Dubiose Internet-Gurus: Wenn 14-Jährige das große Geld versprechen
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Bastian Yotta und Kollegah versprechen, dein Leben zu verändern, wenn du an ihren Online-Coaching teilnimmst. Diese Dubiosität bieten jedoch viele andere ebenfalls an - für viel Geld.
© Quelle: imago images/Panthermedia/STAR-MEDIA/Arvid Müller/RND Montage Behrens
Hannover. Sind Sie auch unzufrieden mit ihrem Leben? Wollen Sie raus aus dem Hamsterrad? Und mehrere Zehntausend Euro im Monat verdienen? Dann lesen Sie jetzt unbedingt diesen Text, Sie werden es nicht bereuen.
So oder so ähnlich klingen die Versprechen unzähliger Gurus und Life-Coaches, die sich auf Facebook, Youtube oder Instagram tummeln. Dort vermarkten sie mit eindrücklicher Penetranz ihre Onlineworkshops für alle erdenklichen Themen, versprechen mehr Erfolg im Job, in der Fitness, in der Liebe oder ganz generell im Leben.
Von Bastian Yotta bis Kollegah
Offenbar ein lukratives Geschäft: Der Trash-TV-Teilnehmer Bastian Yotta hat es mit solchen kostenpflichtigen Coachings nach eigenen Angaben zum Selfmade-Millionär gebracht. Auf der Website seiner Yotta University verspricht er, man könne mit seinen Workshops “alles erreichen, was du jemals erreichen wolltest”. Dann zählt er auf: Fitness, Reichtum, Beziehungen und Glück – das volle Programm also.
Ein anderer Promi mit mindestens genauso großem Bizeps hatte im vergangenen Jahr eine ähnliche Mission: Kollegah. Der Rapper wollte Anhängern seines Alpha-Mentoring-Programmes allerhand erleuchtende Lebenstipps an die Hand geben – natürlich für viel Geld. Dafür hagelte es harsche Kritik, nicht zuletzt von den eigenen Fans. Inzwischen hat der Rapper die Workshops offenbar eingestellt.
Doch Yotta und Kollegah sind nur die prominenten Aushängeschilder einer ganzen Coachingbewegung. Hunderte Gurus fluten die Werbeanzeigen der Plattformen mit ihren Versprechen für den schnellen Erfolg. Sie heißen Kris Stelljes oder Dominik Greger oder Andreas Baulig. Ihre Werbeversprechen klingen immer ähnlich, gleiches gilt für die Optik ihrer Websites und Videos. Sie sitzen mit teuren Klamotten in teuren Autos oder vor Flipboards, prügeln ihren Zuschauern mit strammer Körperhaltung ins Gehirn, dass sie jetzt aber endlich mal ihr Leben ändern müssten. Die Ansprache: Stets ein kumpelhaftes “du” (das “Ihr” klingt offenbar zu unpersönlich). Das Versprechen: Viel Geld und Erfolg, wenn man nur ein paar Regeln befolge – und ihren Onlinekurs belege.
Ein 14-Jähriger verkauft Onlinekurse
Doch die Onlinegurus werden nicht nur immer mehr – sie werden auch immer jünger. Auf Facebook wirbt seit einigen Wochen ein erst 14-Jähriger “Erfolgscoach“ für seine Onlinekurse. In den Werbeposts verspricht der Junge namens Magnus (Name geändert) potenziellen Interessenten den lang ersehnten “Ausbruch aus dem Hamsterrad”.
Konkret heißt es da etwa: “Um aus dem Hamsterrad auszubrechen und Freiheit zu erreichen, braucht man Fähigkeiten. Eine kurze Fallstudie, um aus dem Hamsterrad auszubrechen und komplett selbstständig zu werden durch das Verkaufen hochpreisiger Produkte von anderen Coaches über das Telefon, von einem 14-Jährigen, der durch die Fähigkeit gar nicht erst ins Hamsterrad gehen muss.”
Ein 14-jähriges Wunderkind also, das selbst erwachsene Versagertypen zum ganz großen Reichtum bringen kann. Was steckt dahinter?
Abgedroschene Floskeln statt Erkenntnisse
Wer Magnus’ Anzeige anklickt, landet zunächst auf seiner Website. Sie zeigt ein Kind mit Anzug und Businessblick. Unweigerlich muss man an das Jugendvideo von Christian Lindner denken (Sie erinnern sich: das mit den “dornigen Chancen”). Doch Lindner – und das soll was heißen – wirkt im Gegensatz zu Magnus fast schon seriös.
“Ich helfe Angestellten, die im Hamsterrad feststecken, durch hochpreisiges Verkaufen selbstständig und finanziell frei zu werden”, verspricht Magnus in großen Buchstaben. “Wenn du endlich aus dem Hamsterrad ausbrechen willst, dann klicke jetzt hier unten auf den Button und schaue dir das Video an!”
Für das Video will Magnus erst mal nichts außer die Angabe einer Mailadresse. Wer allerdings herausfinden will, was Magnus tatsächlich zu bieten hat, der braucht Geduld. Das angekündigte Video ist satte 23 Minuten lang, in mindestens 22 davon rattert der 14-Jährige abgedroschene Floskeln aus dem Onlinemarketing herunter. Das Wort “Hamsterrad” wird dabei in jedem zweiten Satz und damit inflationär eingestreut, damit man sich nach einigen Minuten auch endgültig schlecht fühlt.
Provision für den Verkauf von Coachings
Erst gegen Ende des Videos kommt Magnus langsam zum Punkt. Er will Interessenten mit seinem Workshop zum “Closer” machen. Das ist im Prinzip nichts anderes als ein Verkäufer am Telefon, nur schöner formuliert. Damit könne man “jedes Mal Hunderte Euro Provision pro Verkauf” verdienen.
In der Praxis sieht das etwa so aus: Ein Coach (also zum Beispiel ein Bastian Yotta oder ein Kollegah) bietet einen Lebensverbesserungskurs über das Internet an, daraufhin melden sich einige Interessenten. Weil Bastian in diesem fiktiven Beispiel aber gar nicht so viel Zeit hat, sich um alle Interessenten gleichzeitig zu kümmern, übergibt er diesen Job an einen sogenannten Closer. Dieser kontaktiert die Interessenten und schließt mit ihnen am Telefon die Verträge ab – und bekommt dafür eine Provision.
Mit anderen Worten: Wer sich für dubioses Coaching interessiert, soll jetzt am Telefon so lange eingelullt werden, bis er tatsächlich auch einen Vertrag abschließt. Am besten einen, der richtig viel Geld bringt. “Hochpreisstrategie” nennen die Gurus das.
Für die Closer liegen die Provisionen laut Magnus zwischen 10 und 20 Prozent. Die Coachings wiederum hätten Preise zwischen 2000 und 20.000 Euro. Was man letztendlich verdienen kann, das erklärt Magnus gleich mit: Mal sind es 11.000 Euro im Monat, mal sind es sogar 24.000 Euro. Mal habe er mit nur einem einzigen Abschluss satte 2000 Euro Umsatz gemacht.
Die Szene boomt
Klingt nach einem Traumjob, wenn man denn nur skrupellos genug ist. Doch wie genau kann man Closer werden? Auch da hat Magnus eine Antwort: Mit einem zugeschnittenen, aber natürlich kostenpflichtigen Coaching bei sich selbst.
Und genau so lässt sich auch das Geschäftsmodell von Magnus und vieler seiner volljährigen Kollegen beschreiben: Ihr Erfolg beruht darauf, erfolgreich von Erfolg zu erzählen. Sie verkaufen Coachings, um Closer zu coachen, die dann wiederum Coachings verkaufen oder letztendlich auch Closer coachen. Ein Hamsterrad.
Doch die Szene boomt: Nicht nur bei Magnus, sondern auf allerhand Youtube-Kanälen und Facebook-Profilen wird für die Strategie geworben. Einer der bekanntesten Closer-Gurus heißt Dominik Greger. Er hat es nach eigenen Angaben von “minus 10.000 Euro Schulden auf 1,7 Millionen Euro Umsatz geschafft”, hat selbst bereits 600 Closer ausgebildet und die Marke High End Closer beim deutschen Marken- und Patentamt sichern lassen. Heute verdient Greger nach eigenen Angaben 200.000 Euro im Monat.
Wie eine Religion
Wie groß der Markt für die sogenannten Closer tatsächlich ist und ob das Geschäft wirklich so lukrativ ist, lässt sich nur schwer überprüfen. Warum es überhaupt eine Ausbildung für einen offenbar frei erfundenen Job geben muss, ist ebenso unklar. Was am Beruf eines Telefonverkäufers so geheimnisvoll ist, dass man es nur bei Greger oder einem 14-jährigen Lindner-Double lernt – keine Ahnung.
Fest steht: Innerhalb der Closer-Szene behandelt man das Thema wie eine Religion. Auf Youtube teilen Kunden der Coachingangebote euphorisch ihre Erfahrungen. Ein Teilnehmer freut sich bereits auf seinen anstehenden fünfstelligen Umsatzmonat. Und ein 18-Jähriger ist sich sicher, es sei enorm wichtig, in sich selbst zu investieren. Er zeigt sich begeistert von den “psychologischen Triggern”, die er im Coaching von Dominik Greger kennengelernt habe. Für den Kurs habe er 2000 Euro bezahlt.
Neben Jubelgesängen stößt man in den Kommentarspalten der Plattformen aber auch auf kritische Stimmen. Hier wird der Vorwurf der Abzocke laut, viele Coaches würden mit Psychotricks arbeiten und exorbitant hohe Preise für ihre Schulungsstunden verlangen. Einer merkt an, dass man den Job des Verkäufers keineswegs innerhalb weniger Wochen mit einem Onlinecoaching erlernen könne – schließlich gehe es bei dem Job um Erfahrungen.
Die Gier nach schnellem Reichtum
Auch die Onlinemarketing-Expertin Sandra Holze hat derartige Geschäftsmodelle kürzlich auf ihrem Blog kritisiert, ohne dort explizit Namen zu nennen. Bei “geheimen Strategien”, die “siebenstellige Jahresumsätze” versprächen, sei aber generell Vorsicht geboten. Menschen, die bei sogenannten Marketingcoaches ins Training gingen, würden teilweise 20.000 oder sogar 50.000 Euro bezahlen, um deren “Strategie” zu lernen, schreibt Holze. “Dann kapieren sie schnell, dass sie allein um das Investment wieder rauszuholen, selbst auch so verrückte Preise nehmen müssen.”
Deshalb würden auch fast alle Kunden, die bei solchen Coaches lernen, später selbst im “Schnell-im-Internet-reich-werden-Business” landen. “Denn nur die Gier der Menschen nach schnellem Reichtum ermöglicht ihnen, fünfstellige Coachingpakete zu verkaufen, in denen man angeblich lernt, wie man ohne was zu können selbst schnell die Million macht”.
Mit Marketing habe das nichts zu tun, das sei “Masche”, so Holze. Und die meisten Coaches hätten außer dieser Masche gar nichts drauf.
Das Spiel mit der Angst
Doch warum bezahlen Menschen Tausende Euro für ein Coaching bei einem völlig unbekannten Trainer? Holzes Analyse: Weil sie Angst haben. “Angst vor Verlust und Angst, etwas nicht zu wissen.” Das bezeichne man auch als FOMO: “fear of missing out”.
Viele solcher Coachings spielten mit genau dieser Angst der Interessenten. Gezeigt würden Reichtümer wie das dicke Auto oder die besten Kunden. Auch künstliche Verknappung sei ein oft angewandter Trick: Man müsse sich innerhalb weniger Stunden beim Coach melden, schließlich gebe es nur noch wenige Plätze.
Und hier kommt alles zusammen. Denn mit exakt diesen Tricks spielt auch der 14-jährige Magnus. Sein Startervideo endet mit Druck, Druck, Druck – und der Aufforderung, sich möglichst bald für sein Coaching anzumelden. “Die Möglichkeit, für die nächsten Tage mit mir zu sprechen, wird nicht mehr lange verfügbar sein, deswegen trage dich jetzt unten ein”, heißt es da.
Dominik Greger arbeitet noch mit weiteren Tricks. Seine Marke High End Closer stehe für Qualität – darum lasse man da “auch nicht jeden rein”, erzählt er in seinem Video. Teilnehmer seines Kurses dürften deshalb auch keine “Volltrottel” sein. Und wer will das schon sein.
Bis 18 zum Millionär
Ob Magnus mit seinen Closings und Coachings tatsächlich so erfolgreich ist, wie er angibt, bleibt ungewiss. Im Video zeigt er einige seiner zahlenden Kunden. Einer arbeitet heute offenbar tatsächlich als Closer – der Rest ist anonymisiert.
Magnus selbst scheint derweil einen eindeutigen Plan zu haben: Auf Youtube sind einige Interviews mit ihm zu finden. In einem sagt er, er wolle mit Onlinemarketing bis zu seinem 18. Lebensjahr eine Million Euro verdienen. Dass dies vor allem mit dubiosen Telefongeschäften geschieht und auf Kosten Leichtgläubiger, das scheint ihn offenbar nicht zu stören. Probleme sind halt auch nur dornige Chancen.