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Fragen und Antworten

Was Lauterbach bei der digitalen Patientenakte plant

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, rechts) legte am 9. März 2023 gemeinsam mit Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, seine Digitalisierungsstrategie vor.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, rechts) legte am 9. März 2023 gemeinsam mit Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, seine Digitalisierungsstrategie vor.

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Was ist der Kern der Reform?

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Seit 2021 müssen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Diesem Auftrag sind auch alle Kassen nachgekommen. Auf gesicherten Servern können Befunde, Diagnosen, Röntgenbilder oder Labordaten abgespeichert und mit Ärztinnen und Ärzten geteilt werden. Der Zugang für die Versicherten erfolgt über eine App auf dem Smartphone. Die digitale Akte wird aber nur angelegt, wenn sie von den Versicherten aktiv beantragt wird. Experten sprechen von „Opt-in“. Die Folge ist, dass bisher weniger als 1 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine ePA verfügen. Künftig soll das Opt-out-Prinzip gelten: Jeder Versicherte, der nicht ausdrücklich widerspricht, erhält eine digitale Patientenakte.

Was erhofft sich Lauterbach davon?

Der Gesundheitsminister geht davon aus, dass nur wenige Versicherte der Einrichtung widersprechen. Als Indiz dafür führt Lauterbach das Beispiel Österreich an, wo es eine Opt-out-Regelung gibt. Hier liegt die Widerspruchsquote bei lediglich 3 Prozent. In Deutschland könnte sie allerdings höher sein: Bei einer im zweiten Halbjahr 2022 durchgeführten Umfrage der Bertelsmann-Stiftung gaben 31 Prozent der Befragten an, sie wollten der Einrichtung widersprechen. Das offizielle Ziel des Gesundheitsministers ist es, dass bis 2025 80 Prozent der gesetzlich Versicherten über eine ePA verfügen.

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Wie soll der Zugang zur ePA funktionieren?

Lauterbach plant, dass für jeden Versicherten eine für den Gesundheitsbereich geltende digitale Identität angelegt wird. Nach der Authentifizierung soll ein Zugriff auf die App per einfacher PIN-Eingabe möglich sein. Details müssen aber noch mit den Datenschützern geklärt werden.

Kann jeder Arzt die Daten in der Akte lesen?

Grundsätzlich gilt weiterhin: Nur ein Arzt, der einen Versicherten behandelt, kann auf die Daten zugreifen. In der geltenden ePA kann der Versicherte zudem einzeln auswählen, welche Behandlungsdaten für welchen Arzt sichtbar sein sollen. Er kann zum Beispiel bestimmen, dass eine Behandlung bei einem Psychologen für andere Medizinerinnen und Mediziner unsichtbar bleibt. Wie diese Steuerung genau bei der Widerspruchslösung funktionieren soll, ist noch offen. Das muss der Gesetzentwurf zeigen.

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Nutzung der Daten für die Forschung

Was plant Lauterbach zum Thema Datennutzung für die medizinische Forschung?

Es soll eine zentrale „Datenzugangs- und Koordinierungsstelle“ aufgebaut werden, die den Zugang zu bereits vorliegenden Gesundheitsdaten ermöglicht. Dabei handelt es sich zum Beispiel um das Krebsregister oder die Abrechnungsdaten von Krankenkassen. Die Daten sollen für die Forschung verknüpft und pseudonymisiert werden, wobei sie aber weiterhin dezentral gespeichert bleiben. Universitäten oder die Industrie müssen eine Datennutzung beantragen. Auch pseudonymisierte Daten aus der digitalen Patientenakte sollen automatisch für Forschungszwecke nutzbar sein. Die Versicherten müssen nach den bisherigen Plänen Lauterbachs aktiv widersprechen, wenn sie das ablehnen.

Mit der neuen elektronischen Patientenakte können Leben gerettet werden, weil sie Ärztinnen und Ärzten sofort alle wichtigen Informationen über die zu behandelnde Person zur Verfügung stellt.

Janosch Dahmen (Die Grünen),

Gesundheitspolitiker

Welche Reaktionen gibt es auf die Pläne?

Krankenkassen und Kliniken begrüßten die Vorhaben von Lauterbach ausdrücklich. Zustimmung kam auch vom grünen Koalitionspartner. Der Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sagte, die Opt-out-Regelung sei angesichts des hohen Nutzens für die Versorgung der Patientinnen und Patienten ein verhältnismäßiger Weg. „Mit der neuen elektronischen Patientenakte können Leben gerettet werden, weil sie Ärztinnen und Ärzten sofort alle wichtigen Informationen über die zu behandelnde Person zur Verfügung stellt“, sagte er.

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Kritik kam hingegen von der Opposition. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), wandte sich insbesondere gegen die komplette Verstaatlichung der bisher von Kassen, Ärzten, Kliniken und Apotheken getragenen Gesellschaft Gematik, die alle Digitalprojekte im Gesundheitswesen verantwortet. „Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Er soll bei der Digitalisierung Leitplanken setzen, statt sich zum Monopolisten zentraler Weichenstellungen zu machen“, sagte Sorge dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Der Akzeptanz bei Ärzten, Apothekern und in Kliniken wird dieser Umbau einen Bärendienst erweisen.

Tino Sorge (CDU),

Gesundheitspolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion

„Der Akzeptanz bei Ärzten, Apothekern und in Kliniken wird dieser Umbau einen Bärendienst erweisen“, beklagte der CDU-Politiker. Er warf der SPD zudem eine „Doppelmoral“ vor, weil die forschende Pharmaindustrie nun doch einen Zugang zu medizinischen Daten bekommen soll. „In drei Digitalgesetzen der letzten Legislatur hatte die SPD genau das grundlos und mit aller Kraft verhindert – wieder und wieder, entgegen klarer Hilferufe beispielsweise aus der Krebsmedizin und von Patientenvertretern“, kritisierte Sorge.

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