Kommentar

Ukraine-Reisen von Politikern: Bilder sind mächtig, aber sie sollten nicht alles sein

Will nach Kiew reisen: CDU-Chef Friedrich Merz.

Will nach Kiew reisen: CDU-Chef Friedrich Merz.

Berlin. Bilder sind mächtig. Fotos aus dem Vietnamkrieg trugen in den 1960er Jahren dazu bei, in den USA die Stimmung gegen den Krieg zu drehen. Der sowjetische Diktator Josef Stalin ließ Personen aus Fotos schneiden, die in Ungnade gefallen waren. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder gewann die Bundestagswahl 2002 auch deswegen, weil er schnell in Gummistiefeln in ostdeutschen Hochwassergebieten auftauchte – anders als sein CSU-Herausforderer Edmund Stoiber.

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Das Selbstwertgefühl bemisst sich mittlerweile häufig in Selfies. Angela Merkels Handraute gerann zum Symbol ihres Politikstils – einem schwer zu widersprechenden Zeichen von Stabilität.

Bilder sind mächtig, aber sie sind nicht alles. Vor allem die Politik sollte sich nicht in Symbolen und in symbolischen Handlungen erschöpfen.

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Ukraine, Kiew: Dieses vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten am 01.05.2022 zur Verfügung gestellte Foto zeigt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, der Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, während ihres Treffens in Kiew den Orden der Prinzessin Olga dritten Grades verleiht.

Ukraine, Kiew: Dieses vom Pressebüro des ukrainischen Präsidenten am 01.05.2022 zur Verfügung gestellte Foto zeigt Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, der Nancy Pelosi, Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, während ihres Treffens in Kiew den Orden der Prinzessin Olga dritten Grades verleiht.

Im Bundestagswahlkampf 2021 verzichtete Annalena Baerbock als Grünen-Kanzlerkandidatin auf einen Besuch im Hochwassergebiet. Sie hätte die Bilder in einer ansonsten vermurksten Kampagne brauchen können, aber sie hatte keine exekutive Funktion und argumentierte zu Recht, den Helfern nicht im Weg stehen zu wollen.

Die Regierung Selenskyj legt Wert auf symbolische Unterstützung

Auch bei Reisen in die Ukraine geht es um die Macht der Bilder. Sie sind eine symbolische Unterstützung für das Land, das sich gegen den unfassbaren Angriff Russlands zur Wehr setzt. Und ganz offenkundig legt die ukrainische Regierung Wert auf eine solche Unterstützung.

An die eigene Bevölkerung sendet es die Botschaft, dass sich durchhalten lohnt, weil man nicht alleine ist. An Russland ist es das Signal des Widerstandswillens. Es hilft dabei, in der Welt die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten, den Krieg und die täglichen Zerstörungs- und Opfermeldungen nicht zur schrecklichen Gewohnheit geraten zu lassen.

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08.04.2022, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, zeigt den Fragebogen zur Einleitung des Verfahrens zur Prüfung des Antrags der Ukraine auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union durch die EU-Kommission, den er von Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erhalten hat.

08.04.2022, Ukraine, Kiew: Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, zeigt den Fragebogen zur Einleitung des Verfahrens zur Prüfung des Antrags der Ukraine auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union durch die EU-Kommission, den er von Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, erhalten hat.

Nicht zuletzt können symbolische Handlungen auch das Gefühl der Hilflosigkeit verdrängen, das die offenkundige Skrupellosigkeit und Unberechenbarkeit des russischen Präsidenten wecken kann. Die Hoffnung, dass prominente Besucher aus dem Ausland einen Ort zumindest vorübergehend vor russischen Angriffen schützen, kann man spätestens seit dem Raketenangriff auf Kiew während der Anwesenheit von Uno-Generalsekretär Antonio Guterres nicht mehr haben. Für die Besucher ist es ein Wert an sich, sich von Ereignissen und handelnden Personen einen Eindruck vor Ort machen zu können – selbst wenn man nur einen Ausschnitt wahrnehmen kann.

Von Johnson bis Pelosi: Stetiger Pilgerstrom nach Kiew

Mittlerweile hat ein steter Pilgerstrom nach Kiew eingesetzt.

Es sind Bilder der internationalen Solidarität.

Johnson trifft Selenskyj in Kiew - neue Waffenlieferungen angekündigt

Der britische Premierminister Boris Johnson ist unangekündigt nach Kiew gereist und hat dort den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen.

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Manchmal aber haben sie einen Beigeschmack. Der britische Premierminister Boris Johnson etwa, der als einer der ersten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch Kiew stapfte, konnte geliehenes Heldentum gut gebrauchen – zuhause ist er wegen diverser Skandale in Bedrängnis.

CDU-Chef Friedrich Merz kann man bei seinen Ukraine-Reiseplänen echtes Interesse und das Bedürfnis nach einer Solidaritätsgeste unterstellen. Er lässt betonen, dass Parteipolitik bei diesem Thema keine Rolle spielt, dass Regierung und Opposition an einem Strang ziehen und er die Wünsche der Ukrainer mit nach Deutschland bringen wolle. Das allerdings wirkt dann schon etwas scheinheilig. Das Telefon ist bereits erfunden, die Regierungen sind in Kontakt. Und die Reise passt nur zu gut zu Merz‘ Konzept, Bundeskanzler Olaf Scholz als Zauderer darzustellen.

Allerdings lässt Scholz ihm dazu mit seiner ostentativen Zurückhaltung auch Gelegenheit. Der Umfang der deutschen Solidarität mit der Ukraine bemisst sich nicht in einem Besuch. Er bemisst sich in Hilfsgütern und Euro. Aber auch da lässt sich noch etwas drauflegen.

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