Deutsch-Polnisches Jugendwerk förderte bisher 80.000 Projekte mit drei Millionen Jugendlichen
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Junge Leute aus Deutschland und Polen im Mai bei einem vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk geförderten Treffen vor dem Schloss von Glogówek (Oberglogau) in Polen.
© Quelle: Emilia Oksentowicz/DPJW
Berlin. Nach einem pandemiebedingten Rückgang in den Jahren 2020 und 2021 kommt der deutsch-polnische Jugendaustausch jetzt neu in Schwung. Für das erste Halbjahr 2022 sind beim Deutsch-Polnischen Jugendwerk (DPJW) über 1000 Projektanträge eingegangen, von denen bisher fast 900 bewilligt wurden. Das berichteten die beiden DPJW-Geschäftsführer Stephan Erb (Potsdam) und Dariusz Pawloś (Warschau) im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Das 1991 durch die Regierungen von Deutschland und Polen gegründete DPJW fördert seit über 30 Jahren die Kontakte von Jugendlichen beider Länder, um das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen zu unterstützen. Seit der Gründung wurden rund 80.000 Projekte gefördert, an denen drei Millionen Jugendliche teilnahmen. In der Zeit vor Ausbruch der Corona-Pandemie haben etwa 2000 Projekte jährlich stattgefunden. „Diese Zahl wollen wir wieder erreichen“, sagte Pawloś.
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Die beiden Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks (DPJW), Dariusz Pawlos (links, Warschau) und Stephan Erb (Potsdam).
© Quelle: DPJW
Sonderprogramm für ukrainische Geflüchtete
Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat das DPJW ein Sonderprogramm für ukrainische Geflüchtete ins Leben gerufen, unter denen sich viele Kinder und Jugendliche befanden. „Wir haben die zeitweilige Aufnahme von Einzelpersonen oder Gruppen in Polen und Deutschland unterstützt“, sagte Pawlos, „oder auch Praktika zur Integration und Solidaritätsaktionen an Schulen, bei denen Geld oder Sachspenden für die Ukraine gesammelt wurden.“
So habe sich beispielsweise in Görlitz der 16-jährige Schüler Dustin beim Verein Offener Dialog e.V. gemeldet, mit der Idee, Hilfstransporte nach Polen zu organisieren. Drei Tage später sei es dann so weit gewesen: In Görlitz wurden Sachspenden gesammelt und dann per Transporter nach Polen geschickt. Das DPJW habe die Initiative von Dustin finanziell unterstützt, sagte Pawloś. So kämen sich Jugendliche beider Länder auch bei Hilfsaktionen näher.
Wichtige Basis für das DPJW sind die über 500 existierenden deutsch-polnischen Städtepartnerschaften. Auf diese aufbauend geht das Jugendwerk auf Schulen, Sport- und Musikvereine zu, um Projekte anzuschieben, wie Stephan Erb berichtet. „Wir versuchen auch, Potenzial an anderen Stellen zu heben, die möglicherweise von unserer Förderung noch gar nichts wissen“, sagte Erb. So gehe man beispielsweise auch auf Umweltschutzvereine zu oder auf Freiwillige Feuerwehren und Pfadfindergruppen.
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„Wahrheit für Russland“ per Radiosender: Wie ukrainische Frauen an vielen Fronten für ihr Land kämpfen
In der Ukraine engagieren sich mittlerweile 38.000 Frauen als Soldatinnen direkt im Kampf gegen den russischen Aggressor. Darüber hinaus helfen sie in der Justiz bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen oder als Journalistinnen bei der Verbreitung der Wahrheit über den Krieg.
Das schwierige Thema der deutsch-polnischen Geschichte spielt nach Erbs Worten in der Projektarbeit seit Gründung des Jungendwerks eine große Rolle. Schon vor zehn Jahren habe das DPJW das inzwischen in zweiter Auflage erschienene Handbuch „Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg“ herausgegeben, in dem deutsche und polnische Autoren in 15 Essays beschreiben, wie der Zweite Weltkrieg in beiden Ländern wahrgenommen wurde und wird.
Das sowohl auf Deutsch als auch auf Polnisch erhältliche Buch, das für Betreuungskräfte von Schul- und Jugendaustausche ebenso wie für Jugendliche selbst geeignet ist, beschreibt, wie es zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kam und wie die deutschen Okkupanten in Polen gewütet haben.
Mit dem Projekt „Wege zur Erinnerung“ fördert das DPJW die Besuche deutscher und polnischer Jugendlicher von Orten des Erinnerns und des Gedenkens an die Opfer des NS-Terrors wie Orte von Massenverbrechen, ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager sowie Erinnerungsorte für ehemalige jüdische Ghettos, Gefängnisse, „Euthanasie-“Stationen oder einstige Zwangsarbeitslager.
„Wir haben auch gute Kontakte zu den Arolsen Archives, wo Jugendliche in den Nachlässen ermordeter NS-Opfer recherchieren können, um möglicherweise noch lebende Angehörige zu finden“, erläuterte Pawloś. In der nordhessischen Stadt Bad Arolsen befindet sich ein Zentrum für Dokumentation und Forschung über die nationalsozialistische Verfolgung. Die Arolsen Archives helfen auch bei der Suche nach Familienangehörigen von NS-Opfern und bewahren Dokumente auf.
Um neue deutsch-polnische Partnerschaften zu initiieren und dabei zu helfen, bereits bestehende Kontakte zu pflegen, organisiert das Jugendwerk regelmäßig diverse Info- und Vernetzungstage sowie Kontaktbörsen in beiden Ländern. Das DPJW fördert auch das Erlernen der deutschen und der polnischen Sprache, muss hier jedoch einen Rückgang registrieren, was Pawloś als ausgebildeten Fremdsprachenlehrer für Deutsch besonders schmerzt, wie er sagt.
Weniger Polen lernen Deutsch
Während in Deutschland 2019 etwa 14.000 Schüler in öffentlichen Schulen Polnisch lernten, waren es 2020 in Polen etwa 1,9 Millionen Schüler, die Deutsch lernten. Zwar hat Polen damit ein absolutes Übergewicht, aber „wir beobachten seit einiger Zeit auch bei uns eine rückläufige Tendenz bei den Deutschlernenden“, sagte Pawloś und führt das vor allem auf die wachsende Bedeutung von Englisch in der Wirtschaft und anderen Bereichen zurück.
Auch hier hat das Jugendwerk wieder ein Handbuch herausgegeben. Unter dem Titel „Versuch‘s auf Polnisch!“ soll der kleine Sprachführer im Taschenformat helfen, erste Barrieren beim Zusammentreffen mit gleichaltrigen polnischen Jugendlichen zu überwinden. Er enthält nach Stephan Erbs Worten leichte Phrasen und Sätze, die die Kommunikation in Sachen Kultur, Freizeit und Wohnen vereinfachen sollen.
Das Deutsch-Polnische Jugendwerk ist nach nach dem Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) von der Anzahl der geförderten Projekte und der Teilnehmenden die größte Organisation dieser Art in Deutschland, wobei das DFJW auch schon seit 1963 existiert. „Außer mit Frankreich hat Deutschland mit keinem anderen Land so viele Kontakte wie mit Polen“, sagte Stephan Erb.