Buch über Leben mit der Krankheit

Als Oskar elf war, bekam sein Vater Alzheimer: „Er hört damit auf, richtig zu leben“

Oskar Seyfert hat das Buch „Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ geschrieben.

Oskar Seyfert hat das Buch „Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ geschrieben.

Oskar Seyfert (heute 15) aus Hamburg hatte ein ganz normales Leben. Bis vor vier Jahren. Da wurde bei seinem damals erst 54 Jahre alten Vater Alzheimer diagnostiziert. Seitdem hat sich das Leben von Oskar, seiner Mutter und seinen zwei jüngeren Geschwistern sehr verändert. Der Vater, der vorher als Arzt arbeitete und damit dann aufhören musste, war plötzlich mehr zu Hause – und kann immer weniger selbst machen.

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Die Familienmitglieder gehen ganz unterschiedlich mit diesem Schicksal um. Während Oskar, wie er sagt, außerhalb der Familie eigentlich nicht so gern darüber redet, tut ihm das Schreiben darüber gut – und so hat er kürzlich das Buch „Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ (Westend Verlag) veröffentlicht. Mit dem RND hat er über seine Erfahrungen gesprochen.

Oskar, wie erinnerst du dich an den Moment, als du von der Krankheit deines Vaters erfahren hast?

Oskar Seyfert: Es gab nicht diesen einen Moment oder Tag, an dem meine Eltern es mir und meinen Geschwistern gesagt haben. Es ist uns eher über die Zeit erklärt worden. Ich kann mich eher daran erinnern, wie dann die erste Phase war, als es losging, dass es weniger wurde, was mein Vater konnte. Was die Krankheit dann bewirkt hat.

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Vier Jahre ist das nun ungefähr her. Wie sehr hat sich der Zustand deines Vaters seitdem verändert?

Er hat sich sehr verändert. Es gab verschiedene Phasen, in denen mein Vater ganz unterschiedlich war. Momentan ist er einfach ziemlich still, macht weniger, wird immer passiver. Er ist jetzt auch schon in einer fortgeschrittenen Phase der Krankheit. Er beginnt damit, aufzuhören. Mit allem. Er hört damit auf, richtig zu leben, im Alltag irgendwie mitzumachen, auch nur zu versuchen, sich Sachen zu merken.

Heute (Anm. d. Red.: Am Tag des Interviews) hat dein Bruder Geburtstag. Wie verbringt ihr so einen Tag zusammen? Inwieweit könnt ihr euren Vater da noch einbeziehen?

Das wird wirklich schwerer, auch für ihn. Er merkt, dass er seinem Sohn – also meinem Bruder – nicht mehr so richtig Geschenke machen kann und so was. Es wird schwerer, ihn zu integrieren. Aber es gibt Zeiten, in denen es noch schwerer ist – wenn er zum Beispiel vom Arzt zurückkommt, dann geht es ihm immer schlechter. Weil er dann noch mal damit konfrontiert wird.

Sprecht ihr denn nach so einem Arztbesuch mit ihm darüber?

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Ich spreche nicht mit ihm darüber, aber meine Mutter wahrscheinlich.

Was war die größte Veränderung für dich, deine Mutter und deine Geschwister im Alltag?

Es gab sehr viele Veränderungen. Was die Größte war, kann ich nicht wirklich sagen. Oder doch, warte: Wir haben unseren Hund durch die Krankheit bekommen, weil mein Vater nicht mehr gearbeitet hat und Zeit hatte.

Kann er denn noch allein mit dem Hund rausgehen?

Man merkt, dass es ihm schwerer fällt. Aber noch kann er es. Manchmal ist er nur recht kurz draußen. Aber er macht das noch allein und da passiert in der Regel auch nichts.

In deinem Buch beschreibst du, dass dein Vater einmal verschwunden ist und ihr mit Polizei und allem Drum und Dran Tag und Nacht nach ihm suchen musstet, bis ihr ihn wiedergefunden habt. Das ist seitdem also nie wieder passiert?

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Genau. Seitdem hat er auch so einen Tracker, mit dem man ihn finden könnte, wenn etwas passiert. Aber seitdem haben wir den tatsächlich gar nicht gebraucht.

Was hat dein Vater eigentlich von der Buchveröffentlichung und auch vom Entstehungsprozess mitbekommen?

Er wusste, dass ich ein Buch schreibe. Aber ich glaube, er weiß nicht genau, wie es bei den Leuten ankommt. Wie viel er davon genau mitkriegt, kann er einem leider nicht sagen. Aber ich denke, dass er das trotzdem mitbekommen hat.

Hast du das Gefühl, dass er stolz auf dich ist?

Ich weiß nicht, ob er das so richtig empfinden kann. Aber ich denke, er wäre stolz auf mich.

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Im Buch wird auch thematisiert, dass dein Vater sich neue Beschäftigungen gesucht hat, unter anderem das Stöcke schnitzen. Von den Stöckern sind auch einige Bilder im Buch. Warum empfindest du das als ein wichtiges Element, das mit im Buch sein sollte?

Es ist wichtig, dass es nicht nur um die Krankheit geht. Die Krankheit hindert ihn schon am Arbeiten, sie hindert ihn an immer mehr Sachen. Dass er trotzdem solche Dinge wie das Stöcke schnitzen noch kann, ist etwas Schönes. Deshalb sollte man daran festhalten.

„Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ von Oskar Seyfert ist im Westend Verlag erschienen.

„Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ von Oskar Seyfert ist im Westend Verlag erschienen.

Bist du jetzt auch in Situationen außerhalb der Familie weniger sorgenfrei als vorher?

Eigentlich ist die Menge an Sorgen, die ich in mir trage, immer gleich. Tatsächlich sorge ich mich um die Krankheit selbst nicht so sehr. Der Prozess der Krankheit, was die bei einem Menschen macht, ist immer ziemlich gleich. Man weiß schon ziemlich genau, wie die Krankheit verläuft und endet.

Worüber machst du dir dann Gedanken?

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Ich mache mir zum Beispiel Sorgen, ob es meinem Vater auch in Zukunft noch einigermaßen gut geht – so gut wie eben möglich. Und auch, ob es meinen Geschwistern oder meiner Mutter damit nicht gut geht.

Müsst ihr Geschwister denn jetzt mehr Verantwortung übernehmen?

Ja, definitiv. Wir müssen Aufgaben übernehmen, die wir vorher nicht übernehmen mussten. Aber es ist immer noch so, dass meine Mutter ziemlich viel macht.

Du schreibst im Buch über deine Mutter, dass es eine der schwersten Zeiten in ihrem Leben ist.

Ja, ich mache mir Sorgen um meine Mutter. Aber nicht, weil sie es nicht schafft, sondern einfach weil es an ihren Nerven zehrt. Es ist einfach anstrengend, aber sie kommt durch.

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Im Buch thematisiert du auch, dass dein Vater wohl irgendwann in ein Heim kommen wird. Ist das jetzt schon Thema bei euch in der Familie?

Ja, darüber wird schon gesprochen, weil es einfach unausweichlich ist. Es ist nicht dauerhaft Thema, aber wir reden darüber.

Wie fühlt sich das für dich an, wenn du dir das vorstellst?

Wir reden zwar viel darüber, aber ich mache mir gleichzeitig nicht so viele Gedanken darüber. Wahrscheinlich wird man sich daran gewöhnen, dass es dann zum Alltag gehören wird, ihn zum Beispiel wöchentlich zu besuchen. Vielleicht wird es gar nicht so eine drastische Veränderung.

Du schreibst, dass ihr früher eine ganz normale Familie wart. Wann habt ihr jetzt noch diese normalen Momente?

Manchmal gucken wir zusammen Filme, dabei wird dann auch nicht geredet und es fühlt sich normal an. Aber generell sind wir ja keine extrem besondere Familie dadurch. Es gibt viele Familien, bei denen etwas besonders ist und die trotzdem noch normal leben.

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In welchen Momenten fehlt dir dein Vater – wie er früher war, vor seiner Krankheit – am meisten?

Da gibt es so ein paar Momente, wo mir das auffällt. Zum Beispiel haben wir uns letztens alte Fotoalben angeguckt, da habe ich es gemerkt. Aber meistens sind es keine einzelnen Momente, ich vermisse ihn dauernd.

„Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“ von Oskar Seyfert ist im Westend Verlag erschienen.

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