Keine Schuldenbremse und eine satte Bundeswehraufrüstung: Wer profitiert vom neuen Haushalt?
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Christine Lambrecht, Bundesministerin der Verteidigung, während der Sitzung des Deutschen Bundestages in Berlin, 03.06.2022.
© Quelle: IMAGO/photothek
Insgesamt plant der Bund für das laufende Jahr Ausgaben in Höhe von 495,8 Milliarden Euro. Das entspricht einer Neuverschuldung von rund 139 Milliarden Euro. Dieser Schritt wurde von der Opposition kritisiert: Union, Linke und AfD warfen der Ampelkoalition eine exorbitant hohe Nettokreditaufnahme und eine falsche Prioritätensetzung vor.
Die Union hält eine Senkung der Neuverschuldung um 88 Milliarden Euro für möglich. Dazu sollten Milliardenrücklagen jetzt und nicht erst in Zukunft aufgelöst sowie Einsparungen vorgenommen werden. Nicht jedes Problem in Deutschland dürfe mit Geld zugeworfen werden, sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU, Christian Haase, vor gut zwei Wochen. Das sei „ein Zeichen an die Bevölkerung, die im Augenblick viele Einschränkungen machen muss“, auch der Staat müsse an der Stelle sparen, monierte der Unionspolitiker.
Wer bekommt was?
Für das Familienministerium sieht der Bundeshaushalt in diesem Jahr Ausgaben von 12,6 Milliarden Euro vor – und damit etwa 600 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Größter Einzelposten ist das Elterngeld, das mit 7,7 Milliarden Euro zu Buche schlägt. Auf das Kindergeld und den Kinderzuschlag entfallen wie im Vorjahr 1,7 Milliarden Euro.
Darüber hinaus kann das Familienministerium noch mit zusätzlichen Mitteln in Höhe von 35 Millionen Euro rechnen, die für Ausgaben im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine reserviert sind – etwa für Integrationskurse oder zur Finanzierung der Kinderbetreuung. Aufgestockt werden sollen laut Regierungsentwurf auch die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie – und zwar von 150,5 Millionen Euro auf 183,5 Millionen Euro.
Fokus auf Bevölkerungsschutz
Unter dem Eindruck von Pandemie, Flut und dem Krieg in der Ukraine soll es zusätzliche Investitionen in den Bevölkerungsschutz geben. Das Geld soll nach den Vorstellungen der Ampelkoalition unter anderem für neue Logistikzentren und geländegängige Fahrzeuge des Technischen Hilfswerks (THW) sowie das neue Ausbildungszentrum der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung in Stralsund verwendet werden.
Die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer sagte am Donnerstag bei den abschließenden Beratungen zum Haushalt des Bundesinnenministeriums, dass die Flutkatastrophe im Ahrtal gezeigt habe, dass fehlende Warnsysteme Menschenleben kosten würden.
Kritik aus der Opposition
Die finanzielle Aufstockung für den Bevölkerungsschutz ist im Bundestag auf große Zustimmung gestoßen. Die Union forderte jedoch weitere Investitionen in dieses Ressort. Und auch für die Linke geht der Einsatz nicht weit genug. Der Abgeordnete André Hahn sagte mit Blick auf das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro, dass es gut wäre, „wenn wenigstens ein Bruchteil dieser Mittel für den Zivil- und Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt würde“.
Für den Innen-Etat sind für das laufende Jahr Ausgaben von rund 15 Milliarden Euro vorgesehen. Das ist ein Aufwuchs von rund 889 Millionen Euro im Vergleich zum Entwurf der Vorgängerregierung.
Was ist mit neuen Schulden?
Der Bundestag hat beschlossen, wegen der anhaltenden Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine erneut die Schuldenbremse im Grundgesetz außer Kraft zu setzen. Damit ermöglichte er dem Bund am Freitag, zusätzliche Kredite aufzunehmen. Ein solcher Beschluss ist nur in außergewöhnlichen Notsituationen möglich.
Schon in den beiden Vorjahren hatte das Parlament hohe Kredite erlaubt – damals wegen der Corona-Krise. Diesmal kämen noch weitreichende Auswirkungen des russischen Angriffs auf die Ukraine hinzu, argumentierte die Ampelkoalition. Daher liege weiterhin eine „außergewöhnliche Notsituation“ vor.
Für das laufende Jahr sind neue Schulden in Höhe von 138,9 Milliarden Euro geplant. Das sind rund 115,7 Milliarden mehr als das Grundgesetz eigentlich erlaubt. Mit dem Geld werden unter anderem Entlastungspakete finanziert, die die steigende Inflation und hohe Energiepreise bei den Bürgern etwas auffangen sollen.
Wer könnte profitieren?
Eindeutig das Verteidigungsministerium: Nach der Einigung zwischen der Ampelkoalition und der Union hat der Bundestag das 100-Milliarden-Paket für die Ausrüstung der Bundeswehr abgesegnet. Es gab eine breite Zustimmung des Parlaments für den Schritt, der eine Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ist. 567 Abgeordnete stimmten mit Ja – 491 wären bereits ausreichend gewesen.
Das sogenannte Sondervermögen soll über eine erforderliche Grundgesetzänderung mit einer eigenen Kreditermächtigung ausgestattet werden. Nun muss der Bundesrat noch der Grundgesetzänderung und dem Sondervermögen zustimmen.
Wie sehen die Reaktionen aus?
Die Regierungspartei SPD gibt sich zufrieden. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dennis Rohde, erklärte, dass die Bundeswehr wieder wehrhaft gemacht werden müsse. „Wir nehmen jetzt 100 Milliarden Euro in die Hand, auch um die Versäumnisse von 16 Jahren Unions-Verteidigungsminister:innen aufzuarbeiten.“
Auch der Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, unterstützt das geplante Sondervermögen. „Wir müssen diese Chance jetzt nutzen, um aus der Bundeswehr eine der modernsten Armeen der Welt zu machen.“ Dies sei ein „wichtiges Signal an die Soldatinnen und Soldaten“, sagte Dürr.
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Kritik kam von den Linken. Bundestagsmitglied Dietmar Bartsch erklärte auf Twitter, dass die Bundeswehr nicht an Geldmangel leide, sondern an Steuergeldverbrennung. „Sie leidet fort unter der Unfähigkeit von Ministern von Union und SPD.“ Aufrüstung mit Verfassungsrang sei ein historischer Fehler, Ampel und Union würden hier das Grundgesetz missbrauchen, so Bartsch.
RND/sz
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