artikel bei der ABC, in dem er seine Entscheidung erklärte. „Im Moment möchte ich nichts damit zu tun haben – ich trete zurück.“

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„Sie haben mir vorgeworfen, Australien zu verunglimpfen“

Im Folgenden versuchte Grant seine Gefühle in Worte zu fassen. Er sprach dabei über ein altes Schulfoto: „Ich bin sieben Jahre alt, das dunkelste Gesicht in der Klasse im weißen Australien der 1970er-Jahre“, schrieb er. Er sehe verängstigt aus und lächle nicht. Im Gegensatz zu den anderen Jungs habe er keine Krawatte. Es sei eine Welt gewesen, zu der er nicht wirklich zu gehören schien.

„Ich weiß nicht, ob ich mich jemals von diesem Jungen verändert habe“, meinte er. In den letzten Wochen habe er sich wie in der Zeit zurückversetzt gefühlt. „Seit der Krönung des Königs habe ich gesehen, wie Leute in den Medien lügen und meine Worte verdrehen“, schrieb er. Sie hätten versucht, ihn als hasserfüllt darzustellen. „Sie haben mir vorgeworfen, Australien zu verunglimpfen.“ Dabei sei nichts weiter von der Wahrheit entfernt.

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Dass Grant so viel Hass in den sozialen Medien entgegengebracht wurde, hat vermutlich auch mit der Berichterstattung einiger konservativer Medien in Australien zu tun, die die Thematik um die Krönungsberichterstattung der ABC unnötig aufgebauscht haben. So ergaben Daten des Medienüberwachungsunternehmens Streem, die in der australischen Ausgabe des „Guardian“ zitiert wurden, dass das Thema in den zwei Wochen nach der Ausstrahlung in der Tageszeitung „The Australian“ sowie bei „Sky News“ mehr als 150 Mal erwähnt wurde.

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Polizei eingeschaltet

Grant ist dabei kein Einzelfall: Daten des E-Safety-Beauftragten in Australien zeigen, dass Aborigines und die indigenen Bewohner der Torres-Strait-Inseln mehr als doppelt so häufig (33 Prozent) Hassrede im Internet erleben wie der nationale Durchschnitt in Australien (14 Prozent). Die ABC hat wegen der Onlineangriffe auf den indigenen Journalisten nun eine offizielle Beschwerde bei Twitter eingereicht. Der Kurznachrichtendienst hat seit der Übernahme des Unternehmens durch Elon Musk jedoch keine offizielle Vertretung mehr in Australien.

Außerdem hat der Sender die verbalen Misshandlungen und Drohungen gegen Stan Grant der australischen Polizei gemeldet. Der Direktor von ABC News, Justin Stevens, stellte sich mit einem Statement hinter den indigenen Journalisten. „Die Verantwortung für die Berichterstattung liegt beim ABC News-Management, nicht bei Stan Grant“, hieß es darin. Dennoch habe er die Hauptlast der Tirade an Kritik abbekommen.

Er bezeichnete die Berichterstattung über Grants Beitrag zur Podiumsdiskussion als „unfair, ungenau und unverantwortlich“. „Es hat dazu beigetragen, schreckliche persönliche und rassistische Misshandlungen anzuheizen.“ Stevens beendete seinen Beitrag mit den Worten: „Yindyamalgirridyu mayinyguwal.“ In Wiradjuri, der Sprache des Volkes von Stan Grant, bedeutet das, andere Menschen zu respektieren.

Widerliche Hassrede

Auch andere Medienkollegen sowie Gäste der so harsch kritisierten Podiumsdiskussion haben inzwischen ihre Unterstützung für Grant zum Ausdruck gebracht. Die ABC-Kollegin Julia Baird schrieb auf Twitter, Stan Grant sei „ein brillanter, einzigartig aufschlussreicher und geschätzter Kollege“. „Seine Worte über unsere koloniale Vergangenheit während unserer Berichterstattung zur Krönung waren offen, kraftvoll und wahr.“ Letzteres habe auch keiner der Angriffe infrage gestellt. „Aber die Hassrede war widerlich.“ Auch der Co-Vorsitzende der Australian Republican Movement, Craig Foster, verurteilte die „beschämende, unerbittliche rassistische Verunglimpfung“ eines führenden indigenen Journalisten. Dies verstärke das Bedürfnis nach Veränderung.

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Selbst der Diskussionsteilnehmer Julian Leeser, ein liberaler Parlamentarier, der pro Monarchie ist und die ABC-Berichterstattung im Nachhinein als zu einseitig kritisierte, schlug sich auf die Seite von Stan Grant: „Es gibt eine Sache, die mich seit der Podiumsdiskussion zutiefst beunruhigt, und das sind die Kommentare im Internet über Stan Grant“, schrieb er auf Facebook. Auch er sei mit vielem von dem, was der Journalist gesagt habe, nicht einverstanden. „Aber Stan hat jedes Recht auf seine Überzeugungen.“ Er sei entsetzt „über den anhaltenden Onlinerassismus, mit dem Stan konfrontiert war und ist“.

Die Hassrede und der Rassismus, die Stan Grant erdulden muss, erinnern an Vorfälle aus dem Jahr 2015. Damals wurde Adam Goodes, ein indigener Football-Champion, der mit seiner Meinung ebenfalls nicht hinterm Berg hielt, über Wochen im Stadium ausgebuht. Einmal rief einer der gegnerischen Fans ihm sogar zu, „er solle zurück in den Zoo“ gehen. Goodes ließ sich daraufhin ebenfalls von seiner Mannschaft beurlauben.

Auch damals diskutierte Australien über Rassismus und einen Rassenkrieg, der ausgebrochen sei. Das Land schien sich in einer Identitätskrise verfahren zu haben. Erst eine positive Kampagne auf Twitter entspannte die Lage wieder: Diese starteten zwei renommierte Tageszeitungen für den Sportler, aber auch für das, wofür Australien ihrer Meinung nach stehen soll: „The Age“ in Melbourne und auch der „Sydney Morning Herald“ druckten Plakate mit großseitigen Aufrufen für den Sportler und starteten die Twitter-Kampagne #IStandWithAdam. „Ich stehe auf Adams Seite.“

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