Die Pflegereform kommt: Für wen es teurer wird – und für wen günstiger
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Eine Pflegefachkraft hilft in der ambulanten Pflege einer Frau beim Umsetzen.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa/Symbolbild
Berlin. Die Warnung war eindeutig: Spätestens im zweiten Halbjahr drohe der Pflegeversicherung das Geld auszugehen, mahnte der Kassenspitzenverband Anfang des Jahres. Außerdem hatte das Bundesverfassungsgericht 2022 in einem Urteil gefordert, bis spätestens 31. Juli dieses Jahres die Kinderzahl bei den Beiträgen stärker zu berücksichtigen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ließ sich gleichwohl Zeit mit der Vorlage eines Reformvorschlags. Nach einigen Streitigkeiten in der Ampelkoalition wurde der Entwurf am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen.
Hier die wichtigsten Elemente im Überblick:
Beitragssatz und Kinderzahl: Für Kinderlose wird es noch teurer
Zur Deckung des Milliardendefizits und zur Finanzierung einiger Leistungsverbesserungen soll der Beitragssatz für Eltern zum 1. Juli um 0,35 Prozent steigen. Gleichzeitig werden der Zuschlag für Kinderlose von 0,35 auf 0,6 Prozentpunkte erhöht und neue Abschläge für das zweite bis fünfte Kind eingeführt. Deshalb ergibt sich eine neue, komplizierte Beitragsmatrix.
Während Kinderlose derzeit 3,4 Prozent (Arbeitnehmeranteil 1,875 Prozent) und Eltern unabhängig von der Kinderzahl 3,05 Prozent (Arbeitnehmeranteil 1,525 Prozent) zahlen, gilt ab 1. Juli:
- kein Kind: 4 Prozent (Arbeitnehmer: 2,3 Prozent, Arbeitgeber stets 1,7 Prozent)
- ein Kind: 3,4 Prozent (Arbeitnehmer: 1,7 Prozent)
- zwei Kinder: 3,15 Prozent (Arbeitnehmer: 1,45 Prozent)
- drei Kinder: 2,9 Prozent (Arbeitnehmer: 1,2 Prozent)
- vier Kinder: 2,65 Prozent (Arbeitnehmer: 0,95 Prozent)
- fünf und mehr Kinder: 2,4 Prozent (Arbeitnehmer 0,7 Prozent)
Die Abschläge bei mehr als einem Kind gelten allerdings nur so lange, bis der jeweilige Nachwuchs das 25. Lebensjahr vollendet hat. Irgendwann fallen also alle Eltern unabhängig von der Kinderzahl auf den Beitragssatz von 3,4 Prozent zurück, der lebenslang gilt.
Rechenbeispiel: Die Anhebung des Beitrags auf 4 Prozent bei Kinderlosen bedeutet bei einem Monatseinkommen von brutto 3500 Euro eine Mehrbelastung eines Arbeitnehmers um 15 Euro im Monat. Bei zwei Kindern ergibt sich eine Entlastung von 2,60 Euro im Monat.
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Pflegeheim: Pflegeversicherung zahlt höhere Zuschläge
Für den Pflegeeigenanteil im Heim werden die von der Pflegeversicherung gezahlten Zuschläge erhöht: Bis zu zwölf Monate Aufenthaltsdauer gelten 15 statt 5 Prozent des Eigenanteils, bei 13 bis 24 Monaten 30 statt 25 Prozent, bei 25 bis 36 Monaten 50 statt 45 Prozent und bei mehr als 36 Monaten 75 statt 70 Prozent.
Rechenbeispiel: Im Bundeschnitt beträgt der Eigenanteil im Pflegeheim (nach Abzug der Leistungen aus der Pflegeversicherung) derzeit 2468 Euro. Dabei entfallen 1139 Euro auf die reine Pflege, der Rest auf Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten. Die genannten Zuschläge gelten nur für die Pflegekosten. Bei einer Verweildauer zwischen 25 und 36 Monaten würde der Zuschuss bezogen auf 1139 Euro also 569,50 Euro betragen, wodurch der gesamte Eigenanteil auf 1898,50 Euro sinkt.
Pflege zu Hause: mehr Pflegegeld ab 2024
Das Pflegegeld für pflegende Angehörige und das Budget für die Inanspruchnahme von ambulanten Pflegediensten („Pflegesachleistung“) steigen zum 1. Januar 2024 um jeweils 5 Prozent. Es gelten dann:
- Pflegegrad 2: Pflegegeld 332 Euro; Sachleistung: 761 Euro
- Pflegegrad 3: Pflegegeld 573 Euro; Sachleistung: 1432 Euro
- Pflegegrad 4: Pflegegeld 765 Euro; Sachleistung 1778 Euro
- Pflegegrad 5: Pflegegeld 947 Euro; Sachleistung: 2200 Euro
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Expertin gibt Tipps: Was tun, wenn Kinder einfach nicht essen wollen?
Wenn ein Kind am Esstisch Lebensmittel verweigert oder den Teller nicht leer isst, merken viele Eltern auf. Gehört der Nachwuchs etwa zu den gefürchteten „schlechten Essern“? Eine Expertin erklärt, wann Eltern beruhigt sein können – und wann es Grund zur Sorge gibt.
Anpassungen, Kurzzeitpflege und Pflegeunterstützungsgeld
Dynamisierung: Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 sollen alle Geld- und Sachleistungen entsprechend der Preisentwicklung automatisch angepasst werden.
Pflegeunterstützungsgeld: Wenn ein Angehöriger plötzlich pflegebedürftig wird, gibt es derzeit für maximal zehn Tage einen Lohnersatz in Höhe von 90 Prozent des Nettolohnes. Die zehn Tage gelten künftig nicht mehr pro Kalenderjahr, sondern je pflegebedürftige Person.
Hinweis der Redaktion: In der ersten Fassung des Textes hieß es, ab 2024 würden die bisher getrennten Ansprüche für die Kurzzeit- und die Verhinderungspflege zu einem flexibel nutzbaren „gemeinsamen Jahresbetrag“ von 3386 Euro zusammen geführt. Dieses Vorhaben wurde kurzfristig wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen.