Nach Partygate: Johnson auf dem Prüfstand
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Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, geht in ein Wahllokal, um seine Stimme für die Kommunalwahlen abzugeben.
© Quelle: Tim Ireland/XinHua/dpa
London. Als Boris Johnson, seinen Hund Dilyn im Schlepptau, sich gestern auf den Weg machte, um seine Stimme in seinem Bezirk Westminster abzugeben, beobachteten ihn Journalisten dabei genau.
Auch der Urnengang seines Gegners, des Labour-Chefs Keir Starmer, wurde von Fernsehkameras begleitet. Dass sich der Blick der Öffentlichkeit auf die beiden britischen Parteiführer richtete, ist kein Zufall. Denn die Lokalwahlen in Bezirken in England, Wales und Schottland gelten als richtungsweisend für die nationalen Wahlen, die 2024 stattfinden sollen. Damit könnten sie auch über die Zukunft Boris Johnsons entscheiden, der angesichts der „Partygate“-Affäre nun schon seit Monaten politisch angeschlagen ist.
Großbritannien: Stimmungstest für Boris Johnson
Für England, Schottland und Wales sehen Umfragen Stimmengewinne für die Labour-Partei mit Oppositionsführer Keir Starmer voraus.
© Quelle: Reuters
Tatsächlich gilt es laut Umfragen als wahrscheinlich, dass die Tories bei dieser Wahl Verluste hinnehmen müssen, beispielsweise in der Küstenstadt Southampton und in Newcastle-under-Lyme in Mittelengland. Die Labour-Partei gab sich zuversichtlich, den Londoner Bezirk Wandsworth nach vier Jahrzehnten „rot zu färben“ und Johnson damit einen „empfindlichen Schlag“ zu versetzen. Ob sich der Premier um seine Chancen auf Wiederwahl beim nächsten nationalen Urnengang sorgen muss, dürfte vor allem davon abhängen, wie die Partei im Vergleich zu den Wahlen der vergangenen Jahre abschneidet. Erste Ergebnisse werden heute im Laufe des Tages erwartet.
Doch könnten diese tatsächlich dazu führen, dass die Tories Johnson schon bald fallen lassen? Experten halten dies für eher unwahrscheinlich, da sich der Schaden für die Tories womöglich in Grenzen halten könnte. Denn die Wahlen fänden in England überproportional in ohnehin schon von Labour kontrollierten Bezirken statt – zum Beispiel in London, wo die konservative Partei derzeit nur sieben der 32 Gemeinden kontrollieren.
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„Deshalb können die Ergebnisse unterschiedlich gedeutet werden. Das werden sich die Tories zu nutze machen“, erklärte Hannah White von der Denkfabrik Institute for Government. Sie glaubt deshalb nicht, dass die Lokalwahlen Johnson den politischen Todesstoß versetzen. „Die Tories warten wohl eher noch einige Zeit ab“, in Ermangelung eines adäquaten Nachfolgers.
Lokalwahlen gelten als wichtiger Indikator
Dennoch gelten die Lokalwahlen laut Experten als wichtiger Indikator dafür, wie sich die „Partygate“-Affäre auf die Meinung der Wähler in Großbritannien ausgewirkt hat. Der Skandal nahm im Oktober letzten Jahres seinen Anfang, als Johnson erst leugnete, an Feiern während des Lockdowns in der Downing Street gewusst zu haben, bis herauskam, dass er selbst daran teilgenommen hatte.
Die Metropolitan Police verhängte im April eine Geldstrafe gegen ihn. Die Begründung: Der Premier habe gegen damals geltende Gesetze verstoßen. Ende April entschieden die Abgeordneten des britischen Unterhauses außerdem, dass nun ein parlamentarisches Komitee herausfinden soll, ob er das Unterhaus hinters Licht geführt hat, als er behauptete, nichts von Partys gewusst zu haben. Der Schaden für die Partei war und ist groß. Die Mehrheit der Briten bezeichnet Johnson laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov mittlerweile als „Lügner“.
Erschwerend hinzu kamen erneute Enthüllungen von Sexismus und Misogynie im Parlament, ausgelöst durch einen Artikel in der britischen Boulevardzeitung „Mail on Sunday“. Darin hieß es, die Labour-Parlamentsabgeordnete Angela Rayner habe Tory-Abgeordnete abgelenkt, indem sie die Beine übereinanderschlug. In der Folge äußerten sich weibliche Parlamentsabgeordnete zu sexuellen Übergriffen, die meisten anonym. Die konservative Politikerin Anne Jenkin beschrieb die Atmosphäre in Westminster als „eine giftige Mischung aus Stress, Trinkgelagen, Testosteron und Macht“.
Wenige Tage später kam der Skandal um den Tory-Abgeordneten Neil Parish auf. Dieser hatte im Unterhaus gleich zweimal Pornos geschaut, einmal versehentlich, dann absichtlich, wie er später zugab. Parish legte nach der Enthüllung sein Amt freiwillig nieder. Ein Schritt, der von Boris Johnson nicht zu erwarten ist.
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