FDP-Chef beim Parteitag

Christian Lindner: „Warum sieht man mich nicht, ist die große Frage?“

FDP-Chef Christian Lindner spricht aus der Quarantäne in Washington zu den Delegierten des Parteitags in Berlin.

FDP-Chef Christian Lindner spricht aus der Quarantäne in Washington zu den Delegierten des Parteitags in Berlin.

Berlin. Das Gesicht des Parteivorsitzenden friert ein – ausgerechnet, als er von der Schuldenbremse spricht. Christian Lindner ist jetzt auch nicht mehr zu hören.

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Die Rede des FDP-Chefs zu den Delegierten auf dem Parteitag in Berlin findet unter ungewöhnlichen Umständen statt. Lindner ist auf einer Reise als Finanzminister in Washington positiv auf Corona getestet worden. Jetzt muss er aus der Quarantäne in der US-Hauptstadt mittels Videoschalte zur Partei sprechen.

Instabile Verbindung, stabil in der Regierung

Das geht lange gut – irgendwann hakt es technisch. „Wir versuchen es noch mal mit einem ganz tollen Applaus“, ruft die Sitzungsleitung in Berlin in den Saal – als ließe sich so die Verbindung dazu bringen, stabiler zu sein. Es funktioniert, nun ja, bedingt.

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Wer glaubt, die stockende Verbindung sei ein Sinnbild dafür, Lindner entgleite die Partei, täuscht sich. Die Partei ist Christian Lindner nicht nur in die Ampelkoalition mit SPD und Grünen gefolgt, die bis kurz vor der Wahl noch Lindner selbst kaum vorstellbar schien. Sie wählt auf seinen Vorschlag hin Bijan Djir-Sarai zum neuen Generalsekretär – mit 89 Prozent, ein sehr gutes Ergebnis. Vor allem aber gilt: Die FDP ist unter seiner Führung in Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auch ein Stabilitätsfaktor in der Bundesregierung.

Die Ukraine benötigt militärische Hilfe und sie benötigt schwere Waffen.

Christian Lindner,

FDP-Chef

Geschickt setzt der FDP-Chef in seiner Parteitagsrede eine doppelte Botschaft. Er betont, dass die Ukraine von Deutschland auch in Fragen der Lieferung von Waffen eine starke Unterstützung erhalten soll. „Die Ukraine benötigt militärische Hilfe und sie benötigt schwere Waffen“, sagt er. Die Ukraine müsse den Krieg gewinnen und sie werde ihn auch gewinnen.

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Zugleich stärkt Lindner Kanzler Olaf Scholz (SPD), der in der Frage der Waffenlieferungen zuletzt vielfach als zu zögerlich kritisiert wurde, den Rücken. „Olaf Scholz ist eine verantwortungsbewusste Führungspersönlichkeit, die sorgsam abwägt und die auf dieser Basis Entscheidungen trifft.“ Lindner erinnert daran, dass er als FDP-Chef bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages gelobt hat, Scholz habe ein „inneres Geländer“. Und er ergänzt: „Dieses innere Geländer zeigt er auch jetzt.“

Lindner bedankt sich, dass SPD und Grüne den Weg zu einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mitgehen wollen – für diese sei das schwieriger als für die FDP. Kritik an den Sozialdemokraten übt sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki. Das Bild, dass viele Vertreter der größten Regierungspartei gerade vor den Augen der Öffentlichkeit abgäben, sei keines, dass die FDP als Koalitionspartner zufrieden stellen könne. Auch die Chefin der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, macht ihrem Unmut über die SPD Luft – ebenso wie eine Reihe Delegierte. Einer ruft der SPD zu: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“

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Ovationen für Strack-Zimmermann

Stehende Ovationen gibt es für die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie ist nicht nur vor kurzem in die Ukraine gereist. Die Verteidigungspolitikerin hat auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgefordert, im Ausschuss Rede und Antwort zu stehen. Der Applaus für sie ist auch ein Signal an die SPD.

Es sind nicht die Sanktionen gegen Russland, die gegenwärtig in der Weltwirtschaft zu Risiken führen. Es ist der Angriffskrieg von Putin, der die Erholung nach der Pandemie verzögert.

Christian Lindner,

FDP-Chef

Appell an Friedrich Merz

FDP-Chef Lindner – ganz der Regierungspolitiker – knöpft sich lieber die Union vor. Er wirft Unionsfraktionschef Friedrich Merz „parteipolitisches Bodenturnen“ vor. Gemeint ist damit unter anderem die Ankündigung von Merz, für das Sondervermögen der Bundeswehr werde die Union nur mit so vielen Abgeordneten stimmen wie für eine Mehrheit unbedingt nötig. Merz‘ taktische Idee: Dann dürfte in der Ampel niemand abweichen. Lindner mahnt: Die Union, die lange die Kanzlerin gestellt und das Verteidigungsministerium innegehabt habe, müsse sich hier ihrer staatspolitischen Verantwortung stellen.

Insgesamt bleibt Lindner in seiner Rolle als Staatsmann, der – seit er Finanzminister ist – seine Fähigkeit zur rhetorischen Attacke zügelt. Dieses Bild wird bei seiner Videoschalte aus Washington zum Parteitag noch dadurch verstärkt, dass er sich – anders als sonst auf der Bühne – beim Reden nicht so viel bewegen kann.

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Lindner steht also ruhig und trägt vor. Er unterstreicht, seine Partei habe die Lockerungen in der Corona-Politik durchgesetzt. Er erneuert das Versprechen, mit ihm als Finanzminister werde es keine Steuererhöhungen geben – auch in der neuen Lage durch den Krieg mit den neuen Milliardenausgaben. Seine Botschaft zur Schuldenbremse wird zwar durch das Einfrieren der Verbindung zerrissen. Aber jede und jeder hier im Saal weiß ohnehin: Lindner besteht darauf, dass sie nicht angetastet wird.

Die Delegierten hören ohnehin nicht jeden Satz von Lindners Rede. Wenn sie applaudieren, spricht Lindner weiter. Er bekommt guten Applaus – auch wenn er ihn nicht hören kann. Es gibt Schlimmeres für einen Parteivorsitzenden. Als er später noch einmal zugeschaltet wird, bittet die Sitzungsleitung darum, ob man schauen kann, seinen Ton noch einmal zu verbessern.

Lindner hat andere Sorgen: „Warum sieht man mich nicht, ist die große Frage?“ Nach kurzer Zeit taucht er dann doch auf dem Bildschirm auf.

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