Von Tag zu Tag weniger Argumente für eine Impfpflicht
Der Bundestag debattiert an diesem Donnerstag erstmals über die verschiedenen Anträge für und gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht.
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Berlin. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Natürlich wäre es sinnvoll, wenn sich alle Menschen in diesem Land gegen das Coronavirus impfen lassen würden. Doch Deutschland ist ein Rechtsstaat, in dem nicht alles, was wünschenswert erscheint, auch machbar ist. Dazu gehört eine allgemeine Impfpflicht gegen das Coronavirus.
Infektionszahlen oben, Auslastung überschaubar
Mit jedem Tag zeigt sich mehr, dass ein derartiger Eingriff in das hohe Gut der körperlichen Unversehrtheit nicht rechtens wäre. Die Infektionszahlen sind so hoch wie nie, aber die Auslastung der Intensivstationen ist überschaubar.
Die Impfung senkt zwar nachweislich das Risiko, schwer zu erkranken oder gar zu sterben. Sie schützt aber nicht sicher davor, andere anzustecken, womit auch keine Herdenimmunität erreicht werden kann. Wenn es aber nur um den eigenen Schutz geht und auch keine Überlastung der Kliniken droht, ist eine Impfpflicht zumindest derzeit weder verhältnismäßig noch erforderlich oder geeignet.
Österreich handelt richtig
Die österreichischen Nachbarn haben das erkannt und die gerade erst eingeführte Pflicht wieder ausgesetzt. Die dortige Expertenkommission hält allerdings eine spätere Impfpflicht für sinnvoll und begründet das überzeugend mit dem Argument, es komme auf den Zeitpunkt der Impfung an.
Impfe man zu früh, verpuffe ein wesentlicher Teil der neu erworbenen Immunität. Außerdem: Zum jetzigen Zeitpunkt weiß niemand, welche Virusvariante im Herbst kommt und welcher Impfstoff dann notwendig sein wird.
Es ist daher ein Zeichen der Vernunft, dass im Bundestag keine Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht absehbar ist. Ärgerlich ist, dass die Union mit ihren parteitaktischen Spielchen verhindert, einen vernünftigen Kompromiss zu finden: Der Aufbau eines Impfregisters wäre in jedem Fall richtig. Dieser Datensatz ist Voraussetzung dafür, später in einem klar definierten Notfall doch eine Impfpflicht verhängen zu können.