„Hindenburgdamm“

Der Totengräber der Weimarer Demokratie als Namensgeber für die Bahnstrecke nach Sylt?

Das Foto zeigt die Begrüßung Hindenburgs durch den Reichskanzler Adolf Hitler im Februar 1934.

Das Foto zeigt die Begrüßung Hindenburgs durch den Reichskanzler Adolf Hitler im Februar 1934.

Westerland/Niebüll. In regelmäßigen Abständen flammt die Debatte um eine Umbenennung des Bahndammes nach Sylt auf. Die Deutsche Bahn führt das Bauwerk offiziell unter der schnöden Nummer 2010. Seit Generationen eingebrannt in den kollektiven Sprachgebrauch hat sich hingegen der Name „Hindenburgdamm“.

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„Die einzigen Eisenbahnbauwerke, die offiziell getauft werden, sind Tunnel“, sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn der Deutschen Presse-Agentur. Das Bauwerk zwischen Festland und Insel sei ein Abschnitt der Strecke Elmshorn – Westerland und trage wie jede Strecke der Deutschen Bahn eine interne Nummer.

Dass sich die Bezeichnung „Hindenburgdamm“ in den Sprachgebrauch eingebürgert hat, rührt wahrscheinlich aus der Gegebenheit, dass der damalige Reichspräsident Paul Hindenburg bei der Eröffnung der Dammes 1927 anwesend war. Und der damalige Reichsbahn-Chef Julius Dorpmüller in seiner Rede Hindenburg huldigte und befand: Auf dessen Namen „wollen wir“ den neuen Damm taufen - „er heiße „Hindenburgdamm““.

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 Ein Autozug der Deutschen Bahn fährt über den Hindenburgdamm auf die Nordseeinsel Sylt. In regelmäßigen Abständen flammt alle Jahre wieder die Debatte um eine Umbenennung des Bahndammes nach Sylt auf.

Ein Autozug der Deutschen Bahn fährt über den Hindenburgdamm auf die Nordseeinsel Sylt. In regelmäßigen Abständen flammt alle Jahre wieder die Debatte um eine Umbenennung des Bahndammes nach Sylt auf.

Ein Porträt des Generalfeldmarschalls (1847-1934) hing einst in Amtsstuben und privaten Wohnungen. Im Kaiserreich und später in der ersten deutschen Demokratie zwischen den Weltkriegen wurde Hindenburg als Held gefeiert, was vor allem darin begründet liegt, dass der bereits pensionierte General zu Beginn des Ersten Weltkriegs aus dem Ruhestand geholt wurde und als Oberbefehlshaber einer zahlenmäßig unterlegenen Armee in Ostpreußen die bereits eingefallenen russischen Streitkräfte vernichtend schlug.

Aus dem kauzigen preußischen General war der „Held von Tannenberg“ und Retter Ostpreußens geworden. Der Mythos, der ihn fortan umgab, führte dazu, dass Hindenburg und sein Stabschef Erich Ludendorff ab 1916 an die Spitze der Obersten Heeresleitung berufen wurden - und damit zu den eigentlichen Herrschern im Kaiserreich aufstiegen, während der Kaiser längst in die zweite Reihe getreten war.

Mitbegründer der „Dolchstoßlegende“

In dieser Funktion baten sie im November 1918, inzwischen ließ sich der militärische Zusammenbruch nicht mehr aufhalten, die Reichsregierung dringend um Friedensgespräche - leugneten das aber Jahre später und nährten so die Mär von der „Dolchstoßlegende“, einem Deutschland also, dem - unbesiegt im Felde - in der Heimat der Dolch in den Rücken gestoßen worden sei - von Linken, Juden und Berufsrevolutionären.

In der Weimarer Republik wurde Hindenburg auf Grund seiner Symbolkraft und seiner integrativen Aura von einem demokratischen Parteienbündnis gebeten, sich als Reichspräsident wählen zu lassen, obwohl der alte Militär ein erklärter Gegner der demokratischen Staatsform war. Dieser erwies er auch einen Bärendienst, als er im Januar 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte - und der Demokratie damit letztendlich den Todesstoß versetzte.

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Anwohner wehren sich gegen die Umbenennung der Hindenburgstraße im Zooviertel.

Anwohner haben sich gegen die Umbenennung der Hindenburgstraße im Zooviertel von Hannover gewehrt.

In vielen deutschen Städten - etwa Lübeck und Kiel - wurden nach Hindenburg benannte Straßen und Plätze nach zum Teil langen und kontroversen Debatten in den vergangenen Jahren daher umbenannt Beim Damm nach Sylt ist dies komplizierter. Es gibt kein offizielles Namensschild an der Strecke, das einfach ersetzt werden könnte.

Sinn dieser Resolution kann nur sein, dass von Seiten der öffentlichen Träger der Begriff „Hindenburgdamm“ nicht mehr benutzt wird.

Stephan Wiese,

Grüner Ortsverband Südtondern

Unter anderem die Grünen im Amt Südtondern - zu dem die Stadt Niebüll gehört, in der die Autozüge nach Sylt starten - haben daher eine andere Idee. „Wir möchten eine Sensibilisierung der öffentlichen Ämter, Behörden und Institutionen erreichen, dass der Name "Hindenburg" aufgrund seiner geschichtlichen Umstrittenheit nicht mehr benutzt wird“, sagte Stephan Wiese von Grünen Ortsverband Südtondern der dpa. Mittelfristig sei geplant, eine entsprechende Resolution in den Kreistag Nordfriesland einzubringen. „Sinn dieser Resolution kann nur sein, dass von Seiten der öffentlichen Träger der Begriff "Hindenburgdamm" nicht mehr benutzt wird in der Hoffnung, dass sich das auch auf den "Volksmund" übertragen wird.“

Umbenennung überfällig

Roland Klockenhoff vom Ortsverband Insel Sylt der Grünen, sagte dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag, der vor einiger Zeit über den Vorstoß aus Südtondern berichtet hatte, es sei ein Thema, aber „wir stecken unsere Energie mehr in die Gegenwartsprobleme wie das Beherbergungskonzept, die Bettensteuer und den Radverkehr auf der Insel“.

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Dennoch sei man der Meinung, „dass der Name „Hindenburgdamm“ überfällig ist“. Es gehöre zu den Benimmregeln, so wie man heute Schokokuss sage – letztendlich gehöre es sich nicht mehr.

Der Lübecker Psychotherapeut Karl-Heinz Haase, der zugleich Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft ist, sieht indes auch die Medien, die oft noch von „Hindenburgdamm“ sprechen und schreiben, in der Pflicht: „Sie sorgen dafür, dass sich die nichtoffizielle Namensgebung weiterhin in den Köpfen festsetzt. Dabei wäre der Wechsel auf ‚Syltdamm‘ völlig unproblematisch. Jeder würde das verstehen.“

RND/dpa/stu

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