Royalexperte über die Queen: „Elizabeths Rolle hat sich verändert“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TNAJEFZQMFADVDFXKXSGOZRV4E.jpeg)
Königin Elizabeth II.
© Quelle: Ben Stansall/PA Wire/dpa
Die Queen hat in jüngster Zeit Ihre öffentlichen Auftritte deutlich reduziert. Erleben wir gerade so etwas wie einen sanften Übergang des Throns auf Charles?
Elizabeths Rolle hat sich verändert. Sie ist nach wie vor sichtbar, aber sie verlagert mehr und mehr Aufgaben auf ihren Sohn Charles. Gleichwohl ist eine Abdankung sehr unwahrscheinlich. Sie hat die Verantwortung für die Nation über ihre persönlichen Interessen gestellt. Die Abdankung ihres Onkels Edward VIII. war 1936 sehr unpopulär. Elizabeth wie auch ihr Vater Georg VI. stellen das Gegenteil dieser Form der Regentschaft dar.
Wie wird sich das weiterentwickeln? Ein Quasi-König Charles unter der Obhut seiner Mutter?
Das ist für uns alle unbekanntes Territorium. Wir hatten noch nie einen so langen Monarchen in diesem Alter. Es gibt keine Blaupause dafür. Dazu kommt ja noch, dass Charles irgendwann als älterer Mann auf den Thron kommen wird, während seine Mutter damals eine junge Dame war. Das stellt neue Herausforderungen an die Monarchie.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SNU6CWBNSFBOFCOIIWBZXG4NOY.jpg)
Ed Owens ist ein britischer Historiker und Experte des Königshauses. Er ist Autor des Buches „The Family Firm“ über die Royal Family.
© Quelle: Ed Owens
Viele Länder haben sich längst von der Monarchie verabschiedet. Wie lange wird es sie in Großbritannien noch geben?
Die britische Monarchie ist die letzte bedeutende ihrer Art. Das hat auch mit ihrer Eigenschaft als Oberhaupt des Commonwealth zu tun, die Großbritannien eine besondere Stellung im weltweiten Geschehen gibt. Wenn sich die internationale Bedeutung des Commonwealth weiter verringert, wird damit auch die britische Monarchie eine weniger wichtige Rolle in der Welt spielen.
„Elizabeth übergibt Charles auch eine Reihe von Problemen“
Das British Empire scheint als solches in der Welt eher weniger wahrgenommen zu werden, nur noch in Großbritannien selbst.
Elizabeth II. hat viel investiert, um das frühere British Empire beziehungsweise den heutigen Commonwealth zusammenzuhalten. Sie hat diese Sichtweise der Welt von ihrem Vater gelernt – er war der letzte Kaiser von Indien, bevor das Land unabhängig wurde. In den vergangenen Jahren aber ist die Zeit des Kolonialismus zunehmend in Verruf geraten, unter anderem wegen der Berichte über Sklaverei. Elizabeth übergibt Charles insofern auch eine Reihe von Problemen.
Wäre der Brexit ohne die herausragende britische Rolle im Commonwealth passiert?
Ich glaube, dass die Monarchie den Briten bei der Brexit-Abstimmung Selbstvertrauen gegeben hat. Schon der Falkland-Krieg wurde zu Hause als der „größte Moment Großbritanniens“ gefeiert. Das ist ein Problem. Ohne die besondere Rolle im Commonwealth wäre vielleicht auch niemand auf die Idee gekommen, dass Großbritannien ohne ein Bündnis wie der EU auskommen sollte. Die Briten sind heute eine stark zerrissene Nation. Sollte das Vereinigte Königreich einmal beginnen zu zerbrechen, ist die Frage, was mit der Monarchie passiert.
„Die Queen wurde immer als unpolitisch betrachtet“
Die ganze Welt mag die Queen. Hätte ein König an ihrer Stelle eine ähnliche Popularität erreicht?
Auch Edward VIII. war als Thronfolger überaus beliebt, viele sahen in ihm damals die britische Antwort auf die Hollywoodstars. Als er König wurde, feierte man ihn ähnlich enthusiastisch wie 1952 Elizabeth. Die Queen hatte vielleicht den Vorteil, dass sie schon immer als Vorbild angesehen wurde – erst als Mutter, dann als Großmutter, inzwischen als Urgroßmutter. Sie war in der Lage, diese eher femininen Rollen über all die Jahrzehnte zu spielen. Politiker sahen in ihr selten eine Gefahr. Sie wurde immer als unpolitisch betrachtet. Bei früheren britischen Königen war dies anders.
Also 70 Jahre höchster Popularität?
Nicht unbedingt. Während der Katastrophe von Aberfan in Wales 1966 dauerte es eine Woche, bis die Queen den Ort des Haldenrutsches mit weit mehr als 100 Todesopfern besuchte. Auch nach dem Tod Dianas 1997 reagierte sie in einer sehr unemotionalen Weise. Beide Ereignisse zeigen, dass sie nicht in der Lage ist, auf die Gefühle ihres Volkes zu reagieren. Und auch ihr Verhalten während der Missbrauchsvorwürfe gegen ihren Sohn Andrew hat sie nicht gut aussehen lassen. Elizabeth schützte ihn lange und soll letztlich finanziell für den Vergleich aufgekommen sein. Sie stellt familiäre Interessen über die des nationalen Interesses.
Ed Owens ist ein britischer Historiker und Experte des Königshauses. Er ist Autor des Buches „The Family Firm“ über die Royal Family.
Laden Sie sich jetzt hier kostenfrei unsere neue RND-App für Android und iOS herunter