Angriff auf die Ukraine: Bund will jetzt helfen, Geflüchtete zu verteilen
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„Das ist ein großer Kraftakt, den wir gemeinsam bewältigen werden“, sagt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) über die Aufnahme Geflüchteter aus der Ukraine (Archivbild).
© Quelle: imago images/photothek
Berlin. Die Bundesregierung will bei der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine jetzt stärker eingreifen. Statt die Einreise dem Selbstlauf zu überlassen oder Flüchtlinge in jene Länder zu bringen, die noch freie Kapazitäten melden, steuert das Bundesinnenministerium um.
All jene Geflüchteten, die nicht privat unterkommen, sondern in Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden müssen, werden künftig nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die 16 Bundesländer verteilt. Dieser Schlüssel richtet sich nach dem Steueraufkommen in den Ländern sowie nach der jeweiligen Einwohnerzahl.
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Die Einreise soll über Rzepin und Breslau in Polen nach Frankfurt (Oder) und Cottbus laufen. Ziel ist, dass nicht alle Geflüchteten in Berlin landen und Geflüchtete auf dem Weg in andere europäische Länder von Polen oder Tschechien den Luft- statt den Landweg nehmen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) dazu: „Wir verteilen jetzt nach dem Königsteiner Schlüssel diejenigen Geflüchteten auf die Länder, die nicht privat in Familien oder bei Bekannten unterkommen können. Außerdem schaffen wir sehr schnell zusätzliche Unterkünfte in Bundesimmobilien.“
„Das ist ein großer Kraftakt, den wir gemeinsam bewältigen werden“
Zugleich gebe es bereits über 300.000 kostenlose, private Übernachtungsangebote in Deutschland. Gemeinsam mit der Plattform „Unterkunft-Ukraine“, dem Deutschen Roten Kreuz und weiteren Partnern bringe der Bund aufnahmebereite Familien in Deutschland und Geflüchtete zusammen und schaffe sichere, überprüfte Unterbringungsmöglichkeiten.
„Es geht jetzt um die bestmögliche Versorgung, Unterbringung und Verteilung – sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der EU“, betonte Faeser. „Das ist ein großer Kraftakt, den wir gemeinsam bewältigen werden.“
Ukrainische Geflüchtete im Rollstuhl finden in Baden-Württemberg ein Zuhause
Roman sitzt im Rollstuhl und kommt aus der Ukraine. Er und 36 andere Menschen mit Behinderung konnten mit Unterstützung anderer Menschen fliehen.
© Quelle: epd
Die Ministerin stellte ferner klar, dass ihr Haus das Thema Sicherheit ebenfalls im Blick habe. Die Bundespolizei habe die Kontrollen an den Binnengrenzen verstärkt und kontrolliere, wenn sie Auffälligkeiten feststelle, sagte sie am Dienstag im Deutschlandfunk.
Registrierung von Geflüchteten nur bei Verbleib in Deutschland
Eine Registrierung von Kriegsflüchtlingen soll aber zunächst nur dann stattfinden, wenn sie staatliche Leistungen begehren. Wer auf der Durchreise in ein anderes Land lediglich kurz Unterkunft und Verpflegung benötige, müsse dagegen nicht erkennungsdienstlich behandelt werden, so das Ministerium.
Anfangs hatte das Ministerium bei der Verteilung auf freiwillige Solidarität unter den Ländern gesetzt. Später hieß es, Länder mit freien Kapazitäten sollten diese melden. Allerdings wurden vornehmlich aus der Stadt Berlin, wo zunächst die meisten Geflüchteten ankommen, Hilferufe und Kritik laut. Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) forderte mehr Steuerung.
Nun müssten alle Länder zusätzliche Unterbringungsmöglichkeiten schaffen, verlautet es aus Regierungskreisen. Mittlerweile sei auch nicht mehr ganz ausgeschlossen, dass Geflüchtete wie in den Jahren 2015 in Turnhallen oder ähnlichen Gebäuden untergebracht werden und dort länger bleiben müssten.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden seit Beginn des russischen Angriffs rund 160.000 Kriegsflüchtlinge in Deutschland registriert. Tatsächlich dürften es aber weit mehr sein, weil Ukrainer nach wie vor ohne Visum für 90 Tage einreisen dürfen und es an den EU-Binnengrenzen keine festen Grenzkontrollen gibt. Die Behörden haben deshalb keinen vollständigen Überblick.
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Geflüchtete aus der Ukraine kommen am Montag am Berliner Hauptbahnhof an.
© Quelle: IMAGO/Reiner Zensen
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), sagte dem RND: „Oberste Priorität ist es, den ukrainischen Flüchtlingen unbürokratisch und schnell zu helfen. Hierbei handelt es sich um einen gemeinsamen nationalen als auch europäischen Kraftakt. Eine geordnete Verteilung auf Bundesebene ist jedenfalls dann unerlässlich, wenn die Flüchtlinge eine öffentliche Unterkunft benötigen und nicht privat unterkommen.“
Die Bundesregierung habe nun erfreulicherweise eingelenkt und wie von Anfang an vom Freistaat gefordert eine gerechte Verteilung auf die Bundesländer nach Königsteiner Schlüssel sowie eine Entlastung der Hotspotregionen zugesagt.
Bayern sieht Bund in der Pflicht – Saarland bietet Kapazitäten an
Genauso wichtig sei die geordnete und faire Verteilung der Kriegsflüchtlinge auf EU-Ebene zwischen den Mitgliedstaaten, sagte Herrmann weiter. „Auch hier sehe ich die Bundesregierung in der Pflicht. In Bayern haben wir mittlerweile den Katastrophenfall ausgedehnt, um den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine besser helfen zu können.“
Darüber hinaus werde ein Koordinierungsstab in Bayern das Zugangsgeschehen insbesondere über die deutsch-tschechische sowie die deutsch-österreichische Grenze steuern und für ein geordnetes Ankunftsgeschehen sowie eine gerechte Verteilung auf alle Landkreise und Kommunen sorgen.
„Auch wenn wir die weitere Entwicklung des Krieges nicht absehen können und gemeinsam hoffen, dass der Konflikt schnell endet und die Menschen in ihre Heimat zurückkehren können, müssen wir uns auf eine dauerhafte Unterbringung einstellen“, so der CSU-Politiker. „Der Bund darf auch hier die Länder und Kommunen nicht im Regen stehen lassen.“
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sicherte dem Bund unterdessen Unterstützung zu. „Die Bundesländer reichen der Bundesregierung in dieser Krise die Hand“, sagte er dem RND. „Wir müssen sehr genau über die Verteilung der Flüchtlinge sprechen und eine gemeinsame Lösung finden. Es geht nicht, dass nur die Städte im Osten Deutschlands und die mit großen Bahnhöfen die Menschen aus der Ukraine aufnehmen. Wir brauchen eine abgestimmte Verteilung zwischen den Ländern sowie praktikable Lösungen.“ Dabei müsse der Bund koordinieren.