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Schlechter Gesundheitszustand

„Klassische Foltermethoden“: scharfe Kritik an Isolationshaft von Alexej Nawalny

Alexej Nawalny, russischer Kremlgegner, wird in einem Gerichtssaal per Videoverbindung aus dem Gefängnis zugeschaltet.

Alexej Nawalny, russischer Kremlgegner, wird in einem Gerichtssaal per Videoverbindung aus dem Gefängnis zugeschaltet.

Berlin. Der in Russland inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny ist trotz seines alarmierenden Gesundheitszustands erneut in eine Einzelzelle verlegt worden. Das stößt in Deutschland auf heftige Kritik. Die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), nannte Nawalnys Situation „einmal mehr extrem besorgniserregend.“ Weitere Politikerinnen und Politiker sprachen von Folter und forderten Maßnahmen gegen das russische Regime.

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Nawalny stehe auch für die Angst Putins vor einem Russland, in dem Meinungen frei und Wahlen fair sind, sagte Göring-Eckardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) am Mittwoch. „Deswegen versucht er die Stimme Nawalnys mit Haft und perfiden Schikanen zu unterdrücken und seine Gesundheit zu ruinieren“, betonte sie. Das sei völlig inakzeptabel. „Nawalny muss sofort Zugang zu medizinischer Untersuchung und umfassender Versorgung erhalten.“

Ein weiterer wichtiger Schritt der EU-Mitgliedsstaaten wäre die Unterstützung der russischen Opposition im europäischen Ausland

Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

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Die unmenschliche Behandlung Nawalnys müsse sofort aufgehoben werden, forderte eine Regierungssprecherin am Mittwoch in Berlin: „Nawalny muss sofort Zugang zu Ärzten und medizinischer Versorgung erhalten und letztendlich freigelassen werden.“ Die Bundesregierung kritisierte die Nichteinhaltung demokratischer Prinzipien und setze sich für die Einhaltung der Menschenrechte in Russland ein.

Hier sieht Renata Alt (FDP), Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, allerdings noch Luft nach oben. „Ein weiterer wichtiger Schritt der EU-Mitgliedsstaaten wäre die Unterstützung der russischen Opposition im europäischen Ausland“, sagte sie dem RND. Hier seien mehr Angebote und eine bessere Koordinierung der bestehenden Unterstützung notwendig.

Zudem sollte Deutschland anbieten, Alexej Nawalny erneut die notwendige unabhängige medizinische Versorgung zu ermöglichen, sollte dies in Russland nicht möglich sein. „Des Weiteren muss die EU gegenüber Russland endlich die Reihen schließen und geeint agieren. Der Sanktionsdruck muss weiterhin aufrechterhalten und erhöht werden. Es muss jedem klar sein, dass es mit Russland unter Putin keine Rückkehr zu normalen Beziehungen geben kann“, unterstrich die FDP-Politikerin. Die Haftmethoden könne man nur als Folter bezeichnen.

„Das Schicksal Nawalnys muss im Bewusstsein bleiben“

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky warf den russischen Behörden Folter vor. „Das perverseste Mittel, sich der inhaftierten Oppositionellen zu entledigen, ist nicht Freiheitsentzug allein, sondern das Spiel mit ihrer Gesundheit“, sagte Lagodinsky dem RND. Das zeige sich am Beispiel Alexej Nawalnys, aber auch am Beispiel von Wladimir Kara-Mursa. Diesem drohten 25 Jahre Haft, obwohl er gesundheitlich geschwächt sei und „dramatisch an Gewicht verloren“ habe. „Diese Praktiken sind keine Lappalien, sondern klassische Foltermethoden“, sagte der in der Sowjetunion geborene Lagodinsky, der beide Inhaftierten seit Jahren kennt: „Wir müssen diese Methoden auch öffentlich benennen. Wir müssen alles tun, dass das Schicksal Nawalnys und Anderer in der Weltöffentlichkeit und der Politik im Bewusstsein bleiben.“

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Nawalny war erst am Freitag aus der Isolationshaft herausgekommen und am Montag zu weiteren 15 Tagen dort eingewiesen worden, teilte das Team des Oppositionspolitikers am Dienstagabend auf dessen Telegram-Kanal mit. Zudem sei er mit weiteren Schikanen konfrontiert worden.

So sei Nawalnys täglicher Ausgang im engen Gefängnishof auf 7 Uhr morgens verlegt worden – „das ist wichtig, weil man bei einem Spaziergang am Tag im Sonnenquadrat stehen kann, wenn man Glück hat“. Den Angaben zufolge gibt es zudem neue Beschränkungen beim Kauf von Essen und für das Briefeschreiben von Nawalny.

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Der 46-Jährige sieht seine neue Einzelhaft als Strafe für eine Recherche über Korruption in der Gefängnisbehörde. Der von Nawalny geleitete Fonds für Korruptionsbekämpfung (FBK) hatte zuvor einen Beitrag über den überteuerten Ankauf von Lebensmitteln in russischen Gefängnissen veröffentlicht.

Die neuen Einschränkungen treffen einen offenbar ohnehin geschwächten Nawalny. Am Dienstag hatte sein Anwalt Wadim Kobsew mitgeteilt, dass der Oppositionelle während der letzten Einweisung in die Einzelzelle innerhalb von zwei Wochen acht Kilogramm abgenommen habe. Anschließend habe ein Krankenwagen gerufen werden müssen. Kobsew beklagte, dass Nawalny nicht behandelt werde und die Gefängnisleitung die Annahme der für ihn abgegebenen Medikamente verweigere.

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