Doha in Katar vor der Fußball-WM: Heiße Stadt mit kaltem Herzen
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Die Skyline von Doha, Hauptstadt des Emirats Katar.
© Quelle: Christian Charisius/Deutsche Pre
Doha (Katar). Wer jetzt nach Doha kommt, der sieht sie noch an Straßenecken oder Mittelstreifen stehen: Namenlose Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen aus Nepal oder anderen Ländern Südasiens, die – mit gelben Warnwesten versehen – die letzten kleinen Baustellen räumen.
Eigentlich, so scheint es, ist längst alles picobello in der Hauptstadt des Emirats Katar, in dem in bald drei Wochen die Fußball-Weltmeisterschaft beginnt. Hier ließen sich auf Gehwegen Spiegeleier braten, nicht allein der Hitze wegen. Doch es scheint, als würden sie trotz allem noch mal die Tischdecke glatt ziehen, bevor die Gäste kommen. Und das ist nicht das Einzige, was auffällt.
Da ist zunächst das Klima. Als wir vor dem Stadion, in dem am 18. Dezember das WM-Finale steigt, aus dem Bus treten, misst das Thermometer 33 Grad Celsius. Dem Gefühl nach sind es aber 38 oder mehr. Als stünden wir vor einer Wand aus heißer Luft. Und das am 1. November. An einem 1. Juli unter diesen Bedingungen ein solches Stadion hochzuziehen – unbegreiflich. Dennoch ist es geschehen. Die goldene Ummantelung zeugt davon.
Wolkenkratzer zeigen den Reichtum an
Dann springt die Skyline ins Auge. In Downtown Doha reiht sich ein Wolkenkratzer an den nächsten, und keiner ist wie der andere. Nachts leuchten sie alle zusammen wie ein Weihnachtsbaum. Überhaupt gibt es unzählige Gebäude in der Stadt, die den Eindruck erwecken, der jeweilige Architekt habe mit ihnen einen Wettbewerb gewonnen. Sie zeigen den herrschenden Reichtum an – und verweisen erneut darauf, dass es nicht die 300.000 Kataris waren, die sie errichtet haben, sondern die deutlich zahlreicheren Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen, die sie dafür ins Land holten.
Unterdessen ist die Werbung für das Championat in Doha noch verhalten. Hier und da erscheinen Großplakate mit den Konterfeis von Fußballern, deren Profile in Europa auf Anhieb nicht geläufig sind. Dazwischen taucht vereinzelt das Logo des Weltverbandes Fifa auf, in deren Camp geschäftiges Treiben unverkennbar ist. Doch so etwas wie Euphorie ist in der Stadt nirgends auszumachen – schon allein deshalb nicht, weil man in den Straßen kaum Menschen sieht, die diese Euphorie entfachen könnten. Zu heiß, zu unwirtlich.
Sportministerin Faeser verschafft sich einen Eindruck von dem WM-Gastgeberland Katar
Die Fußball-WM in Katar beginnt am 20. November. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser schaut jetzt schon mal dort vorbei. Ihr Besuch soll zwei Tage dauern.
© Quelle: Reuters
Dass die schweigsamen katarischen Männer in ihren langen weißen Gewändern auf den Tribünen Stimmung machen – das scheint jedenfalls völlig ausgeschlossen. Die Wanderarbeiter und Wanderarbeiterinnen kämen dafür womöglich infrage. Aber ob sie sich die Tickets leisten würden bei 250 Dollar Lohn im Monat? (Geld, das manchmal gar nicht kommt.)
Ohnehin scheint die City von Doha, lediglich für wohlhabende Menschen geschaffen zu sein. Die Luxushotels überbieten sich gegenseitig in ihrem Angeberpomp und ihren Preisen. Dazwischen kreuzen meist weiße Vans auf breiten Straßen dieser Autostadt, wobei es die Fahrer (es gibt auch Fahrerinnen!) gewohnt sind, an Ampelkreuzungen lange anzuhalten – länger als es in Deutschland üblich ist. Arbeiter und Arbeiterinnen wohnen irgendwo, aber gewiss nicht hier. Und das, was als Fanmeile ausgewiesen wird, ist noch menschenleer.
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Kurz vor dem letzten Hurra: Warum Cristiano Ronaldo nun ein trauriges Karriereende droht
Superstar Cristiano Ronaldo steht bei seinem Klub Manchester United auf dem Abstellgleis. Trainer Erik ten Hag machte zuletzt immer wieder klar, wer der Boss im Old Trafford ist und griff knallhart gegen den Portugiesen durch. „CR7“ steht nun vor dem letzten Hurra seiner Karriere.
„Wer baute das siebentorige Theben?“
Das Einzige, was bei all dem Staunen über diese Siedlung in der Wüstenei das Herz erreicht, sind die sorgsam gepflegten Blumenbeete an den Seitenstreifen der Zufahrtsstraßen – wenn man das Schicksal derer bedenkt, die sie gepflanzt und gegossen haben. So drängen sich denn auch unwillkürlich immer wieder Bertolt Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ vom Hinter- in den Vorderkopf:
„Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Und das mehrmals zerstörte Babylon
Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war
Die Maurer? Das große Rom
Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie?
…“
Ja, Brecht hat über das Katar des Jahres 2022 geschrieben, ohne je dort gewesen zu sein. Und Nein, auch bei 33 Grad wird es in Doha nach menschlichem Ermessen kein warmes Turnier geben. Eher wird es eiskalt.