Hochwasserkatastrophe: Wurde zu spät vor dem schweren Unwetter gewarnt?
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Alleine in Rheinland-Pfalz kamen bereits mehr als 60 Personen ums Leben. Noch immer werden viele vermisst.
© Quelle: imago images/Reichwein
Trier. In Rheinland-Pfalz hat das Unwetter bereits am Mittwoch für erste Schäden gesorgt. Inzwischen ist klar, dass mehr als 60 Menschen ums Leben gekommen sind. Thomas Linnertz ist Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), die in Rheinland-Pfalz den Katastrophenschutz koordiniert. Er glaubt, dass viele Menschen die Warnungen falsch eingeschätzt haben.
Herr Linnertz, wie haben Sie die letzten Tage in Rheinland-Pfalz erlebt?
Es ist wirklich eine Tragödie, was sich hier abgespielt hat. Ein Unwetter mit einem solchen Hochwasser haben wir so noch nie erlebt. Die Wasserpegel der kleinen Flüsse sind mit einer enormen Geschwindigkeit angestiegen, das hat alle überrascht. Dazu kam noch das Problem, dass die Unwetter flächendeckend über mehrere Landkreise heruntergekommen sind. Es gab und gibt noch immer überall Einsätze.
Viele Menschen mussten aus ihren Häusern gerettet werden. Gab es keine Warnungen?
Unsere Koordinierungsstelle nahm am Mittwochnachmittag ihre Bereitschaft auf, ebenso die Katastrophenschutzstäbe der Landkreise. Das Problem war, dass wir riesige Wassermengen bewältigen mussten. Mehr Wasser, als wir überhaupt Kapazitäten haben. Aber wir hatten ja nicht tagelang Zeit, um uns auf diese Ausnahmesituation vorzubereiten. Diese Wetterlage konnte in dieser Heftigkeit nicht so frühzeitig vorhergesagt werden, um noch mehr Maßnahmen zu treffen. Aber mit unseren Maßnahmen konnten wir zumindest erreichen, dass keine Stauseedämme in Gefahr waren.
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Thomas Linnertz ist Präsident der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), die in Rheinland-Pfalz den Katastrophenschutz koordiniert.
© Quelle: privat
Wurde zu spät vor dem Hochwasser gewarnt oder haben die Warnungen die Menschen nicht erreicht?
Es gab schon am Mittwoch Warnungen des Deutschen Wetterdienstes, auch Katwarn und Nina haben ausgelöst. Viele Menschen haben jedoch gedacht, dass vielleicht der Keller volllaufen würde. Aber so hohe Pegelstände wie bei der Ahr, das hat noch niemand erlebt, das hat uns alle überrascht. Am Mittwoch hatten noch alle Landkreise und Einsatzleitungen die Situation weitgehend im Griff. Aber in der Nacht zu Donnerstag hat sich die Lage so dramatisch verändert, dass wir vor einem riesigen Problem standen. So viele Vorsichtsmaßnahmen können Sie gar nicht treffen, wie da Wasser vom Himmel prasselte. Die Flüsse sind so schnell angestiegen, dass wir gar nicht mehr die Menschen evakuieren konnten. Hinzu kommt, dass wir wegen des Mobilfunk- und Stromausfalls viele Menschen nicht erreichen konnten. Damit kämpfen wir weiterhin in vielen Regionen, und das ist auch einer der Gründe, warum so viele Menschen vermisst werden. Ich hoffe sehr, dass wir möglichst schnell die Menschen finden.
In vielen Städten gibt es auch Warnsirenen, die offenbar nicht immer funktioniert haben.
Wir werden uns mit den Warnsirenen noch einmal beschäftigen müssen. Bund und Länder arbeiten nach dem wenig gelungenen Warntag daran, dass die Warnsysteme verbessert werden. Aber es gibt auch andere Warnformen: Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge haben zum Beispiel Durchsagen in den Straßen gemacht. Aber egal, welche Maßnahmen wir für die Zukunft treffen: Wir können solche Wetterlagen nicht verhindern, wir können nur die Menschen frühzeitig warnen. Denn eine Evakuierung innerhalb weniger Stunden bleibt eine große Herausforderung. Auch über die Verbesserung von Modellen zur Katastrophenvorhersage müssen wir sprechen.
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der Flutkatastrophe für die Zukunft?
Im Moment ist es noch zu früh, um detaillierte Schlüsse aus dem Hochwasser zu ziehen. Wir konzentrieren uns noch immer auf die Menschenrettung, etwa im Raum Ahrweiler. Dann kommen die Aufräumarbeiten, denn das Hochwasser hat alles getroffen in den Städten: Die ganze Infrastruktur muss jetzt als Erstes wiederhergestellt werden. Strom- und Trinkwasserleitung, Straßen und auch Schulen müssen repariert werden. Daran werden wir noch lange arbeiten müssen.