Impfquote in deutschen Gefängnissen niedriger als im Bundesdurchschnitt

Die Welt draußen hat sich radikal verändert – doch in vielen deutschen Gefängnis blieben die alltäglichen Abläufe weitestgehend gleich. (Symbolbild)

Die Welt draußen hat sich radikal verändert – doch in vielen deutschen Gefängnis blieben die alltäglichen Abläufe weitestgehend gleich. (Symbolbild)

Da draußen hat sich die Welt vor fast zwei Jahren radikal verändert: Plötzlich war es ruhig auf den Straßen, leer in den Cafés und Restaurants, die Spielplätze waren verwaist. Mit der Pandemie ist die gesamte Welt stehen geblieben – und drinnen, hinter den Mauern der JVA, ging der Alltag beinahe in der gewohnten Routine weiter.

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Das berichtet Anna Matthes, stellvertretende Anstaltsleiterin der niedersächsischen Justizvollzugsanstalt Vechta, in einem Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Gefangene in einer Justizvollzugsanstalt sind im Grund ja die ganze Zeit in einer Art Herdenquarantäne.“ Und doch gab es auch „drinnen“ Veränderungen: Umarmungen oder Berührungen waren lange Zeit bei Besuchen nicht möglich – eine Trennscheibe trennte Gefangene von ihren Familien – ganz wie in amerikanischen Filmen. Außerdem wurde der Kontaktsport, also auch der geliebte Fußball, eingeschränkt.

Wie hoch ist die Impfquote bei 45.000 Gefangenen?

Von diesen Maßnahmen berichten die meisten der 16 Bundesländer, die wir zum Pandemiealltag und zu Impfkampagnen in deutschen Gefängnissen befragt haben. Eine Chance auf Besuche ohne Trennscheibe, auf eine Umarmung mit den eigenen Kindern oder aber auf Ausgang gibt es vielerorts erst seit Kurzem wieder – und das nur mit einer vollständigen Impfung. Doch wie läuft die Impfkampagne bei den etwa 45.000 Gefangenen in Deutschland? Wie hoch ist die Impfquote?

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Die Justizministerien der Bundesländer können auf Nachfrage des RND in den meisten Fällen nur grobe Schätzungen abgeben. Der Grund: Es werden viele neue Gefangenen aufgenommen, darunter bereits gegen Covid-19 Geimpfte, und gleichzeitig viele entlassen. So kommt es, dass fünf von 16 Bundesländern keine genaue Impfquote angeben.

Saarland ist Spitzenreiter

Die durchschnittliche Impfquote bei den Gefangenen in den verbliebenden Bundesländern aber liegt bei 57,72 Prozent. Spitzenreiter ist Saarland mit 74,6 Prozent – das Schlusslicht bildet Sachsen mit 50 Prozent. Grundsätzlich sind die Impfquoten in den Haftanstalten aber geringer als in der Gesamtbevölkerung.

Bundesland

Impfquote in den Gefängnissen

Allgemeine Impfquote im Bundesland

Baden-Württemberg

57 Prozent

68,1

Bayern

keine genaue Impfquote (57,7 Prozent erstgeimpft)

68,5

Berlin

50 bis 60 Prozent

71,7

Brandenburg

keine genaue Impfquote

63,3

Bremen

70 Prozent

81,7

Hamburg

70 Prozent

75,8

Hessen

keine genaue Impfquote

68,9

Mecklenburg-Vorpommern

60 Prozent

68,2

Niedersachsen

62 Prozent

71,6

Nordrhein-Westfalen

62 Prozent

73,1

Rheinland-Pfalz

keine genaue Impfquote

69,3

Saarland

74,6 Prozent

69,3

Sachsen

50 Prozent

59,2

Sachsen-Anhalt

keine genaue Impfquote

66,5

Schleswig-Holstein

62 Prozent

74,4

Thüringen

70 Prozent

64,1

Warum nun die Impfquote in den Gefängnissen der meisten Bundesländer trotz teils wöchentlicher Impfangebote niedriger ist – dazu geben die Landesministerien unterschiedliche Gründe an. „Nach unseren Erfahrungen gehören Gefangene oft Bevölkerungsgruppen an, die auch außerhalb des Justizvollzugs keine große Impfbereitschaft zeigen“, heißt es etwa pauschal aus Bayern.

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Einzelne wollen nur Sputnik

In Niedersachsen werden eine ganze Reihe von Begründungen geliefert: So hätten manche Häftlinge ein generelles Misstrauen gegenüber behördlichen Angeboten. Gefangene mit langen Haftstrafen würden eine Impfung aufgrund von vermeintlich fehlenden Anreizen ablehnen. Und dann gäbe es auch solche, die sich nur mit dem Impfstoff Sputnik immunisieren lassen wollen – und dieser ist in Deutschland nicht zugelassen. Hamburg verweist darauf, dass die tatsächliche Impfquote höher sein könne, da einige Gefangene bei Haftantritt ihre bereits erhaltene Impfung nicht nachweisen könnten.

Anna Matthes von der JVA in Vechta berichtet: „Zu Beginn gab es etwas Skepsis, zum Teil auch dem Impfstoff Johnson & Johnson gegenüber, den wir zu Beginn überwiegend verimpft haben. Als sich dann aber die ersten ohne negative Folgen haben impfen lassen, haben sich andere ein paar Wochen später auch gemeldet.“ In Vechta und in der Außenstelle Delmenhorst liege die Impfquote bei etwa 50 Prozent.

Seelsorger werben fürs Impfen

Die meisten Bundesländer setzen neben Aushängen und Aufklärungen beim Arzt auf persönliche Gespräche zwischen Gefangenen und Bediensteten, um für das Impfen zu werben. Nur Bremen geht noch ein Stück weiter: Hier sprechen Seelsorger christlicher oder muslimischer Gemeinden mit den Insassen über das Impfen.

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Und doch wird immer wieder von Impfskeptikern berichtet: „Ebenfalls wie ‚draußen‘ lassen sich nicht alle durch noch so große Bemühungen und Argumente überzeugen“, teilt das Justizministerium Bremen etwa mit. Kann es also auch ein Problem mit Corona-Leugnern in deutschen Haftanstalten geben? Die beiden stichprobenartig angefragten Gefängnisse verneinen dies. „Ich kann mich in der ganzen Pandemiezeit tatsächlich nicht an einen Gefangenen erinnern, der als ‚Querdenker‘ oder Corona-Leugner offensiv gegen Maßnahmen oder Impfungen angeredet hat“, sagt Anne Matthes. Ähnliches berichtet auch die JVA Rosdorf bei Göttingen. „Es wäre natürlich auch möglich, dass es nicht im Beisein von Bediensteten gemacht wurde“, gibt die stellvertretende Anstaltsleiterin aber auch zu bedenken.

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