„Gefahr für Leben der Klägerin“

Vorwürfe gegen Politiker: Warum Brittany Higgins die Vergewaltigungsklage nun doch fallen lässt

Brittany Higgins im Oktober vor dem Gericht in Canberra. Nun wurde die Klage fallengelassen.

Brittany Higgins im Oktober vor dem Gericht in Canberra. Nun wurde die Klage fallengelassen.

Es ist ein abruptes und unerwartetes Ende eines der spektakulärsten Prozesse Australiens: Eine junge Frau und ehemalige Mitarbeiterin der Liberalen Partei klagte einen Kollegen an, sie in den ehrwürdigen Hallen des Parlaments in Canberra vergewaltigt zu haben. Die Nachricht über die Anschuldigung gelangte im Februar 2021 erstmals an die australischen Medien und wurde rasch zu einem der größten Politdramen des Jahres.

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Das Gesicht des vermeintlichen Opfers Brittany Higgins war seitdem regelmäßig in allen Medien des Landes zu sehen. Ihre Geschichte trat gemeinsam mit einem zweiten historischen Missbrauchsvorwurf, der damals ans Tageslicht kam, eine Welle der Entrüstung in Australien los.

Proteste gegen Gewalt gegenüber Frauen

Im März 2021 gingen mehrere Zehntausend Menschen, vor allem Frauen, in sämtlichen großen Städten Australiens auf die Straße. Sie protestierten gegen Gewalt gegenüber Frauen und für Gleichberechtigung. Die March4Justice-Bewegung – quasi Australiens #MeToo-Kampagne – formierte sich vor allem auch deswegen, weil die damalige australische Regierung die Missbrauchsvorwürfe in ihren politischen Reihen nicht ernst genug nahm. Higgins beispielsweise machte klar, dass sie, nachdem sie den Vorfall gemeldet hatte, keine angemessene Unterstützung erhalten hatte.

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Als der Fall dieses Jahr nun vor Gericht kam, war die Medienaufmerksamkeit immens. Brittany Higgins hatte sich – wohl um für mehr Rechte für Frauen in Australien zu kämpfen – für eine öffentliche Verhandlung entschieden. Denn Frauen sind in Australien nicht nur im politischen Umfeld Sexismus und sexuellen Übergriffen ausgesetzt.

Sexismus tief in der Gesellschaft verwurzelt

Das Problem ist tief in der Gesellschaft verwurzelt, wie die Statistik zeigt: Ein Drittel aller Frauen in Australien hat körperliche und jede fünfte Frau sexuelle Gewalt erfahren. Im Durchschnitt wird in Australien alle zehn Tage eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Vor allem während der Covid-Pandemie verzeichnete das Land eine drastische Zunahme häuslicher Gewalt.

Doch während Higgins mit ihrem Fall auf die Problematik aufmerksam machen wollte, verkam der Prozess mehr und mehr zu einer Art Schauprozess. Die „penible“ Medienberichterstattung über die Verhandlungen stellte die Klägerin geradezu bloß: Der Ablauf der vermeintlichen Vergewaltigung und damit das persönliche Trauma der jungen Frau wurden haarklein „nachgespielt“ und dementsprechend von der Internetgemeinde kommentiert.

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„Armee von moralisch Überlegenen“

„Ich habe immer gedacht, dass Brittany Higgins mutig war, sich zu Wort zu melden“, schrieb die Aktivistin Kate Hayford bereits während des Prozesses auf Twitter. Sie sei „von einem gehässigen Premierminister in den Hintergrund gedrängt“ worden (gemeint war der frühere Regierungschef Scott Morrison), der nicht bereit gewesen sei, die Kultur der Frauenfeindlichkeit zu korrigieren. Und jetzt reiße „eine Armee von moralisch Überlegenen sie in Stücke, als würde ihre Glaubwürdigkeit vor Gericht stehen und nicht ihr mutmaßlicher Vergewaltiger“. Eine weitere Australierin schrieb in ihrer Antwort auf Hayfords Tweet. „Nur wenige Frauen würden sich dem aussetzen.“

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Tatsächlich scheint auch Higgins die öffentlichen und sehr persönlichen Angriffe auf sie nun nicht mehr bewältigen zu können. Am Freitag gab die Staatsanwaltschaft bekannt, dass die Anklage fallen gelassen werde – wegen einer „inakzeptablen Gefahr für das Leben der Klägerin“. In einer Erklärung nannte der Staatsanwalt Shane Drumgold sowohl das anhaltende Trauma der Klägerin sowie das „Ausmaß an persönlichen Angriffen“, das er in mehr als 20 Jahren im Beruf noch nicht gesehen habe. Higgins habe all dies „mit Tapferkeit, Anmut und Würde“ ertragen. „Ich hoffe, dass dies jetzt aufhört und Frau Higgins heilen darf.“

Higgins wird derzeit im Krankenhaus behandelt

Higgins selbst wird derzeit im Krankenhaus behandelt. Sie äußerte sich nicht zu der Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Doch eine Freundin von ihr wurde in lokalen Medienberichten mit den Worten zitiert, dass sie nun die Behandlung und Unterstützung erhalte, die sie brauche. Die vergangenen zwei Jahre seien „schwierig und unerbittlich“ gewesen. „Obwohl es enttäuschend ist, dass der Prozess so endet, müssen die Gesundheit und Sicherheit von Brittany immer an erster Stelle stehen“, sagte sie.

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Der Prozess war zuvor bereits auf Februar verschoben worden, da die Jury wegen des Fehlverhaltens eines Geschworenen ausgetauscht werden musste. Nun wird der Prozess überhaupt nicht fortgesetzt. Der angeklagte frühere Kollege von Higgins, dessen Name in australischen Medien öffentlich gemacht wurde, hatte während der Verhandlungen stets seine Unschuld beteuert.

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