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Bern greift gegen Russland durch

Nach Kritik: Schweiz legt Neutralität ab und erhebt Sanktionen gegen Russland

Demonstrierende kritisieren die Schweizer Zurückhaltung gegenüber Russland mit Plakaten bei Protesten in München gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine.

Demonstrierende kritisieren die Schweizer Zurückhaltung gegenüber Russland mit Plakaten bei Protesten in München gegen den russischen Krieg gegen die Ukraine.

Swift-Ausschluss, Blockade von Finanzreserven der Moskauer Zentralbank, Beschränkung des Handels mit russischen Staatsanleihen – die westlichen Staaten haben umfassende Sanktionen gegen den Kreml in Kraft gesetzt, die insbesondere den Finanzsektor treffen.

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Doch der Staat, der weltweit für seine Finanzinstitute bekannt ist, tat sich lange schwer mit der Sanktionierung Moskaus: die neutrale Schweiz. Am Montag hat der Bundesrat in Bern nun in einer Sondersitzung beschlossen, den EU-Sanktionen zu folgen.

Schon vorher galt die Entscheidung „sehr wahrscheinlich“, wie Bundespräsident Ignazio Cassis vor der Sondersitzung ankündigte.

80 Prozent des russischen Rohstoffhandels laufen über die Schweiz

Die viel zitierte Neutralität ist die Grundlage der schweizerischen Außen- und Sicherheitspolitik, verschafft dem Land Unabhängigkeit sowie Handelsfreiheit und sollte im historischen Rückblick nach dem Wiener Kongress von 1814/15 den Frieden in Europa sichern.

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Immerhin rund 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels erfolge über die Schweizer Finanzdienstleistungszentren Genf, Zug, Lugano und Zürich, teilte die diplomatische Vertretung der Eidgenossenschaft in Moskau in ihrem Wirtschaftsbericht aus dem vergangenen Juni mit. Gerade die „grenzüberschreitende Vermögensverwaltung“ sei ein Hauptgeschäft der Schweizer Banken mit Russland. „Nimmt man die von der Zentralbank Russlands publizierten Daten zu Transferzahlungen von Privatpersonen, so fließen im Vergleich zu anderen Ländern jährlich mit Abstand am meisten Gelder in die Schweiz“, heißt es weiter in dem Bericht.

Der Finanzplatz Schweiz erfreue sich bei russischen Banken, Investoren und Sparern traditionell großer Beliebtheit. „Die Schweiz ist für wohlhabende Russen seit Jahren weltweit mit Abstand die wichtigste Destination für die Verwaltung ihrer Vermögen.“ In Zahlen ausgedrückt bedeutete dies im Jahr 2020 den Transfer von insgesamt 2,5 Milliarden US-Dollar russischer Privatpersonen auf Konten in der Schweiz.

Schweiz blieb schon 2014 unter dem Niveau der EU-Sanktionen gegen Moskau

Das zeigt die zentrale Bedeutung der Schweiz bei Wirtschaftssanktionen gegen den Kreml. Schon 2014, als der russische Präsident völkerrechtswidrig die ukrainische Halbinsel Krim annektieren ließ, erhob die Alpenrepublik zwar Sanktionen, führte sie aber nicht so weit wie etwa die Europäische Union. Sie dienten vor allem dem Zweck, dass die EU-Sanktionen gegen Moskau nicht über die Schweiz umgangen werden.

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Der damalige Bundespräsident Didier Burkhalter erklärte 2014 das Vorgehen ebenfalls mit der Neutralität seines Landes: „Zu den Stärken der Schweiz gehören unsere Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität. Aber auch unsere Fähigkeit, den Dialog zu fördern und Brücken zwischen Kulturen zu bauen. Diese Stärken sind ein gefragtes Gut in einer instabilen Welt, in der Entwicklungen unvorhersehbar sind.“

Ein Dialog mit Russland ist aktuell mit Blick auf die Absage aus dem Kreml an die US-amerikanische Administration und die weitreichende diplomatische Isolation Russlands in der Weltpolitik kaum denkbar. Der aktuelle Bundespräsident Cassis attestiert seinem Land eine „klare Haltung“ angesichts des russischen Vorgehens. Immerhin hatte Bern schon vor wenigen Tagen verurteilt, dass Russland mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine das Völkerrecht „massiv verletzt“ habe.

Schweizer Kurs sorgt für Frustration in der EU

In der EU bestand die Sorge, dass die Schweiz sich den westlichen Finanzsanktionen gegen Russland nicht vollständig anschließen würde und damit zu einem Ausweichquartier für russisches Geld wird. Der Kurs der Schweiz der vergangenen Tage und Wochen sorge für große Frustration, sagte ein EU-Diplomat am Montag in Brüssel. Es sei völlig unverständlich, wie man sich auf seine Neutralität berufen könne, wenn es um die Ahndung von Völkerrechtsbrüchen gehe.

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Angaben aus dem Ministerrat zufolge bemühte sich die EU seit Längerem, die Schweiz davon zu überzeugen, sich den Russland-Sanktionen vollständig anzuschließen, die beispielsweise ein Einfrieren von Devisenreserven und Vermögenswerten bestimmter russischer Finanzinstitute vorsehen. Jetzt folgte die Zusage aus dem Bundesrat - sicher auch auf den massiven Druck der EU hin.

mit Material von dpa

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