100 Tage Opposition – wie CDU und CSU sich in ihrer neuen Rolle zurechtfinden
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CDU-Chef Friedrich Merz mit Abgeordneten der Unionsfraktion im Bundestag.
© Quelle: IMAGO/Political-Moments
Berlin. 100 Tage ist es her, seit die Ampelregierung angetreten ist – und damit einher geht ein weiteres Jubiläum: Die Unionsparteien sind im Bund seit ebenfalls 100 Tagen in der Opposition.
Frust über die Niederlage bei der Bundestagswahl muss bewältigt und nach 16 Regierungsjahren eine neue Rolle eingeübt werden: Man kann nicht. „Das ist nicht ganz einfach“, sagen Unionsabgeordnete. Informationswege aus Ministerien sind abgeschnitten, die Möglichkeit, Gesetzgebung mitbestimmen zu können, höchst begrenzt. „Immerhin müssen wir keine Kompromisse mit Koalitionspartnern mehr machen“, trösten sich Unionsparlamentarierinnen und ‑parlamentarier.
Mittlerweile hat sich die Union immerhin personell neu aufgestellt: Friedrich Merz hat die CDU-Führung übernommen und den Unionsfraktionsvorsitz gleich mit. Eine kräftige Oppositionsstimme.
Allerdings gibt es da nun ein Problem: Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Außenpolitik ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt – und noch mehr die Krisenpolitik. Und in Krisen richtet sich der Fokus auf die Regierung. Oppositionsarbeit ist schwierig, wenn die Lage existenziell bedrohlich wird. Die Union trägt die Sanktionen mit, sie befürwortet die Waffenlieferungen und den 100-Milliarden-Euro-Sonderetat für die Bundeswehr.
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Dennoch versucht sich die Union zu profilieren – mit Kritik und mit Angriffen auf den Kanzler. Zu Beginn des Jahres gelang es ihr, dessen öffentliche Zurückhaltung im sich da noch aufschaukelnden Konflikt breit zu thematisieren. Die Frage „Wo ist Olaf Scholz?“ machte die Runde. Auch jetzt dringt die Union wieder auf Regierungserklärungen des Kanzlers.
Man müsse ein paar Themen identifizieren, mit denen man punkten könne, und ein paar Ministerinnen oder Minister, die man angreifen könne, so beschreibt ein Unionsstratege seine Idee von Oppositionsarbeit.
Union findet Ansatzpunkte
Hohe Energiepreise und die Flüchtlingspolitik haben CDU/CSU als Ansatzpunkte gefunden. „Der Staat bereichert sich an hohen Spritpreisen“, sagen unisono Wahlkämpfer wie Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans und Bundespolitiker wie Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei.
In der Politik zu Geflüchteten wirft die Union der Regierung Organisationsversagen vor. Das Thema hat seine Tücken – die Abgrenzung zum fremdenfeindlichen Kurs der AfD ist der Union 2015 nicht gelungen, die AfD profitierte. Auch in der Finanzpolitik greift die Union an, es ist das Spezialgebiet von Merz. Die Union will gegen den Nachtragshaushalt klagen, beim höheren Bundeswehretat, den sie eigentlich befürwortet, dringt sie auf Präzisierung, wie viel Geld wofür verwandt werden soll.
Dazu passen die Angriffe auf die Ministerinnnen und Minister: Neben Scholz steht Finanzminister Christian Lindner im Fokus, über die Politik zu Geflüchteten rempelt die Union gegen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Anne Spiegel (Grüne), die ohnehin leicht angeschlagen ist wegen Fragen nach ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Landesministerin beim Ahrtal-Hochwasser im vergangenen Jahr.
So richtig hat allerdings auch die Union noch nicht ihren Kurs gefunden: Unter anderem beim Thema Gas- und Ölimportstopp aus Russland gibt es in der Unionsfraktion unterschiedliche Einschätzungen. Nach einigem Hin und Her einig ist man immerhin beim Thema Impfpflicht. Die Unionsfraktion legt am Donnerstag einen eigenen Antrag vor, der die Errichtung eines Impfregisters vorsieht. Dagegen war dem Vernehmen nach nur ein Unionsabgeordneter.