Andreas „Bovi“ Bovenschulte macht die Sache klar
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IRXXL5567BE6TFHQTHWKWOT7WY.jpeg)
So sehen Sieger aus: Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) spricht nach der Wahl zu seinen Anhängern.
© Quelle: Sina Schuldt/dpa
Berlin. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte zeigte sich am Sonntag, wie er sich in Berlin schon nach dem Flüchtlingsgipfel bei Kanzler Olaf Scholz gezeigt hatte: entspannt und gut gelaunt. Der Sozialdemokrat ist mit 70 Prozent Zustimmung nicht nur der beliebteste Politiker der Hansestadt. Er hat nach der Wahl auch sehr gute Chancen, die Doppelstadt aus Bremen und Bremerhaven mit Grünen und Linken weitere vier Jahre zu regieren – es sei denn, Bovenschulte schwenkt, wie manche hoffen und andere fürchten, auf eine große Koalition um.
Er ließ das am Sonntagabend offen. Bovenschulte sagte, er könne sich eine Fortsetzung dieser Koalition vorstellen. Es gebe aber ebenso „gute Gründe“, mit der CDU zu sprechen. Man müsse sehen: „Was sind die Herausforderungen und wer kann die am besten gemeinsam schultern.“ Die Themen Wirtschaft und Arbeit sollten noch zentraler werden.
Beliebter Chef
2019 hatte die SPD nach Jahrzehnten erstmals das Nachsehen. Die CDU gewann die Wahl. Doch der glücklose Bürgermeister Carsten Sieling verzichtete. So durfte Bovenschulte, im niedersächsischen Hildesheim geboren, übernehmen und ein linkes Bündnis schmieden. Dabei könnte es auch nach diesem Wahlsonntag bleiben - muss es aber nicht.
Der nicht zuletzt von der Statur her mächtige Bovenschulte ist beliebt – und volkstümlich. Er spielt mehrere Instrumente und singt mitunter dazu. Damit ist der 57-Jährige das Gegenstück zum spröden Bundeskanzler und Parteifreund Olaf Scholz. Die SPD an der Weser macht sich das zunutze. Sie plakatierte mit „Bovi-Power für Bremen“.
SPD triumphiert bei Wahl in Bremen und erobert die Spitzenposition
Die Sozialdemokraten könnten laut Prognosen das rot-grün-rote Bündnis fortsetzen. Möglich wäre auch eine große Koalition mit der CDU.
© Quelle: Reuters
Wie in Berlin
Während die Linke anders als in anderen Landesverbänden geschlossen agiert, löste allein die grüne Verkehrssenatorin Maike Schaefer im Wahlkampf Debatten aus. Sie schaltete die „Brötchentaste“ ab. Diese sorgte an 78 Automaten in der Stadt für 20 Minuten kostenfreies Parken – so lang es eben dauert, schnell mal Brötchen oder anderes zu holen. Das erinnerte ein wenig an die umstrittene Entscheidung der Berliner Verkehrssenatorin und Parteifreundin Bettina Jarasch, die Friedrichstraße im Zentrum der Metropole für den Verkehr zu sperren.
Dennoch: Die CDU, die mit einem Duo aus Frank Imhoff und der ökologisch orientierten Wiebke Winter antrat, blieb 2023 abermals chancenlos. Unterdessen ersetzen die rechtspopulistischen „Bürger in Wut“ die AfD, die zwei miteinander konkurrierende Wahllisten einreichte - von denen der Landeswahlausschuss aus formalen Gründen keine akzeptierte. Die FDP wiederum kämpfte am Wahlabend mit der Fünf-Prozent-Hürde – nicht zum ersten Mal.
In der Berliner SPD-Zentrale herrschte am Sonntagabend Heiterkeit. Wie auch sonst? Generalsekretär Kevin Kühnert sagte: „Das ist ein schöner Abend für uns im Willy-Brandt-Haus.“ Und er fügte hinzu: „Wir sind sau stolz.“ Ein Grund dafür seien die deutlichen Zuwächse bei der Kompetenzzuschreibung. Partei- und Fraktionsspitzen der Linken freuten sich angesichts der Misere um die ehemalige Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht und den Kurs der Partei ebenfalls über den Bremer Lichtblick. Es ist die einzige Regierungsbeteiligung in Westdeutschland.
In der Führungsebene der Bundes-CDU machte man sich hingegen schon vor der Wahl wenig Hoffnung auf einen Machtwechsel. Deshalb schraubten CDU-Politiker die Erwartungen diesmal gar nicht erst nach oben. Die Präsidentenwahl in der Türkei sei fast wichtiger, hieß es. Denn dort entscheide sich unter anderem, wie Deutschland in der Flüchtlingspolitik weitermachen könne. Die interessanteren Landtagswahlen in diesem Jahr seien ohnehin „die Midterms“, die Wahlen in Hessen und Bayern im Oktober also, verlautete aus Führungskreisen. So nutzte auch Vizeparteichef Andreas Jung die Gelegenheit, auf „die persönliche Beliebtheit von Andreas Bovenschulte“ zu verweisen.
Grüne Krise
Bleiben die Grünen, die aus dem Urnengang geschwächt hervorgehen und wie in Berlin sogar aus der Landesregierung verdrängt werden könnten. Die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke beklagte soeben Kommunikationsdefizite mit Blick auf das geplante Gebäudeenergiegesetz, das den allmählichen Austausch von Öl- und Gasheizungen gegen Wärmepumpen vorsieht. „Niemand wird gezwungen, seine Heizung jetzt rauszureißen. Erst wenn ohnehin eine neue Heizung ansteht, greift das Gesetz“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.
Aus der Bundestagsfraktion hört man, der grüne Umgang mit den Koalitionspartnern SPD und FDP sei teilweise naiv. Man hätte wissen müssen, dass ein noch unausgegorener Referentenentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium zum Gebäudeenergiegesetz zum Schaden der eigenen Partei durchgestochen werde. Chef des Ministeriums ist Vizekanzler Robert Habeck.
Ärgerliche „Brötchentaste“
Grünen-Chefin Ricarda Lang räumte im Fernsehsender Phoenix ein: „Das Ergebnis ist enttäuschend.“ Und es habe von der Bundesebene „wenig Rückenwind gegeben“. Allerdings seien viele Themen „landesspezifisch“. Unter der Hand fehlte in führenden Parteikreisen auch der Hinweis auf die „Brötchentaste“ nicht.
Bürgermeister Andreas Bovenschulte dürfte das ziemlich egal sein. Sicher spielt er in Bremen bald mal wieder zur Gitarre. Und vielleicht singt er auch dazu. „We are the champions“ oder so.