Johnsons Nachfolger sind schwach – und das liegt an ihm selbst
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Wird die Downing Street bald verlassen: Boris Johnson.
© Quelle: imago images/Parsons Media
Boris Johnsons Zeit als Premierminister läuft ab. Anfang September soll ein neuer Parteichef gewählt werden, endlich. Die Tories verkaufen die Krise als Chance für Großbritannien und geben sich zuversichtlich. Alles soll besser werden. Ob das stimmt? Nach der zweiten Runde sind aktuell noch fünf Bewerber im Rennen. Als Favorit gilt der frühere Finanzminister Rishi Sunak, der zuletzt erneut die meiste Unterstützung unter den Abgeordneten vorweisen konnte. Auf Platz zwei liegt die eher unbekannte Handelsstaatssekretärin Penny Mordaunt. Drittplatzierte ist Außenministerin Liz Truss. Wirklich überzeugend ist keiner der Kandidaten.
Sunak, einst Finanzanalyst, gibt sich als Anti-Boris, elegant gekleidet, aber auch aalglatt. Der 42-Jährige stieg, eigentlich politisch unerfahren, unter Johnson schnell zum Finanzminister auf. Im Rahmen seiner Wahlkampagne verkauft er sich als Realist, der keine falschen Versprechungen macht. Doch es gibt berechtigte Zweifel an seiner Integrität. Denn wie Johnson musste auch Sunak ein Bußgeld wegen des Verstoßes gegen Corona-Regeln im Jahr 2020 zahlen.
In seinem Kampagnenvideo verkauft er seinen familiären Hintergrund, seine Eltern kamen aus Ostafrika, zwar als eine Geschichte des Aufstieges, verschweigt jedoch, dass er eine Eliteschule sowie die Universität Oxford besucht hat. Heute zählt Sunak zu den vermögendsten Menschen in Großbritannien und lebt damit weit weg von den Problemen vieler Briten. Seine Frau, Akshata Murty, hat überdies vermieden, Steuern in Großbritannien zu bezahlen. In einer Zeit, in der sich manche angesichts der steigenden Kosten von Wasser und Brot ernähren, ist das ein Problem.
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© Quelle: Reuters
Penny Mordaunt ist nicht reich, dafür schillernd. Bekannt wurde sie unter anderem durch ihre Teilnahme an einer TV‑Schwimmshow. Unter der früheren Premierministerin Theresa May fungierte sie als Ministerin für Frauen und Gleichstellung, bevor sie zur Verteidigungsministerin ernannt wurde. Dass Johnson sie nach kurzer Zeit absetzte, kommt ihr nun zugute. Denn sie wird durch ihren Posten auf der mittleren Ebene nicht mit der skandalträchtigen Regierung in Verbindung gebracht.
Würde sie Parteichefin, könnte es jedoch ernsthafte Probleme geben. Kollegen behaupten, sie drücke sich vor Verantwortung, konzentriere sich auf wenige Themen und scheue Auslandsreisen. Dies hat ihr den Spitznamen Penny Dormant eingebracht, Penny „Ruhend“. Die falsche Haltung angesichts der Herausforderungen, die vor ihr lägen.
Truss ist am bekanntesten
Auf Platz drei in den Bewerbercharts steht Liz Truss. Sie ist die bekannteste Kandidatin und hat viel Erfahrung gesammelt, gilt durch ihren wechselnden Brexit-Kurs jedoch als opportunistisch. Unter der Führung von May wurde sie Justizministerin. Johnson ernannte sie dann zunächst zur Ministerin für internationalen Handel und schließlich zur Außenministerin. In dieser Rolle leistete sie sich dann zahlreiche peinliche Fehltritte. So ließ sie sich im November 2021 in Russland breit lächelnd in einem Panzer fotografieren. Im März bestärkte sie die Briten darin, zum Kämpfen in die Ukraine zu reisen.
Kollegen werfen ihr Fehlentscheidungen und Inkompetenz vor. Im Wahlkampf gibt sie sich bissig. Auf der Suche nach einem Neuanfang nach der blamablen Amtszeit Johnsons sind das keine guten Vorzeichen.
Dass das Bewerberfeld für das Amt des Parteichefs so schwach ist, liegt an Johnson selbst. Denn er ist durch seinen von Lügen und Halbwahrheiten geprägten Führungsstil und die Skandale im Parlament, die mit seiner Person verbunden sind, verantwortlich dafür, dass in den letzten Jahren viele kompetente Tories hingeschmissen haben. Außerdem hat er sich fast ausschließlich mit Politikern umgeben, die eigentlich keinen Topposten verdient hätten.
Typisch für ihn. Denn so waren sie gefügig und keine Konkurrenz. Angesichts der vergifteten Stimmung in der Partei und der fragwürdigen Kandidaten für das Amt könnte es sein, dass sich die Tories in den nächsten Monaten selbst demontieren. Das macht eine Machtübernahme durch die oppositionelle Labour-Partei unter dem Parteichef Keir Starmer bei den Wahlen 2024 wahrscheinlicher. Dieser versprach einen „frischen Start“ für das Land. Nötig wäre der auf jeden Fall.
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