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Die wichtigsten Fragen und Antworten

Misstrauensvotum gegen Boris Johnson: Das sind die Gründe – und die Aussichten

Bye, Boris Johnson? Der britische Premierminister muss sich am Montagabend einem Misstrauensvotum unterziehen.

Bye, Boris Johnson? Der britische Premierminister muss sich am Montagabend einem Misstrauensvotum unterziehen.

An diesem Montagabend muss sich der der britische Premierminister Boris Johnson einem Misstrauens­votum seiner Konservativen Partei stellen. Johnson selbst signalisierte Gelassenheit – und könnte, je nach Ausgang, sogar von der Abstimmung profitieren. Doch womit ist zu rechnen und was ist der Auslöser? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

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Worum geht es?

Boris Johnson ist seit Mitte April dieses Jahres der erste amtierende Premier Großbritanniens, der erwiesenermaßen gegen das Gesetz verstoßen hat. Hintergrund: Seit Winter kam Stück für Stück ans Licht, dass in Johnsons Amtssitz exzessive Partys gefeiert wurden, während der Rest der Briten lange Lockdowns absaß und sich nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden konnte.

Boris Johnson muss sich Misstrauensvotum stellen

Die „Partygate“-Affäre könnte nun doch ernsthafte Konsequenzen für Premierminister Boris Johnson haben.

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Damit verstieß Johnson, der die Feierkultur duldete und teilweise sogar mitmachte, gegen geltendes Recht und wurde im April zu einem Strafgeld verurteilt. Seitdem steht er innenpolitisch unter Druck, entschuldigte sich mehrfach, weigerte sich aber zurückzutreten – obwohl Parteikollegen das immer wieder öffentlich forderten.

Wie kam es zum Misstrauensantrag?

Johnsons Weigerung sowie der Ausbruch des Krieges in der Ukraine brachten einige Kritiker zeitweise zu der Ansicht, es sei nicht die richtige Zeit für einen Führungs­wechsel. Erst der kürzlich veröffentlichte Untersuchungs­bericht der Spitzenbeamtin Sue Gray, der den Verantwortlichen in der Downing Street ein verheerendes Führungszeugnis ausstellte, ermutigte weitere Abgeordnete dazu, einen Antrag auf Abwahl zu unterstützen.

Nötig dafür sind die Stimmen von 15 Prozent der 359 konservativen Abgeordneten im Parlament, also mindestens 54 Stimmen. An diesem Montagmorgen hatte der Chef des zuständigen Parteikomitees, Graham Brady, in London bekannt gegeben, dass diese Anzahl an Briefen von Tory-Abgeordneten eingegangen sei.

Warum kommt das Misstrauensvotum gerade jetzt?

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Beobachter halten es für denkbar, dass die letzten fehlenden Stimmen eingingen, nachdem Johnson auch aus den Reihen von Royal-Fans lautstark ausgebuht wurde, als er am Freitag mit seiner Frau Carrie zum Jubiläums­gottes­dienst an der Londoner Kathedrale St. Paul’s ankam.

London: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, gestikuliert neben seiner  Frau Carrie beim Festumzugs zum Platinjubiläum der Queen.

London: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, gestikuliert neben seiner Frau Carrie beim Festumzugs zum Platinjubiläum der Queen.

Zugleich bestätigte Brady auf Nachfrage indirekt, man habe mit der Bekanntgabe gewartet, um die Jubiläumsfeiern zu Ehren der Queen in den vergangenen Tagen nicht mit der Nachricht zu überschatten. Das Misstrauensvotum ist nun für diesen Montagabend zwischen 18 und 20 Uhr (Ortszeit) angesetzt, das Ergebnis wird nach 21 Uhr erwartet.

Wie reagierte Boris Johnson?

Seine erste Reaktion klang an diesem Montag betont siegessicher: Das Votum sei eine Chance für die Regierung, „Monate der Spekulationen zu beenden und einen Strich darunter zu ziehen“, erklärte Johnson schriftlich. Einen freiwilligen Rücktritt lehnte Johnson, der sich mehrfach für „Partygate“ entschuldigte, bislang ab. Ein Sprecher des Premierministers sagte am Montag zudem, Johnson sehe keinen Verstoß gegen den ministeriellen Verhaltenskodex, der ihm vorgeworfen wird und der als eindeutiger Rücktrittsgrund gilt.

Johnson bat in einem Brief seine Parteikollegen um ihr Vertrauen, am Nachmittag wollte er außerdem noch persönlich auf diese einreden. Was ihm außerdem in die Karten spielen könnte: Keiner seiner potenziellen Nachfolgerinnen oder Nachfolger gilt als klare, erfolgversprechende Alternative.

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Was passiert, wenn die Mehrheit gegen Johnson stimmt?

Die Abstimmung unter den 359 Abgeordneten der Partei findet am Montagabend im britischen Unterhaus statt, wie Brady mitteilte. Sollte Johnson dabei verlieren, würde er seine Ämter als Premierminister und Parteichef abgeben müssen.

Sollte Johnson abgesetzt werden, gäbe es eine Wahl für den Vorsitz der Konservativen Partei. Zu dieser würden voraussichtlich mehrere bekannte Regierungs­minister antreten. Der Johnson-Kritiker Roger Gale von der Partei sagte, „wir haben einige sehr gute Alternativen zum Premierminister, also mangelt es uns nicht an Auswahl. Jede einzelne dieser Personen wäre meiner Meinung nach ein besserer Premierminister als derjenige, den wir im Moment haben“.

Wie wahrscheinlich ist das?

Das Misstrauensvotum bedeutet nicht zwangsläufig Johnsons politisches Ende. 180 Abgeordnete müssten gegen ihn stimmen, um ihn seines Amtes zu entheben. Das gilt als hohe Hürde: Viele Tories fürchten um ihre Ämter oder Parlamentssitze bei der nächsten Wahl, zumal Johnson als begnadeter Wahlkämpfer gilt.

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Mitglieder seines Kabinetts beeilten sich am Montag auf Twitter, ihrem Premier „100 Prozent Rückendeckung“ zuzusichern und zu betonen, er habe bei den „Big Calls“, also den großen politischen Entscheidungen der vergangenen Jahre, richtig gelegen.

Allerdings positionierten sich auch prominente Stimmen gegen Johnson: So kündigte Ex‑Außenminister Jeremy Hunt – ein potenzieller Nachfolger Johnsons – an, „für Veränderung zu stimmen“. Der Anti­korruptions­beauftragte der Partei, John Penrose, gab überraschend sein Amt auf und erklärte, Johnson habe in der Affäre gegen den ministeriellen Verhaltenskodex verstoßen, was als eindeutiger Rücktrittsgrund gilt.

Was passiert, wenn Johnson die Abstimmung gewinnt?

Übersteht der Premier das Votum, darf es nach den aktuellen Regeln für die Dauer von zwölf Monaten keine erneute Misstrauens­abstimmung geben. Zumindest ein Jahr lang wäre Johnson also formell nicht angreifbar – und kann die Zeit theoretisch nutzen, seine Position zu stabilisieren.

Allerdings gilt schon die Tatsache, dass es dazu kam, als schwerer Schlag. Auch Johnsons Vorgängerin Theresa May überstand ein Misstrauensvotum – allerdings schwer politisch beschädigt. Ein halbes Jahr später war für sie Schluss.

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RND/sgey/dpa/AP

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