Streit um Berliner Luxushotel: Rückschlag für die Adlon-Erben
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Felix Adlon steht 2022 vor dem Hotel Adlon.
© Quelle: Joerg Carstensen/dpa
Berlin. Felix Adlon trifft überpünktlich ein vor den Türen des Plenarsaals im Gebäude des Berliner Verwaltungsgerichts in Moabit. An der einen Hand seine Frau, die Opernsängerin Nina Adlon. Unterm anderen Arm klemmt ein im vergangenen Jahr von ihm verfasstes Buch: „Adlon: Ein Hotel, sechs Generationen“.
Der 55-Jährige ist die Speerspitze der Erbengemeinschaft Adlon, zu der sein Vater, der bekannte Filmemacher Percy Adlon, gehört. Er will, dass alle Entscheidungen im Rückübertragungsstreit um das Berliner Luxushotel Adlon nach 1990 aufgehoben und neu verhandelt werden. Wäre alles mit rechten Dingen zugegangen, argumentiert Felix Adlon, würde mindestens ein Drittel der millionenschweren Immobilie Unter den Linden 77 im Herzen Berlins den Erben gehören.
Doch es geht auch um den Ruf der Familie. Die Hotelbesitzer sind als Nazis enteignet worden. „Meine Urgroßeltern“, sagt Felix Adlon noch vor der Gerichtstür, „konnten sich gar nicht leisten, Nazis zu sein. Viele der Stammgäste waren jüdisch oder kamen aus dem Ausland.“
Eine Folge des Kriegs
Dem Verwaltungsgericht unter Vorsitz des Richters Ulrich Keßler liegen folgende Tatsachen vor: Die Sowjetunion als Besatzungsmacht enteignete die Urgroßeltern von Felix Adlon, Louis und Hedda Adlon, im Jahr 1949 entschädigungslos. Die Adlons fanden sich wegen ihrer seit 1940 bestehenden NSDAP-Mitgliedschaft als „Naziaktivisten“ und wegen des Einsatzes von Zwangsarbeitern auf der sogenannten Liste 3 wieder.
Beantragte Rückgabeansprüche der Familie hatte das Landesamt für die Regelung offener Vermögensfragen im September 1996 mit Verweis auf die nach Besatzungsrecht 1949 erfolgte Enteignung abgelehnt. Der entsprechende Widerspruch wurde 1997 zurückgewiesen. Es seien eben „Kriegsfolgen“.
![So sah es einstmals aus - das 1907 eröffnete Hotels "Adlon" in Berlin (undatierte Aufnahme). Einst nächtigten hier Berühmtheiten wie John D. Rockefeller, Theodor Roosevelt, Thomas Mann und Charles Chaplin. Kurz nach Kriegsende 1945 wurde das Haus durch ein Feuer zerstört, doch schon bald soll es wieder Gäste aus aller Welt beherbergen: Im Juni 1997 wird das traditionsreiche Hotel Adlon Berlin (Kempinski) am Pariser Platz in unmittelbarer Nähe des Brandenburger Tores wiedereröffnet. Insgesamt 337 Gästezimmer, davon 263 Deluxe-Zimmer, zwei Behinderten-Zimmer, 40 Residenz-Zimmer für Gäste mit längerem Aufenthalt, 35 Adlon-Suiten und zwei Präsidenten-Suiten stehen den Besuchern dann offen. [dpabilderarchiv]](https://www.haz.de/resizer/GdZn4GvR2KMMuWjE6E6L2JZhTxc=/508x286/filters:quality(70):format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/WD7UNJCCRNEXNOETCGTPDBXK7U.jpg)
Warum Felix Adlon nicht länger nur Gast im Berliner Luxushotel sein will
Der Ururenkel des Adlon-Erbauers, Lorenz Adlon, kämpft vor Gericht um seine Anteile an der Berliner Luxusherberge. Weil die Hoteleigner zur Nazi-Zeit Mitglieder der NSDAP waren, wurden sie von den Sowjets nach 1945 enteignet. Felix Adlon sieht seine Familie zu Unrecht als Nazi-Sympathisanten eingestuft.
2015 wurde eine Bemessungsgrundlage für einen Betriebsvermögensausgleich festgelegt, der mit rund 60.000 Euro bei dem jetzigen Wert der Immobilie „für Sie wie ein schlechter Witz geklungen haben muss“, wie Richter Keßler bei seiner Zusammenfassung einräumt.
Nazis im Adlon
Felix Adlon sieht die Ehre seiner Familie in den Schmutz gezogen, weil die Urgroßeltern – zumindest juristisch – als Nazis gelten. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Seine Vorfahren wären nachweislich nicht nur mit Planern des Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944 befreundet gewesen, die Organisatoren hätten sich sogar im Adlon getroffen. Die NSDAP-Mitgliedschaft sei dazu dagewesen, die Nazis zu täuschen und das Hotel in Ruhe arbeiten zu lassen.
Doch die hätten sich immer dreister im Adlon eingenistet, berichtet Felix Adlon. Goebbels, Rosenberg, Ribbentrop – „alle nutzten die Bühne des Adlon, um vor der dort anwesenden Weltpresse“ das Image des Dritten Reichs aufzupolieren. Im Gegenzug blieben viele der jüdischen Stammgäste und auch internationales Publikum weg.
Dies wäre einer „faktischen Enteignung“ gleichgekommen, so Adlons Anwalt Wolfgang Peters. Die Adlons, sagt der Jurist, wären nicht mehr Herr im eigenen Haus gewesen. Die Verdrängung aus dem Eigentum durch die Nazis sei umfassend gewesen, diese Enteignung hätte eine normale Betriebsführung des Hotels im Sinne der Adlons unmöglich gemacht.
Richter hat Verständnis
Richter Keßler, der ansonsten viel Verständnis für das Anliegen der Adlons zeigt, lässt in der Verhandlung jedoch Zweifel an deren Enteignungsthese anklingen. Eine Enteignung aus „rassischen“ oder politischen Gründen in der Nazi-Zeit sei jedenfalls nicht nachweisbar.
Dass die Sowjetunion mitunter willkürlich entschieden habe, dass jemand „Nazi-Aktivist“ war, diese Debatte sei nicht neu. Doch selbst, wenn man dies in diesem Fall glaubt, so Keßler, stehe im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht die Frage, ob es überhaupt darauf ankommt. Dafür sei eher das Bundesverfassungsgericht zuständig. Und dieses habe bislang Entscheidungen nach Besatzungsrecht bestätigt.
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Louis Adlon, hier mit seiner Frau Hedda, war Sohn des Hotelgründers Lorenz Adlon.
© Quelle: Bundesarchiv
Die Vertreter der Finanzverwaltung von Land und Bund sehen vor Gericht auch 2022 keinen Grund, ihre Entscheidungen aus den 1990er-Jahren zu revidieren. Ja, sagen sie, die Nutzung des Eigentums durch die Adlons war durch die Aktivitäten der Nazis im Hotel „eingeschränkt“. Eine vollständige Verdrängung aus dem Eigentum sei jedoch nicht erkennbar. Sie sagen auch, die Adlons hätten sich klug verhalten, um nicht politisch verfolgt zu werden.
Plädoyer für den „Selfmademan“
Die Anwälte von Felix Adlon werben vor den Richtern dafür, die Begrifflichkeit der „vollständigen Verdrängung aus dem Eigentum“ für Enteignungen in diesem Fall „sinngemäß“ zu verstehen. „Das Adlon“, so Rechtsanwalt Peters, „ist eben ein absoluter Sonderfall.“ Keine Enteignung durch die Nazis sei mit der Enteignung der Adlon-Betreiber vergleichbar.
Felix Adlon sagt in seinen Schlussbemerkungen, die Familie schmerze die Enteignung extrem. „Die Welt denkt, uns gehört das Adlon – weil das Hotel noch immer so heißt. So ist es aber nicht.“ Die Erben würden am liebsten fortführen, was die Vorfahren aufgebaut haben. „Adlon-Gründer Lorenz Adlon war ein Flickschuster aus Mainz - ein absoluter Selfmademan.“
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Rechtsanwalt Wolfgang Peters (von links), Nina und Felix Adlon und der Rechtsanwalt Ralph Geiger im Verwaltungsgericht.
© Quelle: Joerg Carstensen/dpa
„Weg ist noch nicht zu Ende“
Richter Ulrich Keßler schaut ein bisschen ratlos drein, als er im Namen des Volkes verkündet: „Die Klage wird abgewiesen.“ Dafür, dass die Adlons selbst Opfer nationalsozialistischer Verfolgung geworden seien, lägen keine ausreichenden Beweise vor. Es stimme zwar, dass die Nazis das Hotel „instrumentalisiert“ hätten. Die Hotelbetreiber Louis und Hedda Adlon seien aber nicht vollständig aus ihrem Eigentum verdrängt worden.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Felix Adlon kündigte dennoch schon weitere rechtliche Schritte an. Die Erbengemeinschaft könnte nun vor dem Bundesverwaltungsgericht und anschließend vorm Bundesverfassungsgericht klagen. „Unser Weg ist hier noch nicht zu Ende“, sagt der Adlon-Erbe.