Lass die anderen streiten: Boris Johnson verfolgt als Zuschauer den Tory-Machtkampf
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Boris Johnson verlässt die Downing Street - bald für immer.
© Quelle: IMAGO/ZUMA Wire
London. Am Sonntag saßen sich noch fünf Bewerberinnen und Bewerber um die Nachfolge von Boris Johnson als britischer Premierminister in einer Fernsehdiskussion gegenüber. Sie sollten mit Handzeichen anzeigen, ob sie dem über Skandale gestolperten Noch-Regierungschef in ihrem Kabinett einen Posten anbieten würden. Nicht eine Hand ging nach oben.
Es war der bislang eindringlichste Moment in dem mit harten Bandagen geführten Nachfolgekampf in der Konservativen Partei, die nach Johnsons klarem Wahlsieg bei der Unterhauswahl 2019 lange gewillt schien, ihrem in vielen Dingen ungewöhnlichen Frontmann alles durchgehen zu lassen. Der Moment am Sonntag machte den tiefen Fall des einst populären Johnson deutlich.
Der hat sich geradezu demonstrativ aus dem Tages- und Regierungsgeschäft zurückgezogen. Krisensitzung des Kabinetts zur Hitzewelle? Ohne Johnson. Der Premierminister besuchte am Freitag einen Luftwaffenstützpunkt und flog eine Runde in einem Typhoon-Kampfjet mit, was sein Büro dann in einem Video im Stil des Hollywood-Films „Top Gun“ dokumentierte. Das Wochenende verbrachte er im Landsitz Chequers, wo er eine Party feierte. Am Montag besuchte er die Farnborough Air Show, am Abend stand eine von seiner Partei angesetzte Vertrauensfrage im Parlament auf seinem Programm.
Steven Fielding, Professor für politische Geschichte in Nottingham, verglich Johnsons Verhalten mit dem eines „launischen Teenagers“, der „einfach macht, wozu er Lust hat und hin und wieder seine Eltern anschreit“. Wenn dem so sein sollte, so haben Medien und Öffentlichkeit das Interesse an Johnsons Eskapaden sichtbar verloren. Die Aufmerksamkeit konzentriert sich auf seine Nachfolge, und der Kampf darum wird publikumswirksam geführt.
Torys-Nachfolge: Wer folgt auf Boris Johnson als Parteichef?
Der britische Premier tritt ab, das Verfahren für seine Nachfolge läuft. Am Mittwochabend fielen erste Entscheidungen.
© Quelle: Reuters
Favorit ist derzeit Rishi Sunak, der Finanzminister unter Johnson war und mit seinem Rücktritt in diesem Monat Johnsons Fall beschleunigt hat. Seine Konkurrentinnen und Konkurrenten werfen ihm vor, in der Corona-Pandemie Milliarden für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Unternehmen ausgegeben und das mit Steuererhöhungen finanziert zu haben.
Außenministerin Liz Truss hielt in der TV-Debatte am Sonntag Sunak vor, die Steuern auf den höchsten Stand seit 70 Jahren getrieben zu haben. Er erwiderte, das sei notwendig gewesen, um die Inflation zu dämpfen. Er warf Truss, die im Fall ihrer Wahl sofortige Steuersenkungen versprochen hat, vor, mit einer „Etwas-für-nichts“-Politik hausieren zu gehen.
Die Staatssekretärin für internationale Handelsfragen, Penny Mordaunt, die sich als starke Wettbewerberin etabliert hat, hat vergebens appelliert, mit Schlammschlachten um die Johnson-Nachfolge aufzuhören. Ihre Konkurrenten stellen nun heraus, dass sie sich dafür einsetzt, dass Personen ihr Geschlecht leichter ändern können - ein umstrittenes Thema bei den Konservativen -, und sie ihre Amtspflichten wegen ihrer Bewerbung um die Johnson-Nachfolge vernachlässige.
Einer der anderen Bewerber, Tom Tugendhat, schied bei einer Abstimmungsrunde in der konservativen Parlamentsfraktion am Montag aus. Von einer anderen Bewerberin, Kemi Badenoch, wird erwartet, dass sie die nächste Abstimmungsrunde am (morgigen) Dienstag nicht übersteht. Nach den Voten am Dienstag und Mittwoch werden die beiden Finalisten feststehen, über die dann die rund 180.000 Parteimitglieder der Torys entscheiden werden. Das Ergebnis soll am 5. September bekanntgegeben werden.
RND/AP