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Nach Tsunami in Tonga: Mann überlebt mehr als 24 Stunden im Wasser

An der Küstenlinie von Tonga sind die Zerstörungen nach dem Tsunami zu sehen.

An der Küstenlinie von Tonga sind die Zerstörungen nach dem Tsunami zu sehen.

Nuku‘alofa. Lange war Tonga eine Inselgruppe der „Seligen“. Geschlossene Grenzen und strenge Regeln während der Pandemie hatten einen Covid-Ausbruch verhindert. Doch am Wochenende kam dann die Doppelkatastrophe: Nach dem Ausbruch eines Unterseevulkans überschwemmte ein Tsunami die tiefliegenden Inseln. Das Pazifikland erlitt große Schäden, mindestens drei Menschen kamen laut offizieller Angaben ums Leben.

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Nachdem ein Unterseekabel beschädigt wurde, war die Inselgruppe zudem über Tage von der Außenwelt abgeschnitten und nur wenige Nachrichten gelangten in den Rest der Welt. Nachdem die Kommunikationswege nun aber nach und nach wiederhergestellt werden und erste Hilfslieferungen aus Australien und Neuseeland angeliefert werden konnten, dringen mehr Details über die verhängnisvollen Stunden am Wochenende an die Öffentlichkeit.

Beim Renovieren überrascht

So überlebte ein behinderter Mann, den eine der Tsunamiwellen ins Meer gespült hatte, über 24 Stunden im Meer. Lisala Folau berichtete seine erstaunliche Überlebensgeschichte dem tongaischen Radiosender Broadcom FM. Einer der dortigen Redakteure, George Lavaka, übersetzte das Interviewtranskript und teilte es am Donnerstag auf Facebook.

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Folau, ein Tischler, der inzwischen im Ruhestand ist, sagte in dem Gespräch, dass er von seiner Insel Atata über zwei andere unbewohnte Inseln bis zur Hauptinsel Tongatapu geschwommen sei – eine Gesamtstrecke von etwa 13 Kilometern.

Folau hatte am Samstag gerade sein Haus gestrichen, als die ersten Tsunamiwellen kamen. „Mein älterer Bruder und ein Neffe kamen mir zu Hilfe“, sagte der Mann, dessen genaues Alter nicht bekannt ist. Eine Welle sei bereits durch sein Wohnzimmer gegangen und sie hätten sich in einen anderen Teil des Hauses zurückziehen müssen, als eine weitere mindestens sechs Meter hohe Welle angerollt kam. „Denken Sie daran, dass ich behindert bin“, sagte er zu dem Moderator. „Ich kann nicht richtig laufen und wenn ich laufe, glaube ich, dass ein Baby schneller ist als ich.“

Die Familie und er hätten sich auf der Ostseite des Hauses versteckt, während die Wellen aus dem Westen kamen. Dann sei er mit seiner Nichte auf einen Baum geklettert, während sein Bruder rannte, um Hilfe zu holen. In einer Ruhepause kletterten sie wieder vom Baum hinunter, doch genau in diesem Moment traf sie eine weitere große Welle und beide wurden aufs Meer hinausgeschwemmt. Das sei gegen 19 Uhr am Abend gewesen.

„Wenn das Schlimmste eintritt, bin nur ich es“

„Wir schwammen auf dem Meer und riefen uns gegenseitig zu“, berichtete der Tongaer. „Es war dunkel und wir konnten uns nicht sehen.“ Irgendwann habe er seine Nichte dann nicht mehr rufen gehört, aber er konnte seinen Sohn rufen hören. Da habe er dann jedoch beschlossen nicht zu antworten, aus Angst, dass dieser sein Leben riskieren würde, um ihn zu retten. „Die Wahrheit ist, dass kein Sohn seinen Vater verlassen kann“, sagte er. Es sei eine „schwierige Situation“ gewesen, aber er habe sich gedacht: „Wenn das Schlimmste eintritt, bin nur ich es.“

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Folau sagte, er habe sich dann überlegt, dass – wenn er sich an einen Baumstamm klammere – seine Familie im schlimmsten Fall zumindest seine Leiche finden könnte. Schließlich ließ er sich im Wasser treiben, bis er östlich der Insel Toketoke landete. Am Sonntagmorgen entdeckte er dann ein Patrouillenboot der Polizei und versuchte, dieses auf sich aufmerksam zu machen. Doch das Boot fuhr weiter, ohne dass man ihn sah. Schließlich versuchte er, zur Insel Polo‘a zu gelangen. Er schwamm gegen 10 Uhr morgens los und landete schließlich am Sonntag gegen 18 Uhr. Doch auch dort fand er keine Hilfe.

Während seines Martyriums gingen ihm immer wieder die Schicksale seiner Familie durch den Kopf – was mit seiner Nichte passiert war, die mit ihm weggespült worden war oder mit seiner Schwester, die an Diabetes leidet oder seiner jüngsten Tochter, die Herzprobleme hat. „All das schwirrte mir im Kopf herum.“ Schließlich konzentrierte er sich auf seinen nächsten Zug. „Ich war jetzt fest entschlossen, es nach Mui‘i Sopu zu schaffen.“ Sopu liegt am westlichen Rand der Hauptstadt Nuku‘alofa auf der Hauptinsel Tongatapu. Gegen 21 Uhr sei er dann tatsächlich dort angekommen und von einem vorbeifahrenden Fahrzeug mitgenommen worden. Der Fahrer habe ihn mit nach Hause genommen und in seiner Ortschaft sei man verblüfft gewesen, dass er überlebt habe.

„Ein willensstarker Mann“

Was mit seiner Nichte passiert ist und wie es dem Rest seiner Familie ergangen ist, erfährt man nicht. Doch in den offiziellen Todeszahlen ist kein jüngerer Mensch und niemand aus Atata aufgeführt. Es sollen eine 50-jährige britische Frau, eine 65-jährige Frau von der Insel Mango und ein 49-jähriger Mann von der Insel Nomuka ums Leben gekommen sein. Einer der Söhne Folaus, Talivakaola Folau, brachte in einem weiteren Facebook-Post seine Dankbarkeit zum Ausdruck, dass der Vater überlebt hat: „Eine Geschichte, die ich nie in meinem Leben vergessen werde“, schrieb der Sohn darin. Er habe weinen müssen, als er darüber nachdachte, wie sein Vater nach dem Tsunami im Meer herumgeschwommen sei. Doch sein Vater sei „ein willensstarker Mann“.

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Der heftige Vulkanausbruch am Samstag – den Forscher inzwischen als die stärkste Eruption der vergangenen 30 Jahre bezeichnen – hatte Tsunamiwellen ausgelöst, die große Teile Tongas überschwemmten und auf einigen kleineren Inseln teils sämtliche Häuser zerstörten. Tonga liegt am Pazifischen Feuerring und erfährt häufig seismische Aktivitäten. Erdbeben und Vulkanausbrüche sind keine Seltenheit. Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai, der 1800 Meter hoch und 20 Kilometer breit ist und rund 65 Kilometer nördlich von Tongas Hauptstadt Nuku‘alofa entfernt liegt, hat schon häufiger Schlagzeilen gemacht. Doch der aktuelle Ausbruch war besonders heftig. Der geologische Dienst von Tonga schrieb auf Facebook, dass Gas, Rauch und Asche von der Eruption 20 Kilometer in die Luft geschleudert worden seien.

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