Gestürzt, vertrieben, abgeurteilt – zehn Diktatoren der Nachkriegszeit und wie sie endeten
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Ein Diktatorenquartett, böse Buben von Mao bis Ceaucescu in einer Hand.
© Quelle: Harald Stutte
Noch scheint Russlands Präsident Wladimir Putin fest im Sattel zu sitzen – doch die Anzeichen, dass sich seine Herrschaft dem Ende nähert, mehren sich. Militärisch ist die Lage verfahren, ökonomisch sieht es für Russland düster aus und auch international steht der Kreml ziemlich isoliert da. Selbst innerhalb der Führung wird immer wieder Kritik laut. Zu guter Letzt: Putins Auftritte wie sein Ausflug nach Mariupol wirken grotesk und können trotz Inszenierung Misstöne nicht ausblenden.
Wer wie Putin einen blutigen Krieg angezettelt hat, sollte sich dafür vor Gericht verantworten müssen.
Marco Buschmann,
Bundesjustizminister
Jüngst hat der Internationale Strafgerichtshof Haftbefehl gegen Putin erlassen. Das ist zunächst nicht mehr als ein formaljuristischer Akt – doch der Blick in die Nachkriegsgeschichte zeigt, dass auch scheinbar unerschütterlich stabile Herrschaftssysteme über Nacht kollabierten. Gewaltherrschern war nur in seltenen Fällen ein friedliches Lebensende vergönnt.
„Wer wie Putin einen blutigen Krieg angezettelt hat, sollte sich dafür vor Gericht verantworten müssen“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Doch wie realistisch ist das? Hier einige Beispiele aus der jüngeren Geschichte:
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US-Marines stürzen im April 2003 eine Statute Saddam Husseins in Bagdad.
© Quelle: picture alliance / AP Photo
Saddam Hussein – Todesurteil vor einem irakischen Tribunal
Dieser Tage jährte sich der Irak-Krieg zum 20. Mal. Schon damals war eine Mehrheit in der deutschen Politik und Öffentlichkeit überzeugt, dass der Krieg den Prinzipien des Völkerrechts widersprach und zudem auf offensichtlichen Lügen basierte. Was an der Tatsache lag, dass der irakische Herrscher Saddam Hussein ein Massenmörder und Kriegsverbrecher war. Er überfiel die Nachbarstaaten Iran und Kuwait, führte Krieg gegen die eigene Bevölkerung (Schiiten, Kurden) und betrieb ein System von Foltergefängnissen. Im Dezember 2003, eineinhalb Jahre nach Beginn der amerikanischen Invasion, wurde der gesuchte Ex-Diktator nahe seiner Heimatstadt Tikrit aus einem Erdloch gezogen und anschließend von einem irakischen Gericht zum Tode verurteilt.
Saddam Hussein als Gefahr für die Welt? US-Invasion im Irak jährt sich zum 20. Mal
Anfang 2003 traf der damalige US-Präsident George W. Bush die Entscheidung, den irakischen Präsidenten Saddam Hussein mit Gewalt zu stürzen.
© Quelle: Reuters
Von einem irakischen Gericht angeklagt wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, laut Human Rights Watch hatte er bis zu 290.000 Menschen ermorden lassen, starb er am 30. Dezember 2006 durch den Strang.
Muammar al-Gaddafi – Von Libyern gemeuchelt
42 Jahre lang hat Muammar al-Gaddafi an der Spitze der „Großen Sozialistischen libysch-arabischen Volksrepublik“ gestanden. Doch der anfängliche Revolutionär und Sozialreformer wandelte sich im Laufe seiner Herrschaft zum Diktator, der Gegner gnadenlos verfolgen ließ. Ungezählte Libyer und Libyerinnen verschwanden in den Jahrzehnten von Gaddafis Schreckensherrschaft, entführt und oft wohl auch getötet von den Sicherheitsdiensten oder abgeurteilt von den libyschen „Volksgerichtshöfen“.
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Der libysche Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi 2011 in der Hauptstadt Tripolis.
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Zudem schürte er Aufstände in afrikanischen Nachbarländern, unterstützte internationale Terroristen. Bei gleich mehreren Anschlägen führen die Spuren des Ursprungs in die libysche Hauptstadt Tripolis: 1986 auf die Berliner Diskothek La Belle, bei Bombenexplosionen 1988 an Bord eines US-Passagierflugzeugs über dem schottischen Lockerbie und 1989 an Bord eines französischen Flugzeugs über dem Niger.
Als 2011 der sogenannte Arabische Frühling auch Libyen erreichte, blieb Gaddafi starrsinnig. In bizarren Reden verteidigte er sein politisches Erbe und lehnte jeglichen Wandel ab. Ein Bürgerkrieg mit dem Einsatz von Massenvernichtungsmitteln drohte. Am 17. März ermächtigten die Vereinten Nationen die internationale Staatengemeinschaft zu militärischen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung. Zwei Tage später begannen die USA, Großbritannien und Frankreich mit Luftangriffen auf Gaddafis Truppen. Am 20. Oktober 2011 wurde er von oppositionellen Rebellen gefangen genommen und zu Tode misshandelt.
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Milosevic im Haager Tribunal am 31. Juli 2004.
© Quelle: picture-alliance / dpa/dpaweb
Slobodan Milosevic – Herzinfarkt in Haft
Kriege „entstehen“ nicht wie Naturereignisse, Menschen sind für Kriege verantwortlich. Dem aus sechs Teilrepubliken bestehenden sozialistischen Einparteienstaat Jugoslawien drohte Anfang der 90er-Jahre der Zerfall. Der damalige Präsident der größten und mächtigsten Teilrepublik Serbien ließ als Reaktion die Panzer der von ihm kontrollierten Armee Jugoslawiens rollen – zunächst gegen Slowenien, das aber aufgrund seiner ethnischen Homogenität und der ökonomischen Stärke schnell seine Unabhängigkeit erreichte.
Dann rollten serbisch-jugoslawische Panzer gegen Kroatien, dann gegen Bosnien-Herzegowina, schreckliche Kriegsverbrechen geschahen – wie zum Beispiel im ostbosnischen Srebrenica. Als Ähnliches auch im Kosovo drohte, griff die Nato 1999 ein und beendete die Serie von Kriegen – die ersten in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
Im Oktober 2000 führte ein Aufstand in Serbien zum Sturz von Milosevic. Reformpräsident Zoran Dindic, der später ermordet wurde, lieferte den gestürzten Diktator an den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag aus. Dort wurde gegen Milosevic wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verstößen gegen die Genfer Konventionen sowie zahlloser Deportationen verhandelt. Am 11. März 2006 erlag der damals 64-Jährige in seiner Zelle einem Herzinfarkt.
Augusto Pinochet – Gestorben im Hausarrest
Mit amerikanischer Hilfe putschte der chilenische General Augusto Pinochet im September 1973 die demokratisch legitimierte chilenische Regierung des Sozialisten Salvador Allende weg und etablierte eine brutale Militärdiktatur, die im Zuge des „globalen Frühlings“ der Demokratie 1990 endete.
Obwohl bis zu 4000 Menschen ermordet wurden, etliche spurlos verschollen sind, zudem etwa 20.000 Menschen außer Landes vertrieben wurden, tut sich Chile bis heute mit der juristischen Aufarbeitung des Diktaturerbes schwer. 2001 wurde ein Prozess gegen Pinochet eröffnet, er wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen für nicht verhandlungsfähig erklärt. In seinem privaten Haus in der Hauptstadt Santiago stand er fortan unter Hausarrest. Im Dezember 2006 starb der Diktator, ohne dass er für die Verbrechen während seiner Herrschaftszeit je verurteilt wurde.
Ferdinand Marcos – Der Kleptokrat floh nach Hawaii
20 Jahre lang, von Dezember 1965 bis Februar 1986, regierten Ferdinand Marcos und sein Clan die Philippinen diktatorisch. Rund 30.000 Menschen, darunter Oppositionelle, Studierende, Journalistinnen, Journalisten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, wurden in Militärlagern inhaftiert. Unter allen Diktatoren gilt Marcos bis heute als einer der skrupellosesten – Kleptokraten, Freunde, Verwandte und Imelda, die Frau des Diktators, stahlen und transferierten Millionen Dollar ins Ausland.
Das Ende der Diktatur begann 1986, als Marcos einen prominenten Kritiker bei seiner Rückkehr am Flughafen von Manila erschießen ließ. Der Trauerzug wurde zum Massenprotest gegen die Diktatur. Die anschließende Flucht der Familie war der Auftakt für die philippinische Demokratie. Marcos durfte sein Leben friedlich im Exil auf Hawaii beenden, wo er am 28. September 1989 starb.
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Der rumänische Staats- und Parteichef Nicolae Ceausescu im Oktober 1984 mit seiner Frau Elena bei einem Besuch in Deutschland.
© Quelle: picture alliance / dpa
Nicolae Ceaușescu - Erschossen nach kurzem Prozess
Innerhalb der Riege der grauen Ostblock-Apparatschiks galt der Rumäne Nicolae Ceaușescu als bizarre Erscheinung. Denn er beherrschte sein bettelarmes Land von 1965 bis 1989 wie ein royaler Despot, weshalb er im Westen auch gern als kommunistischer Dracula bezeichnet wurde.
Er plünderte das Land, verfolgte gnadenlos Kritiker und ließ sich mit Wendungen wie „Titan der Titanen“ oder „unversiegbarer Quell der Weisheit“ huldigen. Angesichts der Auflösungserscheinungen der Diktaturen im Ostblock Ende 1989 wollte sich Ceaușescu gemeinsam mit seiner Frau noch einmal von einer herangekarrten Menge von 100.000 Menschen in Bukarest bejubeln lassen. Als sie registrierten, dass die Stimmung der Massen kippte, ließen sie sich von herbeibeorderten Helikoptern evakuieren.
Nach bürgerkriegsähnlichen und verlustreichen Gefechten, die sich sein gefürchteter Geheimdienst Securitate mit Aufständischen lieferte, wurde das Herrscherpaar nach seiner Inhaftierung durch Soldaten und einem Schnellverfahren am 25. Dezember 1989 hingerichtet – als im TV ausgestrahltes Signal an die Verteidiger, dass die Zeit der Diktatur vorbei sei.
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Francisco Franco – Unbehelligt bis ans Lebensende
Fast 40 Jahre Regentschaft in Spanien verdankte General Francisco Franco vor allem der tatkräftigen militärischen Unterstützung durch den deutschen Diktator Adolf Hitler und den Italiener Benito Mussolini.
1936 putschte Franco gegen die demokratische Regierung der spanischen Republik und errichtet nach seinem Sieg im Bürgerkrieg eine faschistische Diktatur, die sich am Wesen seiner deutschen und italienischen Mentoren ausrichtete: Zunächst ließ er mehrere Hunderttausend vermeintliche und tatsächliche Gegner exekutieren.
Rund 1,5 Millionen politische Häftlinge verschwanden in 190 Konzentrationslagern. Am Weltkrieg beteiligte sich Spanien nicht, sodass die Diktatur auch die Nachkriegszeit überlebte – bis Franco am 20. November 1975 im Alter von 82 Jahren unbehelligt starb. Bis heute streitet Spaniens über den Umgang mit dem Erbe der Diktatur – zu einer juristischen Aufarbeitung kam es nie.
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Der damalige chinesische Staatsführer Mao Zedong im Jahr 1967.
© Quelle: UPI/dpa
Mao Zedong – Nur seine Gefolgsleute wurden bestraft
Gemessen an den Zahlen der Todesopfer war Chinas Führer Mao Zedong der wohl grausamste Diktator der Nachkriegszeit: Mao wird insgesamt für 40 bis 80 Millionen Tote verantwortlich gemacht, die aufgrund von vermeidbaren Hungersnöten, Bestrafungsaktionen und politischen Säuberungen vor allem während der sogenannten Kulturrevolution (1966 bis 1976) starben.
Bestraft für das Grauen, dessen Ausmaße sich erst nach Maos Tod 1976 allmählich abzeichneten, wurden Maos „politische Erben“ seine Witwe und ehemalige Weggefährten. Eine wirkliche Distanz zum roten Terror unter Mao gibt es in der Volksrepublik China bis heute nicht.
Pol Pot – Gestorben im Buschversteck
Wie Kartenhäuser fielen nach dem Abzug der Amerikaner und dem Sieg des kommunistischen Nordens in Vietnam Mitte der 70er-Jahre die prowestlichen Systeme Indochinas in sich zusammen.
Auch Kambodscha, ein bis dato klug regiertes und intaktes Land, war als Folge des Vietnam-Krieges und amerikanischer Bombardierungen zu einer leichte Beute kommunistischer Rebellen geworden. Mit ihrem Sieg etablierten die sogenannten Roten Khmer in Kambodscha zwischen 1975 bis 1979 eine Schreckensherrschaft, die in der Menschheitsgeschichte ihresgleichen sucht: Zwischen 750.000 und mehr als zwei Millionen Menschen kamen durch Hinrichtung in den sogenannten Killing Fields, durch Zwangsarbeit, Hunger und mangelhafte medizinische Versorgung ums Leben – bei einer Gesamtbevölkerung von ungefähr acht Millionen.
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Städte wurden entvölkert, die Stadtbevölkerung wurde zur Landarbeit gezwungen, wer eine Brille trug galt als intellektuell, was einem Todesurteil gleichkam. An der Spitze der als Steinzeitkommunisten bezeichneten Bewegung stand ein Mann, der einst in Frankreich Radioelektronik studiert hatte: Pol Pot, in seinem Reich auch „Bruder Nummer eins″ genannt.
Erst eine Invasion durch den ebenfalls kommunistischen Nachbarn Vietnam beendete Anfang 1979 das Schreckensregime. Pol Pot starb im April 1998 im thailändisch-kambodschanischen Grenzgebiet, wo er seit fast 20 Jahren einen Guerillakrieg gegen die neue Regierung führte, vermutlich eines natürlichen Todes. Seine Auslieferung stand unmittelbar bevor. Die UN hatten erst in den 1990er-Jahren mit der juristischen Aufarbeitung begonnen und das Rote-Khmer-Tribunal eingerichtet.
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Der ugandische Staatschef Idi Amin im Februar 1972 in Hamburg. Amin, der von 1951 bis 1960 Ugandas Boxmeister im Halbschwergewicht war, erreichte 1961 als erster schwarzer Soldat Ugandas Offiziersrang. Mit einem Staatsstreich riss er 1971 die Macht an sich und übte bis zu seiner Flucht 1979 eine Schreckensherrschaft aus. Rund 300.000 Menschen sollen, nach Schätzungen von Amnesty International, seinem Terrorregime zum Opfer gefallen sein.
© Quelle: picture-alliance / dpa
Idi Amin – Tod im saudischen Exil
In Uganda herrschte Diktator Idi Amin von 1971 bis 1979. Er gilt als einer der schrecklichsten Schlächter des afrikanischen Kontinents. Zwischen 300.000 und 400.000 Menschen fielen nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen seiner achtjährigen Gewaltherrschaft zum Opfer. Amin ließ nach Augenzeugenberichten die Leichen seiner Opfer, weil Massengräber nicht kurzfristig angelegt werden konnten, den Krokodilen im Viktoriasee zum Fraß vorwerfen.
Amins Herrschaft endete am 11. April 1979, als tansanische Truppen, deren Land der Diktator zuvor angegriffen hatte, zusammen mit einer ugandischen Exilarmee die Hauptstadt Kampala eroberten. Zu einer juristischen Aufarbeitung seiner Herrschaftszeit kam es nicht, Saudi-Arabien gewährte dem Schlächter von Afrika, wie Amin titulierte wurde, Exil. In einer Villa in Dschidda starb er am 16. August 2003 an Bluthochdruck und Nierenversagen.