Wie viel teurer wird unser Gas? Was Sie jetzt zur Gasumlage wissen sollten
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Der Gasverbrauch wird auf einem Gaszähler eines privaten Haushaltes angezeigt.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Berlin. Am Montag wurde die Höhe der Gasumlage zur Rettung systemrelevanter Gasimporteure verkündet. Verbraucher müssen mit erheblichen Mehrkosten rechnen. Die Umlage kommt ab Herbst, die Höhe wurde am Montag bekanntgegeben. Doch viele Fragen sind noch offen.
Wie hoch wird die Gasumlage?
Die Höhe der Gasumlage ab Oktober wird 2,419 Cent pro Kilowattstunde betragen. Das teilte der sogenannte Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe, ein Gemeinschaftsunternehmen der Gas-Fernleitungsnetzbetreiber mit, das die genaue Höhe der Umlage berechnet. Das Wirtschaftsministerium ging zuletzt von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattstunde aus. Die Umlage müssen alle Gasverbraucher, Firmen wie Privathaushalte, zahlen.
Das Vergleichsportal Verivox errechnete für diese Spanne für einen Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 5000 Kilowattstunden Mehrkosten zwischen 89 und 298 Euro. Ein typischer Pärchenhaushalt würde demnach mit 214 bis 714 Euro belastet, eine Familie im Einfamilienhaus (20.000 Kilowattstunden Verbrauch) mit 357 bis 1190 Euro. Darin ist die Mehrwertsteuer enthalten.
Höhe der Gasumlage: Scholz hofft auf „bewältigbare Aufgabe“ für die Bevölkerung
Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine Hoffnung erneuert, dass die Kosten der kommenden Gasumlage für die Bevölkerung eine „bewältigbare Aufgabe“ werden.
© Quelle: Reuters
Dazu kommen marktgetriebene, teilweise drastische Preissteigerungen, die schrittweise bei den Kunden ankommen. Viele Menschen sind betroffen, denn etwa die Hälfte aller Wohnungen in Deutschland wird mit Gas beheizt.
Wann kommt die Gasumlage bei den Verbrauchern an?
Die Umlage gilt ab 1. Oktober – sie werde aber nicht unmittelbar auf den Rechnungen sichtbar werden, sondern mit etwas Zeitverzug, so das Wirtschaftsministerium. Es gebe aus Verbraucherschutzgründen Ankündigungsfristen im Energiewirtschaftsgesetz von vier bis sechs Wochen, die eingehalten werden müssten. Daher werde die Umlage wahrscheinlich erstmals im November/Dezember auf den Rechnungen ausgewiesen werden. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) rechnet allerdings damit, dass einige Versorger die Umlage schon ab dem 1. Oktober ihren Kunden in Rechnung stellen werden.
Die Umlage wird laut Ministerium monatlich abgerechnet und kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte Russland seine vertraglich zugesicherten Mengen wieder vollumfänglich erfüllen, werde die Preisanpassung auf null gesetzt. Die Höhe der Umlage hängt also wesentlich von Umfang und Preis des als Ersatz beschafften Gases sowie von der Nachfrage ab. Je höher der Ausgleich für die Importeure, desto höher auch die Umlage.
Warum ist die Gasumlage überhaupt nötig?
Gasimporteure haben Lieferpflichten gegenüber ihren Kunden, vor allem gegenüber Stadtwerken. Die Importeure können diesen Lieferpflichten nur gerecht werden, indem sie die ausgefallenen Mengen aus Russland durch den Kauf deutlich teurerer Mengen am Kurzfristmarkt ersetzen. Bisher können diese Mehrkosten nicht weitergegeben werden. Die Folge: Bei Importeuren sind erhebliche Verluste entstanden, der Fortbestand der Unternehmen kann gefährdet werden. Deswegen hat der Bund mit dem Versorger Uniper ein milliardenschweres Rettungspaket vereinbart.
Zugleich beschloss die Bundesregierung auch, die Umlage auf alle Gaskunden anzuwenden. Die Alternative wäre gewesen, den finanziellen Ausgleich für die Importeure über den Staatshaushalt zu finanzieren. Dies wäre aber mit „erheblichen Belastungen“ des Etats verbunden, heißt es in der Verordnung. Politisch setzt die Bundesregierung außerdem ein Preissignal: Gassparen lohnt auch finanziell.
Wie funktioniert die Gasumlage?
Kern sind Ausgleichszahlungen an die Gasimporteure. Sie sollen ausreichen, um Insolvenzen zu verhindern, wie es heißt. Mit der Umlage sollen „weitere massive Preissteigerungen durch den insolvenzbedingten Ausfall für den Markt wichtiger Gasimporteure“ verhindert werden.
Der finanzielle Ausgleich für betroffene Gasimporteure ist zeitlich beschränkt auf die Erfüllung von vertraglichen Lieferverpflichtungen vom 1. Oktober 2022 bis zum 1. April 2024. Bis Oktober tragen laut Ministerium die betroffenen Gasimporteure alle Kosten für die Ersatzbeschaffung allein. Danach tragen sie 10 Prozent der Kosten dauerhaft selbst.
Für die Berechnung der Umlage gibt es eine komplexe Formel, die unter anderem den Unterschied zwischen dem vertraglich vereinbarten und dem aktuellen Einkaufspreis berücksichtigt. Die Höhe der Mehrkosten muss von Wirtschaftsprüfern testiert werden. Der Ausgleich erfolgt laut Ministerium über die Gaslieferanten, die die Kosten in aller Regel an ihre Kunden weitergeben werden.
Welche offenen Fragen gibt es?
Ein Problem ist, wie mit Kunden mit Festverträgen umgegangen wird. Aus dem Ministerium hieß es bisher nur, dies werde geprüft. In einem Brief an Habeck warnten der BDEW und der Verband kommunaler Unternehmen, eine Preisanpassung gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungsmöglichkeit könne bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr.
„Die Folge wäre, dass die Unternehmen zwar die Umlage an den Marktgebietsverantwortlichen zahlen müssen, diese aber nicht sofort von den Letztverbrauchern erstattet bekommt“, heißt es in dem Brief. Bei Festpreisverträgen und in der aus Gas erzeugten Strom- und Fernwärmeversorgung drohe ein Totalausfall, wenn die Umlage vertraglich nicht weitergegeben werden könne. „Dadurch entstehen erhebliche Liquiditätsprobleme bei den Energieversorgern, die wegen der ohnehin angespannten Finanzsituation auch zur Insolvenz führen können.“
Wie ist es mit der Mehrwertsteuer?
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Mitte August eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas angekündigt. Den Menschen sollten keine zusätzlichen Kosten aus der obligatorischen Mehrwertsteuererhebung auf die Gasumlage entstehen, dies sei der gemeinsame Konsens der Bundesregierung, sagte er. Die Bundesregierung wolle deshalb für einen befristeten Zeitraum einen niedrigeren Mehrwertsteuersatz auf Erdgas verlangen.
Die Steuer wird vorübergehend von bisher 19 auf 7 Prozent reduziert. Die Senkung soll so lange gelten, wie die Gasumlage erhoben wird.
Welche staatliche Umlage kommt noch?
Neben der Beschaffungsumlage kommt im Herbst noch eine Gasspeicherumlage in Höhe von 0,059 Cent. Diese soll der Trading Hub Europe die Kosten ersetzen, die ihr zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit entstehen, also für den Einkauf von Gas. Zudem sollen ab dem 1. Oktober eine Bilanzierungsumlage in Höhe von 0,57 Cent pro Kilowattstunde sowie eine Konvertierungsumlage 0,038 Cent pro Kilowattstunde erhoben werden - diese beiden Umlagen sind allerdings nicht neu. Sie können zudem alle zwölf Monate angepasst werden.
Inwiefern plant die Bundesregierung zusätzliche Entlastungen?
Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte am Donnerstag, die Regierung werde die Bürgerinnen und Bürger nicht alleine lassen. So soll es zu Beginn des kommenden Jahres eine deutliche Ausweitung des Wohngelds geben, auch ein dauerhafter Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Haushalte ist geplant. Finanzminister Lindner plant steuerliche Entlastungen, sein Konzept aber ist in der Koalition umstritten. Teile der SPD und der Grünen nennen sie sozial unausgewogen.
RND/dpa