Die Furcht vor der nächsten Flut

Wie das Ahrtal geschützt werden kann

In der Eifel haben heftige Regenfälle und Dauerregen für Überschwemmungen und Überflutungen gesorgt. Im Ahrtal trat der Fluss vielerorts über die Ufer und überschwemmte nicht nur Keller sondern ganze Ortschaften. Im Bild die Straße zwischen Dernau und Walporzheim, die von den Fluten auf einem Abschnitt einfach mitgerissen wurde.

Die Straße zwischen Dernau und Walporzheim wurde bei der Katastrophe von den Fluten einfach mitgerissen.

Altenahr/Hönningen. Wenn es regnet, kommt das ungute Gefühl zurück. „Ich glaube nicht, dass das die letzte Katastrophe war“, sagt Dieter Hupperich und blickt besorgt auf die Ahr. Es nieselt an diesem Wintertag, auf der Behelfsbrücke, die über den Fluss führt, liegt der Matsch. Auch das Flussbett ist wieder gut gefüllt. Aber kein Vergleich zur Situation im Sommer 2021.

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Dieter Hupperich wohnt im kleinen Ort Liers – sein Garten grenzt direkt an das Ahrufer. Bis in den ersten Stock stand das Wasser während der großen Flutkatastrophe in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli. Damit sei er noch ziemlich glimpflich davongekommen, sagt der Hausbesitzer. Rund elf Kilometer entfernt in Altenahr stand das Wasser in der Nacht fast acht Meter hoch, zahlreiche Gebäude wurden völlig zerstört, insgesamt 134 Menschen starben in der Region.

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Was passiert, wenn der Fluss wieder steigt?

Hupperich konnte sein Eigenheim retten, die Renovierungsarbeiten sind inzwischen fast abgeschlossen – auch andere Wohnhäuser in Liers sind schon wieder bezogen. Jetzt stellen sich neue Fragen: Wie soll es weitergehen? Was passiert, wenn der Fluss wieder steigt?

Dieter Hupperich vor seinem Haus.

Dieter Hupperich vor seinem Haus.

Das Zauberwort heißt Hochwasserschutz. Auf die Notwendigkeit, den Fluss mit baulichen Mitteln daran zu hindern, über die Ufer zu treten, können sich in der Region alle einigen. Doch wenn es ums Detail geht, herrschen unterschiedliche Meinungen.

Mögliche Hochwasser-Schutzmaßnahmen zur Diskussion gestellt

Auf einer Bürgerversammlung seien kürzlich ein paar mögliche Hochwasser-Schutzmaßnahmen zur Diskussion gestellt worden, erzählt Hupperich. Ein Vorschlag der Lokalpolitik sei, einen kleinen Deich vor seinem Garten zu bauen. „Dann ist zwar die schöne Aussicht weg – aber wenigstens bleibt beim nächsten Mal das Haus trocken“, sagt er. Die Notwendigkeit sieht er ein, auch wenn es auf Kosten der Ästhetik geht.

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Andernorts im Ahrtal machen sich Anwohner und Anwohnerinnen sowie Helferinnen und Helfer ebenfalls Gedanken über die Zukunft. Robert Euler hilft derzeit als pensionierter Handwerker ehrenamtlich im kleinen Ort Rech aus. Hier steht ein Weinlokal mit dem Namen Ahrblume. Rech liegt an einer Flussschleife und war daher besonders stark von der Flut betroffen. Ein Haus wurde samt seiner Bewohnerin vom Wasser mitgerissen. Künftig verläuft hier im Ort die sogenannte verbotene Zone – aus Sicherheitsgründen darf an Teilen des Ufers gar nicht mehr gebaut werden.

Robert Euler vor dem zerstörten Weinlokal Ahrblume.

Robert Euler vor dem zerstörten Weinlokal Ahrblume.

Weinlokal beträchtlich zerstört

Das Weinlokal liegt zwar nicht innerhalb dieser Zone, doch zerstört wurde es dennoch beträchtlich. Ein Teil des Hauses wurde unterspült und muss abgerissen werden, der verbleibende Teil ist immer noch feucht. Seit einem halben Jahr blasen Bautrockner warme Luft in die Innenräume des Gebäudes.

Wie steht es hier mit der Zukunft? „Es müssten eigentlich wasserdichte Fenster installiert werden“, sagt Euler. Die könnten bei künftigen Hochwasserereignissen Schäden am Haus abwenden. Unklar ist allerdings, wer für die Kosten aufkommt. „So ein Fenster kostet schnell mehrere Tausend Euro“, betont der Fachmann. Eine andere Möglichkeit wäre, Häuser am Ahrufer künftig auf Stelzen zu bauen. Ob das jemals so genehmigt wird? Euler weiß es nicht.

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Hochwasserschutz für alle

Rund 70 Kilometer von Rech entfernt liegen schon etwas konkretere Pläne zum künftigen Hochwasserschutz im Ahrtal auf den Tischen. Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz (kurz: SGD Nord) erarbeitet als übergeordnete Behörde zusammen mit den Landkreisen und Kommunen Konzepte für die Zukunft der Region.

„Grundsätzlich soll jedes Haus, das im Ahrtal wiederaufgebaut werden kann, hochwasserangepasst gebaut werden“, erklärt Joachim Gerke, Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft. „Also so, dass kein Wasser mehr in die Gebäude eindringen kann.“ Das könne man etwa mit Abdichtungsmaßnahmen erreichen, aber auch dadurch, dass die Häuser höher gebaut würden. Zudem seien örtliche Hochwasser-Schutzmaßnahmen wie Deiche oder Mauern vor Wohngebieten denkbar.

Auch die Neugestaltung der Brücken, sagt Gerke, solle beim künftigen Hochwasserschutz eine Rolle spielen. Vor den Brücken hatten sich während der Katastrophe im Juli zum Teil Wohnwagen gesammelt, und den Wasserpegel damit noch weiter ansteigen lassen.

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Historische mehrbogige Brücke über die Ahr

Zurück nach Liers: Auch vor Dieter Hupperichs Haus verläuft eine historische mehrbogige Brücke über die Ahr – inzwischen ist sie, wie die meisten anderen Brücken in der Region, stark beschädigt. Auch hier sei das Wasser durch die Brückenkonstruktion massiv aufgehalten und angestaut worden, sagt er. „Ich hoffe, beim Wiederaufbau lernt man daraus. Wenn die Brücke in der alten Form wieder aufgebaut wird, sehe ich schon die nächste Katastrophe.“

Eine andere Hochwasser-Schutzmaßnahme hingegen lässt sich vor Hupperichs Haus bereits betrachten: Das Flussbett der Ahr wurde deutlich ausgebaut, nun ist es sichtbar breiter. „Wir müssen der Ahr, wo immer es geht, mehr Raum geben, damit sie breit abfließen kann“, erklärt Joachim Gerke. „Wenn der Fluss breit abfließt, hat er einen niedrigeren Wasserstand.“ In einigen Orten wurde das bereits umgesetzt, andere sollen folgen.

Wasserrückhaltebecken bauen

Eine weitere, aber deutlich aufwendigere Maßnahme sei, Wasserrückhaltebecken zu bauen. „Das geht aber leider nicht von heute auf morgen“, sagt Gerke. „Man muss die richtigen Flächen finden, die auch große Wassermassen zurückhalten können.“ Zudem sei eine exakte Planung wichtig. „Die Rückhaltebecken müssen zueinander passen und korrekt gesteuert werden. Wenn die Becken alle gleichzeitig überlaufen, könnten sie eine Hochwasserkatastrophe sogar verschlimmern.“ Einige Gemeinden hätten für die Becken bereits Flächen angeboten.

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Kritikerinnen und Kritikern gehen die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen der Behörden derweil nicht weit genug. Der Biologe Wolfgang Büchs kennt das Ahrtal bereits seit vielen Jahrzehnten. 2003 veröffentlichte er als Hauptautor im Auftrag des Landesamts für Umwelt Rheinland-Pfalz eine dreibändige Monografie über die Region. Geht es nach ihm, müsste in deutlich mehr Gebieten entlang der Ahr eine Bebauung untersagt werden.

„Wasser bis zu den Dachluken“

„Die Siedlung Altenburg in Altenahr beispielsweise liegt in einer ehemaligen Flussschleife, die seit den Sechzigerjahren kontinuierlich weiter zugebaut wurde“, erklärt Büchs. „Hier stand das Wasser bei der Flut sechs, sieben Meter hoch, bis zu den Dachluken. Es ist nur schwer nachvollziehbar, dass so ein Gebiet wieder besiedelt wird.“ Statistisch würden Fluten wie im Sommer 2021 zwar nur im Abstand von mehreren Hundert Jahren auftreten, sagt der Biologe weiter – mit dem Klimawandel allerdings nähmen sie zu. „Theoretisch kann es übermorgen wieder so weit sein.“

Laut Büchs brauche es zudem deutlich mehr Maßnahmen, um Regenwasser zurückzuhalten – und zwar schon weit außerhalb des eigentlichen Ahrtals, im Wassereinzugsgebiet. Eine Rolle spiele hier die Landwirtschaft: „In der Region gibt es sehr viel Maisanbau – der Boden leitet Regenwasser dadurch unmittelbar ab.“ Auch bei Grünland sei der Boden häufig stark verdichtet, weil schwere Maschinen die Gebiete zur Gülleaufbringung befahren – das führe zum selben Effekt.

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Forstwirtschaft kommt wichtige Rolle beim Hochwasserschutz zu

Auch der Forstwirtschaft komme eine wichtige Rolle beim Hochwasserschutz zu, sagt Büchs. „Entlang der Zuflüsse der Ahr stehen viele Fichtenwälder.“ Nach dem Jahrhundertsommer von 2018 und dem damit verbundenen Borkenkäferbefall, sterben viele Bäume jedoch ab. Die Böden der gerodeten Wälder leiteten das Wasser unmittelbar ab. Büchs plädiert daher für ausgewogene Mischwälder entlang der Hänge der Zuflüsse.

Nicht zuletzt auch der im Ahrtal stark verbreitete Weinanbau müsse laut Büchs Hochwasser-Schutzvorkehrungen treffen. Die meisten Rebzeilen seien in Talrichtung gebaut, das Wasser könne somit unmittelbar ins Tal stürzen. Eine mögliche Lösung für den Experten: Eine sogenannte Querterrassierung, die den Abfluss des Regenwassers abschwächt.

Weinberge mit Blick auf Dernau.

Weinberge mit Blick auf Dernau.

„Einen Weinberg komplett umzubauen ist mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden“

Auch Joachim Gerke von der SGD Nord hält diese Vorschläge als lokalen Hochwasserschutz für sinnvoll – bei Jahrhundert-Hochwassern wie im Sommer 2021 aber nicht für entscheidend. „Zudem braucht es dafür einen Konsens“, sagt Gerke. „Einen Weinberg komplett umzubauen ist mit hohem Aufwand und hohen Kosten verbunden. Das ginge nur im Rahmen einer Flurbereinigung. Auch kann man Bauern nicht einfach verbieten, Mais anzubauen.“

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Einige Weinfelder entlang der Ahr seien aber durch das Hochwasser vollständig zerstört worden. „Diese werden sicherlich anders wieder angelegt, als das vor der Flut der Fall war“, sagt Gerke.

Kritik von Naturschützern

Doch das Ahrtal ist nicht die erste Region in Deutschland, die Hochwassergefahren gegenübersteht. Sie kann von anderen gefährdeten Gebieten und den Erfahrungen der Menschen dort profitieren. Mit welchen Mitteln Schutz und Prävention möglich sind, erforschen Wissenschaftler und Experten aus der Praxis seit Jahrzehnten. Das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung hat auf der Homepage www.ioer.de verschiedene Schutzmaßnahmen zusammengestellt.

Naturschützer und Naturschützerinnen kritisieren unterdessen, dass es nach der Hochwasserkatastrophe mit seinen Änderungen des Flussverlaufs neue ökologische Chancen gegeben habe. Diese Möglichkeiten seien jedoch nicht genutzt worden. So sagte die Vorsitzende des Naturschutzbundes (Nabu) Rheinland-Pfalz, Cosima Lindemann, kürzlich dem SWR, das extreme Ahr-Hochwasser habe das Bett des Flusses teils verlegt und neue Nebenarme entstehen lassen. Diese hätten einen hohen ökologischen Wert und könnten bei niedrigeren Hochwassern entlastend wirken. Doch diese Chance sei vertan worden: „Nebenarme sind wieder zugeschüttet worden und das Flussbett wurde in großen Teilen begradigt“, sagte Lindemann dem Sender. Aufschüttungen zur Wiederherstellung hätten die Ahr an manchen Stellen sogar schmaler werden lassen als vor der Flut.

Wegziehen wollen die meisten nicht

In den kleinen Ortschaften am Fluss bleibt den Bewohnerinnen und Bewohnern nur, auf die Kompetenz der Behörden zu vertrauen. Und abzuwarten: Wegziehen will auch Elke Krieger nicht – obwohl sie nur zur Miete wohnt. „Ich habe die letzten 20 Jahre hier gewohnt, ich fühle mich weiterhin wohl“, sagt sie. Ob ihr Vermieter Hochwasser-Schutzmaßnahmen ergreifen will, weiß Krieger nicht – sie vertraut auf ihren sicheren Rückzugsort im ersten Stock. Auch Ursula Poppelreuter aus Dernau will an ihrem Eigenheim vorerst keine weiteren Maßnahmen durchführen. „Was soll ich denn machen – eine Mauer drumherum bauen?“, fragt sie. Das Ahrtal zu verlassen kommt aber auch für Poppelreuter nicht infrage. „Ich bin hier aufgewachsen. Wegziehen ist für mich keine Option.“

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Dieter Hupperich ist inzwischen hochwassererprobt. Schon vor fünf Jahren sei die Ahr in Liers über die Ufer getreten und in sein Haus eingedrungen. Die Katastrophe von 2021 habe aber alles in den Schatten gestellt. „Ich glaube noch nicht so recht, dass das wirklich etwas wird mit dem Hochwasserschutz“, sagt der Anwohner. Er stelle sich schon auf den nächsten Renovierungsmarathon ein. „Wenn nichts passiert, saufen wir bei der nächsten Flut wieder ab.“

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