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Krieg und Sanktionen

Empörung in der EU: Ungarn setzt weiter auf russisches Gas

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn.

Viktor Orbán, Ministerpräsident von Ungarn.

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Brüssel. Trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine und umfassender EU-Sanktionen will Ungarn seine Energiezusammenarbeit mit Russland ausbauen. Das gab jetzt der ungarische Außenminister Peter Szijjarto bei einem Besuch in Moskau bekannt. Im Europaparlament schrillten die Alarmglocken. Abgeordnete verschiedener Parteien forderten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, die ungarische Regierung zur Besinnung zu bringen.

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+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++

Der russische Konzern Gazprom könne künftig sogar mehr Gas als ursprünglich vereinbart nach Ungarn liefern, sagte Szijjarto. Zudem werde der Preis für das Gas auf 150 Euro je Kubikmeter gedeckelt. Auch will Ungarn weiter Öl aus Russland beziehen, obwohl die übrigen EU-Staaten versuchen, sich von russischen Energielieferungen wegen des Krieges unabhängig zu machen.

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Dagegen sagte der ungarische Außenminister, der Zugang zu russischen Energielieferungen sei für die Sicherheit Ungarns von entscheidender Bedeutung – unabhängig von politischen Erwägungen im Zusammenhang mit dem Krieg. Die Kooperation sei keine politische oder ideologische Frage, sondern eine Frage der Physik, so Szijjarto. Die Zusammenarbeit mit Russland werde „für die Energiesicherheit Ungarns entscheidend bleiben“.

Ungarn deckt bis zu 85 Prozent seines Erdgasbedarfs mit Lieferungen von Gazprom. Das sind pro Jahr 4,5 Milliarden Kubikmeter. Auch stammen 80 Prozent der Rohölimporte aus Russland.

Orbán ist ein Sicherheitsrisiko für Europa.

Daniel Freund,

Grünen-Europaabgeordneter

Das Gebaren der Regierung des nationalkonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán löste Empörung bei den pro-europäischen Fraktionen im Europaparlament aus. Denn nicht nur bei den EU-Sanktionen gegen Russland drängt Orbán seit Monaten auf Ausnahmen für sein Land. Er blockiert bislang auch den Nato-Beitritt Schwedens. Ungarn ist sowohl Mitglied der EU als auch des Verteidigungsbündnisses.

Parteiübergreifend kritische Stimmen aus Deutschland

In scharfem Ton kritisierten die Europa-Grünen den Kurs des ungarischen Regierungschefs. „Orbán irrlichtert mit seinem Russland-Kurs, während die ganze EU eine klare Linie fährt. Das Problem wäre leichter zu ignorieren, wenn Orbán nicht sowohl in der EU als auch in der Nato ein Vetorecht hätte“, sagte der Europaabgeordnete Daniel Freund dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Orbán ist ein Sicherheitsrisiko für Europa.“ Nun sei endgültig der Zeitpunkt gekommen, das Verfahren voranzutreiben, um Orbán das Stimmrecht in der EU zu entziehen, sagte Freund.

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Hungarian Prime Minister Viktor Orban leaves after a yearly State of the Nation address in Budapest, Hungary, Saturday, Feb. 18, 2023. (AP Photo/Denes Erdos)

Orbans Selbstbedienungsladen

Ministerpräsident Viktor Orban führt Ungarn wie einen Selbstbedienungsladen. Seit einem Jahr hält die EU deshalb Fördergelder zurück. Das Land leidet.

„Das ungarische Verhalten mitten im Krieg ist zutiefst empörend, peinlich und unsolidarisch“, sagte der Außenpolitikexperte der Europäischen Volkspartei, Michael Gahler (CDU), dem RND: „Putin benimmt sich weitaus schlimmer in der Ukraine als die Sowjets 1956 in Ungarn. Und trotzdem zeigt Orbán durch sein Verhalten, wes Geistes Kind er ist.“ Gahler sagte, er erwarte nun „deutliche Positionierungen“ der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, des EU-Ratspräsidenten Charles Michel und des Hohen Beauftragten für die gemeinsame Außenpolitik, Josep Borrell.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), warf Orbán vor, die Geschlossenheit der EU zu hintertreiben. Orbán suche „stärker die Nähe zu Autokraten als zu den europäischen Partnern“, sagte Barley dem RND. „Trotzdem erwartet Orbán volle Geldleistungen aus Brüssel.“ Die Kommission dürfe jetzt „nicht einknicken und seine Provokationen noch belohnen“, forderte die SPD-Politikerin.

Orbán fürchtet aufgrund der steigenden Energiepreise an Popularität zu verlieren und ist deshalb nicht gewillt, auf Putins Billigenergie zu verzichten.

Moritz Körner,

FDP-Europaabgeordneter

Die Liberalen im Europaparlament sahen ein innenpolitisches Motiv. „Orbán fürchtet aufgrund der steigenden Energiepreise an Popularität zu verlieren und ist deshalb nicht gewillt, auf Putins Billigenergie zu verzichten“, sagte der EU-Parlamentarier Moritz Körner dem RND. Dem ungarischen Ministerpräsidenten sei es „wichtiger, seine Wiederwahlchancen zu erhöhen als die Quersubvention des russischen Militärs zu reduzieren“.

Ein Sprecher des ungarischen Ministerpräsidenten gab sich vorerst unbeeindruckt von der Kritik. Im Gegenteil: Er warnte die EU-Kommission davor, die ungarischen Zusatzverträge mit Moskau nicht zu genehmigen.

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